Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

besonderes ist, so kann dieses zerreißen, während
jenes ganz bleibt, und mir gegen das zerhauende
Schwert des feindlichen Siegers nun auch nichts
hilft. Die Idee der Gerechtigkeit spricht: er-
halte beides zugleich, den Staat, das allgemeine
Tribunal der Gerechtigkeit, und die kleinen Tri-
bunale des Privatrechtes; oder du erhältst keins!
Stürzt das Pantheon; so werden die kleinen dar-
in aufgerichteten Kapellen nicht widerstehen. --

Aus dem unendlichen Streite der Freiheit mit
der Gegenfreiheit erzeugen sich nicht bloß die be-
sten Fabrikate, sondern auch die besten Gesetze;
und das ist es, was ich zu beweisen hatte und
bewiesen habe.

In einem Staate, der frei genannt werden
will, muß in allen Gesetzen die Spur jenes
Streites zu finden seyn; man muß es den Ge-
setzen ansehen, daß sie aus der Gegenseitigkeit
aller Verhältnisse, d. h. aus der Bewegung,
nicht aus todter, einseitiger, wenn auch noch so
verständiger und consequenter Willkühr, entsprun-
gen sind; das Recht muß allenthalben -- so
drückte ich es neulich aus -- erscheinen 1) als Ge-
setz, und 2) als Contract, als Vergleich: als
Resultat einer Vermittelung zwischen zwei noth-
wendigen und unvermeidlichen Extremen. Dem-
nach, als vor zwanzig Jahren gegen den Druck

beſonderes iſt, ſo kann dieſes zerreißen, waͤhrend
jenes ganz bleibt, und mir gegen das zerhauende
Schwert des feindlichen Siegers nun auch nichts
hilft. Die Idee der Gerechtigkeit ſpricht: er-
halte beides zugleich, den Staat, das allgemeine
Tribunal der Gerechtigkeit, und die kleinen Tri-
bunale des Privatrechtes; oder du erhaͤltſt keins!
Stuͤrzt das Pantheon; ſo werden die kleinen dar-
in aufgerichteten Kapellen nicht widerſtehen. —

Aus dem unendlichen Streite der Freiheit mit
der Gegenfreiheit erzeugen ſich nicht bloß die be-
ſten Fabrikate, ſondern auch die beſten Geſetze;
und das iſt es, was ich zu beweiſen hatte und
bewieſen habe.

In einem Staate, der frei genannt werden
will, muß in allen Geſetzen die Spur jenes
Streites zu finden ſeyn; man muß es den Ge-
ſetzen anſehen, daß ſie aus der Gegenſeitigkeit
aller Verhaͤltniſſe, d. h. aus der Bewegung,
nicht aus todter, einſeitiger, wenn auch noch ſo
verſtaͤndiger und conſequenter Willkuͤhr, entſprun-
gen ſind; das Recht muß allenthalben — ſo
druͤckte ich es neulich aus — erſcheinen 1) als Ge-
ſetz, und 2) als Contract, als Vergleich: als
Reſultat einer Vermittelung zwiſchen zwei noth-
wendigen und unvermeidlichen Extremen. Dem-
nach, als vor zwanzig Jahren gegen den Druck

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0236" n="202"/>
be&#x017F;onderes i&#x017F;t, &#x017F;o kann die&#x017F;es zerreißen, wa&#x0364;hrend<lb/>
jenes ganz bleibt, und mir gegen das zerhauende<lb/>
Schwert des feindlichen Siegers nun auch nichts<lb/>
hilft. Die Idee der Gerechtigkeit &#x017F;pricht: er-<lb/>
halte beides zugleich, den Staat, das allgemeine<lb/>
Tribunal der Gerechtigkeit, und die kleinen Tri-<lb/>
bunale des Privatrechtes; oder du erha&#x0364;lt&#x017F;t keins!<lb/>
Stu&#x0364;rzt das Pantheon; &#x017F;o werden die kleinen dar-<lb/>
in aufgerichteten Kapellen nicht wider&#x017F;tehen. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Aus dem unendlichen Streite der Freiheit mit<lb/>
der Gegenfreiheit erzeugen &#x017F;ich nicht bloß die be-<lb/>
&#x017F;ten Fabrikate, &#x017F;ondern auch die be&#x017F;ten Ge&#x017F;etze;<lb/>
und das i&#x017F;t es, was ich zu bewei&#x017F;en hatte und<lb/>
bewie&#x017F;en habe.</p><lb/>
            <p>In einem Staate, der frei genannt werden<lb/>
will, muß in allen Ge&#x017F;etzen die Spur jenes<lb/>
Streites zu finden &#x017F;eyn; man muß es den Ge-<lb/>
&#x017F;etzen an&#x017F;ehen, daß &#x017F;ie aus der Gegen&#x017F;eitigkeit<lb/>
aller Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, d. h. aus der Bewegung,<lb/>
nicht aus todter, ein&#x017F;eitiger, wenn auch noch &#x017F;o<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger und con&#x017F;equenter Willku&#x0364;hr, ent&#x017F;prun-<lb/>
gen &#x017F;ind; das Recht muß allenthalben &#x2014; &#x017F;o<lb/>
dru&#x0364;ckte ich es neulich aus &#x2014; er&#x017F;cheinen 1) als Ge-<lb/>
&#x017F;etz, und 2) als Contract, als Vergleich: als<lb/>
Re&#x017F;ultat einer Vermittelung zwi&#x017F;chen zwei noth-<lb/>
wendigen und unvermeidlichen Extremen. Dem-<lb/>
nach, als vor zwanzig Jahren gegen den Druck<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0236] beſonderes iſt, ſo kann dieſes zerreißen, waͤhrend jenes ganz bleibt, und mir gegen das zerhauende Schwert des feindlichen Siegers nun auch nichts hilft. Die Idee der Gerechtigkeit ſpricht: er- halte beides zugleich, den Staat, das allgemeine Tribunal der Gerechtigkeit, und die kleinen Tri- bunale des Privatrechtes; oder du erhaͤltſt keins! Stuͤrzt das Pantheon; ſo werden die kleinen dar- in aufgerichteten Kapellen nicht widerſtehen. — Aus dem unendlichen Streite der Freiheit mit der Gegenfreiheit erzeugen ſich nicht bloß die be- ſten Fabrikate, ſondern auch die beſten Geſetze; und das iſt es, was ich zu beweiſen hatte und bewieſen habe. In einem Staate, der frei genannt werden will, muß in allen Geſetzen die Spur jenes Streites zu finden ſeyn; man muß es den Ge- ſetzen anſehen, daß ſie aus der Gegenſeitigkeit aller Verhaͤltniſſe, d. h. aus der Bewegung, nicht aus todter, einſeitiger, wenn auch noch ſo verſtaͤndiger und conſequenter Willkuͤhr, entſprun- gen ſind; das Recht muß allenthalben — ſo druͤckte ich es neulich aus — erſcheinen 1) als Ge- ſetz, und 2) als Contract, als Vergleich: als Reſultat einer Vermittelung zwiſchen zwei noth- wendigen und unvermeidlichen Extremen. Dem- nach, als vor zwanzig Jahren gegen den Druck

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/236
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/236>, abgerufen am 22.11.2024.