derte hindurch die Herrschaft über die Welt; und so wurde alles anscheinend Schwache in der Welt, vor allem das weibliche Geschlecht, be- trachtet, als sey etwas Geheimnißvolles, Gött- liches darin; man ahndete und glaubte eine herr- schende Kraft, welche die Natur in das Ge- schlecht gelegt habe, das dem ersten Anscheine nach nur zu dienen schien. Der Gedanke, den nur die weisesten und schönsten Gemüther der Vorwelt genährt und durch ihr Leben ausge- drückt hatten, "daß es ein Herrschen im Dienen, einen Stolz in der Demuth, eine Gewalt im Gehorsam gebe," wurde National-Gedanke; und auf solche Art bekam das zweite Grund-Ver- hältniß der Familie, das Verhältniß des männ- lichen zum weiblichen Geschlechte, wieder seine ursprüngliche und nothwendige Form. Die Kraft des Mannes, die mehr den Augenblick auf ihrer Seite hat, wurde balancirt durch den gleichför- migen, nie nachlassenden Einfluß der Frau, wel- cher auf die Dauer berechnet ist, wie das ganze weibliche Geschlecht ja auch um der Fortdauer willen existirt.
So nehmen wir auch hier das Wachsthum der Idee der Menschheit, oder der Idee des Rechtes, was dasselbe sagen will, wahr. Beide Geschlechter sahen einander in die Augen;
derte hindurch die Herrſchaft uͤber die Welt; und ſo wurde alles anſcheinend Schwache in der Welt, vor allem das weibliche Geſchlecht, be- trachtet, als ſey etwas Geheimnißvolles, Goͤtt- liches darin; man ahndete und glaubte eine herr- ſchende Kraft, welche die Natur in das Ge- ſchlecht gelegt habe, das dem erſten Anſcheine nach nur zu dienen ſchien. Der Gedanke, den nur die weiſeſten und ſchoͤnſten Gemuͤther der Vorwelt genaͤhrt und durch ihr Leben ausge- druͤckt hatten, „daß es ein Herrſchen im Dienen, einen Stolz in der Demuth, eine Gewalt im Gehorſam gebe,” wurde National-Gedanke; und auf ſolche Art bekam das zweite Grund-Ver- haͤltniß der Familie, das Verhaͤltniß des maͤnn- lichen zum weiblichen Geſchlechte, wieder ſeine urſpruͤngliche und nothwendige Form. Die Kraft des Mannes, die mehr den Augenblick auf ihrer Seite hat, wurde balancirt durch den gleichfoͤr- migen, nie nachlaſſenden Einfluß der Frau, wel- cher auf die Dauer berechnet iſt, wie das ganze weibliche Geſchlecht ja auch um der Fortdauer willen exiſtirt.
So nehmen wir auch hier das Wachsthum der Idee der Menſchheit, oder der Idee des Rechtes, was daſſelbe ſagen will, wahr. Beide Geſchlechter ſahen einander in die Augen;
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derte hindurch die Herrſchaft uͤber die Welt; und
ſo wurde alles anſcheinend Schwache in der
Welt, vor allem das weibliche Geſchlecht, be-
trachtet, als ſey etwas Geheimnißvolles, Goͤtt-
liches darin; man ahndete und glaubte eine herr-
ſchende Kraft, welche die Natur in das Ge-
ſchlecht gelegt habe, das dem erſten Anſcheine
nach nur zu dienen ſchien. Der Gedanke, den
nur die weiſeſten und ſchoͤnſten Gemuͤther der
Vorwelt genaͤhrt und durch ihr Leben ausge-
druͤckt hatten, „daß es ein Herrſchen im Dienen,
einen Stolz in der Demuth, eine Gewalt im
Gehorſam gebe,” wurde National-Gedanke; und
auf ſolche Art bekam das zweite Grund-Ver-
haͤltniß der Familie, das Verhaͤltniß des maͤnn-
lichen zum weiblichen Geſchlechte, wieder ſeine
urſpruͤngliche und nothwendige Form. Die Kraft
des Mannes, die mehr den Augenblick auf ihrer
Seite hat, wurde balancirt durch den gleichfoͤr-
migen, nie nachlaſſenden Einfluß der Frau, wel-
cher auf die Dauer berechnet iſt, wie das ganze
weibliche Geſchlecht ja auch um der Fortdauer
willen exiſtirt.
So nehmen wir auch hier das Wachsthum
der Idee der Menſchheit, oder der Idee
des Rechtes, was daſſelbe ſagen will, wahr.
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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