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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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begiebt, an den Gegenständen der Natur etwas
Anderes, Neues oder Höheres, zu entdecken, als
eben das Verhältniß oder die Beziehung dieser
Naturgegenstände zum Menschen, d. h. nicht
zum Menschen an sich, sondern zum wirklichen
Menschen in der Gesellschaft, ohne die er nie
gedacht werden, noch denken soll. Indeß ist
gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in
Deutschland, die nur das Wort begreift, und als
Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und
gegen alle Gemeinschaft mit dieser, gegen alle
auch nur augenblickliche Verwechselung mit ihr,
mußte ich mich verwahren.

Alle Gesetzgebung in der Welt hat von je her
geschwankt zwischen den beiden Verhältnissen,
dem Zeitverhältnisse, Alter und Jugend, und
dem Raumverhältnisse, Mann und Weib; sie
hat bald dieses, bald jenes ihren politischen In-
stitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes,
das Zeitverhältniß, fast den gesammten antiken
Verfassungen zum Grunde; sie sind fast alle pa-
triarchalischer Natur. Wer von der Natur den
wahren und zarten Blick für solche Untersuchun-
gen erhalten hat, wird finden, daß sich fast die
ganze Römische Gesetzgebung um die Lehre von
der väterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich
unbedingte Gewalt der Vorangegangenen über

die

begiebt, an den Gegenſtaͤnden der Natur etwas
Anderes, Neues oder Hoͤheres, zu entdecken, als
eben das Verhaͤltniß oder die Beziehung dieſer
Naturgegenſtaͤnde zum Menſchen, d. h. nicht
zum Menſchen an ſich, ſondern zum wirklichen
Menſchen in der Geſellſchaft, ohne die er nie
gedacht werden, noch denken ſoll. Indeß iſt
gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in
Deutſchland, die nur das Wort begreift, und als
Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und
gegen alle Gemeinſchaft mit dieſer, gegen alle
auch nur augenblickliche Verwechſelung mit ihr,
mußte ich mich verwahren.

Alle Geſetzgebung in der Welt hat von je her
geſchwankt zwiſchen den beiden Verhaͤltniſſen,
dem Zeitverhaͤltniſſe, Alter und Jugend, und
dem Raumverhaͤltniſſe, Mann und Weib; ſie
hat bald dieſes, bald jenes ihren politiſchen In-
ſtitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes,
das Zeitverhaͤltniß, faſt den geſammten antiken
Verfaſſungen zum Grunde; ſie ſind faſt alle pa-
triarchaliſcher Natur. Wer von der Natur den
wahren und zarten Blick fuͤr ſolche Unterſuchun-
gen erhalten hat, wird finden, daß ſich faſt die
ganze Roͤmiſche Geſetzgebung um die Lehre von
der vaͤterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich
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[144/0178] begiebt, an den Gegenſtaͤnden der Natur etwas Anderes, Neues oder Hoͤheres, zu entdecken, als eben das Verhaͤltniß oder die Beziehung dieſer Naturgegenſtaͤnde zum Menſchen, d. h. nicht zum Menſchen an ſich, ſondern zum wirklichen Menſchen in der Geſellſchaft, ohne die er nie gedacht werden, noch denken ſoll. Indeß iſt gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in Deutſchland, die nur das Wort begreift, und als Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und gegen alle Gemeinſchaft mit dieſer, gegen alle auch nur augenblickliche Verwechſelung mit ihr, mußte ich mich verwahren. Alle Geſetzgebung in der Welt hat von je her geſchwankt zwiſchen den beiden Verhaͤltniſſen, dem Zeitverhaͤltniſſe, Alter und Jugend, und dem Raumverhaͤltniſſe, Mann und Weib; ſie hat bald dieſes, bald jenes ihren politiſchen In- ſtitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes, das Zeitverhaͤltniß, faſt den geſammten antiken Verfaſſungen zum Grunde; ſie ſind faſt alle pa- triarchaliſcher Natur. Wer von der Natur den wahren und zarten Blick fuͤr ſolche Unterſuchun- gen erhalten hat, wird finden, daß ſich faſt die ganze Roͤmiſche Geſetzgebung um die Lehre von der vaͤterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich unbedingte Gewalt der Vorangegangenen uͤber die

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/178>, abgerufen am 24.11.2024.