tur, die Jeder gesehen haben will, und Niemand aufzeigen kann.
Dem zu Folge ist vielleicht in diesem Augen- blick eine solche, den Europäischen Mächten gemeinschaftliche, Basis des Rechtes und des Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege ist, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner Antiquität: die Idee des Staates oder des Rechtes, wie ich sie beschrieben habe, ist dieses ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht, nach der die Menschheit strebt und ohne Ende strebt, müssen alle einzelnen Völker wollen, in so fern sie nur ihre eigne Existenz wollen: diese ist es, in der, und für die alle wahren Kriege geführt werden; noch jetzt werden die unechten Kriege mit Scheingründen motivirt, die wenig- stens von dem Begriffe jener Verbindung aller Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa- tes hergenommen sind.
Jeder wirkliche einzelne Staat drückt die al- len Staaten gemeinschaftliche Idee des Rechtes in seiner eigenthümlichen Sprache, in eigen- thümlichen Formen, Gesetzen und Sitten aus; also liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig das doppelte Streben, 1) diesen seinen eigen- thümlichen Ausdruck der Rechts-Idee gegen al- len Angriff und alle Corruption zu vertheidigen,
tur, die Jeder geſehen haben will, und Niemand aufzeigen kann.
Dem zu Folge iſt vielleicht in dieſem Augen- blick eine ſolche, den Europaͤiſchen Maͤchten gemeinſchaftliche, Baſis des Rechtes und des Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege iſt, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner Antiquitaͤt: die Idee des Staates oder des Rechtes, wie ich ſie beſchrieben habe, iſt dieſes ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht, nach der die Menſchheit ſtrebt und ohne Ende ſtrebt, muͤſſen alle einzelnen Voͤlker wollen, in ſo fern ſie nur ihre eigne Exiſtenz wollen: dieſe iſt es, in der, und fuͤr die alle wahren Kriege gefuͤhrt werden; noch jetzt werden die unechten Kriege mit Scheingruͤnden motivirt, die wenig- ſtens von dem Begriffe jener Verbindung aller Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa- tes hergenommen ſind.
Jeder wirkliche einzelne Staat druͤckt die al- len Staaten gemeinſchaftliche Idee des Rechtes in ſeiner eigenthuͤmlichen Sprache, in eigen- thuͤmlichen Formen, Geſetzen und Sitten aus; alſo liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig das doppelte Streben, 1) dieſen ſeinen eigen- thuͤmlichen Ausdruck der Rechts-Idee gegen al- len Angriff und alle Corruption zu vertheidigen,
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tur, die Jeder geſehen haben will, und Niemand
aufzeigen kann.
Dem zu Folge iſt vielleicht in dieſem Augen-
blick eine ſolche, den Europaͤiſchen Maͤchten
gemeinſchaftliche, Baſis des Rechtes und des
Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege
iſt, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner
Antiquitaͤt: die Idee des Staates oder des
Rechtes, wie ich ſie beſchrieben habe, iſt dieſes
ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht,
nach der die Menſchheit ſtrebt und ohne Ende
ſtrebt, muͤſſen alle einzelnen Voͤlker wollen, in
ſo fern ſie nur ihre eigne Exiſtenz wollen: dieſe
iſt es, in der, und fuͤr die alle wahren Kriege
gefuͤhrt werden; noch jetzt werden die unechten
Kriege mit Scheingruͤnden motivirt, die wenig-
ſtens von dem Begriffe jener Verbindung aller
Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa-
tes hergenommen ſind.
Jeder wirkliche einzelne Staat druͤckt die al-
len Staaten gemeinſchaftliche Idee des Rechtes
in ſeiner eigenthuͤmlichen Sprache, in eigen-
thuͤmlichen Formen, Geſetzen und Sitten aus;
alſo liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig
das doppelte Streben, 1) dieſen ſeinen eigen-
thuͤmlichen Ausdruck der Rechts-Idee gegen al-
len Angriff und alle Corruption zu vertheidigen,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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