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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Zusammenhang der Gesellschaft unter einander,
den ja keine Gewalt in der Welt, außer dem
todten Begriffe nur, unterbrechen kann.

Wenn wir in der Weltgeschichte mitunter
die Dinge eine Wendung nehmen sehen, als soll-
ten die verschiedenen Individualitäten der Völ-
ker nun verwischt und die Theilung der Welt in
mehrere Staaten nun aufgehoben werden; als
sollten die Begriffe eines einzigen Kopfes das
ganze bunte Weltreich der Ideen nun auslöschen,
und an die Stelle des vielgestalteten und deshalb
um so einfacheren Lebens, ein einförmiger, künst-
licher und todter Mechanismus treten --: so
dürfen wir diese Stellen in der Weltgeschichte
nur genauer prüfen, und die Vergänglichkeit eines
solchen Beginnens, und die Zwecke der Natur
dabei, werden uns bald einleuchten. Als das
alte Reich der Ideen in Griechenland, die leben-
digen Staaten, die lebendigen Wissenschaften
und Künste, untergegangen waren, und in Rom,
in Alexandrien, in Sicilien und den Griechischen
Colonieen bloß die Begriffe der Tugend, der
Freiheit, der Schönheit noch übrig geblieben;
als an die Stelle des freien Lebens starre Mas-
sen getreten waren, über die kein üppiges Spiel
der Geister, sondern nur die Gewalt der Ele-
mente waltete: da mußte nothwendig die größere

Zuſammenhang der Geſellſchaft unter einander,
den ja keine Gewalt in der Welt, außer dem
todten Begriffe nur, unterbrechen kann.

Wenn wir in der Weltgeſchichte mitunter
die Dinge eine Wendung nehmen ſehen, als ſoll-
ten die verſchiedenen Individualitaͤten der Voͤl-
ker nun verwiſcht und die Theilung der Welt in
mehrere Staaten nun aufgehoben werden; als
ſollten die Begriffe eines einzigen Kopfes das
ganze bunte Weltreich der Ideen nun ausloͤſchen,
und an die Stelle des vielgeſtalteten und deshalb
um ſo einfacheren Lebens, ein einfoͤrmiger, kuͤnſt-
licher und todter Mechanismus treten —: ſo
duͤrfen wir dieſe Stellen in der Weltgeſchichte
nur genauer pruͤfen, und die Vergaͤnglichkeit eines
ſolchen Beginnens, und die Zwecke der Natur
dabei, werden uns bald einleuchten. Als das
alte Reich der Ideen in Griechenland, die leben-
digen Staaten, die lebendigen Wiſſenſchaften
und Kuͤnſte, untergegangen waren, und in Rom,
in Alexandrien, in Sicilien und den Griechiſchen
Colonieen bloß die Begriffe der Tugend, der
Freiheit, der Schoͤnheit noch uͤbrig geblieben;
als an die Stelle des freien Lebens ſtarre Maſ-
ſen getreten waren, uͤber die kein uͤppiges Spiel
der Geiſter, ſondern nur die Gewalt der Ele-
mente waltete: da mußte nothwendig die groͤßere

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[109/0143] Zuſammenhang der Geſellſchaft unter einander, den ja keine Gewalt in der Welt, außer dem todten Begriffe nur, unterbrechen kann. Wenn wir in der Weltgeſchichte mitunter die Dinge eine Wendung nehmen ſehen, als ſoll- ten die verſchiedenen Individualitaͤten der Voͤl- ker nun verwiſcht und die Theilung der Welt in mehrere Staaten nun aufgehoben werden; als ſollten die Begriffe eines einzigen Kopfes das ganze bunte Weltreich der Ideen nun ausloͤſchen, und an die Stelle des vielgeſtalteten und deshalb um ſo einfacheren Lebens, ein einfoͤrmiger, kuͤnſt- licher und todter Mechanismus treten —: ſo duͤrfen wir dieſe Stellen in der Weltgeſchichte nur genauer pruͤfen, und die Vergaͤnglichkeit eines ſolchen Beginnens, und die Zwecke der Natur dabei, werden uns bald einleuchten. Als das alte Reich der Ideen in Griechenland, die leben- digen Staaten, die lebendigen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte, untergegangen waren, und in Rom, in Alexandrien, in Sicilien und den Griechiſchen Colonieen bloß die Begriffe der Tugend, der Freiheit, der Schoͤnheit noch uͤbrig geblieben; als an die Stelle des freien Lebens ſtarre Maſ- ſen getreten waren, uͤber die kein uͤppiges Spiel der Geiſter, ſondern nur die Gewalt der Ele- mente waltete: da mußte nothwendig die groͤßere

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/143>, abgerufen am 23.11.2024.