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Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.

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und dienen nur als Mittel des Ausdrucks, als Verkörperungen des pmu_071.002
an sich gestaltlosen Jnnenlebens.

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Jch stelle nun daneben ein Gedicht von durchaus mittelbarem Charakter. pmu_071.004
Es stammt von Stefan George und ist -- unter Beibehaltung der pmu_071.005
Schreibweise -- seinem Buche "Das Jahr der Seele" entnommen.

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Komm in den totgesagten park und schau! pmu_071.007
Der schimmer ferner lächelnder gestade, pmu_071.008
Der reinen wolken unverhofftes blau pmu_071.009
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
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Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau pmu_071.011
Von birken und von buchs. der wind ist lau, pmu_071.012
Die späten rosen welkten noch nicht ganz. pmu_071.013
Erlese, küsse sie und flicht den kranz.
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Vergiß auch diese letzten astern nicht! pmu_071.015
Den purpur um die ranken wilder reben pmu_071.016
Und auch was übrig blieb von grünem leben pmu_071.017
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
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Man wird durch einen Vergleich mit dem Goetheschen Gedichte sofort pmu_071.019
den Unterschied erkennen. Der objektive gegenständliche Jnhalt tritt in pmu_071.020
ganz andrer Weise vor, es ist hier kein überquellendes inneres Gefühl, das pmu_071.021
sich der äußeren Dinge nur als Echo bedient; hier ist die äußere Welt primär pmu_071.022
und das Gefühl ist sekundär. Der direkte Gefühlsausdruck fehlt vollständig. pmu_071.023
Nur indirekt durch die Schilderung wird auch in uns die Herbststimmung pmu_071.024
geweckt, die den Dichter erfüllt. Wie in einem Gemälde wirken die Gegenstände pmu_071.025
an sich. Es wäre dieses Gedicht dem beschreibenden Typus der pmu_071.026
mittelbaren Lyrik zuzurechnen, obwohl doch eine leise Handlung die einzelnen pmu_071.027
Bildelemente zusammenreiht. Gewinnen diese Handlungselemente die pmu_071.028
Oberhand, so erhalten wir den erzählenden Typus, der nahe an die Ballade pmu_071.029
heranreicht, obwohl wir solche Gedichte genug besitzen, in denen die Handlung pmu_071.030
durchaus nur Symbol für eine Stimmung ist und nur als solche einen pmu_071.031
Wert besitzt. Man nehme Dehmels bekanntes Gedicht "Die stille Stadt":

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[Beginn Spaltensatz]
Liegt eine Stadt im Tale, pmu_071.033
ein blauer Tag vergeht; pmu_071.034
es wird nicht lange dauern mehr pmu_071.035
bis weder Mond noch Sterne, pmu_071.036
nur Nacht am Himmel steht.
[Spaltenumbruch] pmu_071.101
Von allen Bergen drücken pmu_071.102
Nebel auf die Stadt; pmu_071.103
es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus, pmu_071.104
kein Laut aus ihrem Rauch heraus, pmu_071.105
kaum Türme noch und Brücken.
[Ende Spaltensatz] pmu_071.106
Doch als den Wandrer graute, pmu_071.107
da ging ein Lichtlein auf im Grund, pmu_071.108
und durch den Rauch und Nebel pmu_071.109
begann ein leiser Lobgesang pmu_071.110
aus Kindermund.

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und dienen nur als Mittel des Ausdrucks, als Verkörperungen des pmu_071.002
an sich gestaltlosen Jnnenlebens.

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Jch stelle nun daneben ein Gedicht von durchaus mittelbarem Charakter. pmu_071.004
Es stammt von Stefan George und ist — unter Beibehaltung der pmu_071.005
Schreibweise — seinem Buche „Das Jahr der Seele“ entnommen.

pmu_071.006
Komm in den totgesagten park und schau! pmu_071.007
Der schimmer ferner lächelnder gestade, pmu_071.008
Der reinen wolken unverhofftes blau pmu_071.009
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
pmu_071.010
Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau pmu_071.011
Von birken und von buchs. der wind ist lau, pmu_071.012
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Erlese, küsse sie und flicht den kranz.
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Den purpur um die ranken wilder reben pmu_071.016
Und auch was übrig blieb von grünem leben pmu_071.017
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
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Man wird durch einen Vergleich mit dem Goetheschen Gedichte sofort pmu_071.019
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Nur indirekt durch die Schilderung wird auch in uns die Herbststimmung pmu_071.024
geweckt, die den Dichter erfüllt. Wie in einem Gemälde wirken die Gegenstände pmu_071.025
an sich. Es wäre dieses Gedicht dem beschreibenden Typus der pmu_071.026
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Bildelemente zusammenreiht. Gewinnen diese Handlungselemente die pmu_071.028
Oberhand, so erhalten wir den erzählenden Typus, der nahe an die Ballade pmu_071.029
heranreicht, obwohl wir solche Gedichte genug besitzen, in denen die Handlung pmu_071.030
durchaus nur Symbol für eine Stimmung ist und nur als solche einen pmu_071.031
Wert besitzt. Man nehme Dehmels bekanntes Gedicht „Die stille Stadt“:

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ein blauer Tag vergeht; pmu_071.034
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Zitationshilfe: Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_poetik_1914/81>, abgerufen am 22.11.2024.