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Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.

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wieviel an einer Stilform aus ihrem Ursprung, wieviel aus der pmu_016.002
beabsichtigten Wirkung zu erklären ist. Wir werden darum auch die Wirkung pmu_016.003
nicht besonders behandeln, sondern nur die verschiedenen Quellen pmu_016.004
der poetischen Stilformen, wobei wir die beabsichtigte Wirkung stets mit pmu_016.005
einbeziehen. Überall jedoch ist die Wirkungsmöglichkeit von ausschlaggebender pmu_016.006
Wichtigkeit, denn es ist offenbar, daß nur solche Stilformen sich pmu_016.007
im Kampfe uns Dasein durchzusetzen vermochten, die den Bedürfnissen pmu_016.008
des Publikums gerecht wurden. Daß dabei die Begriffe der Wirkung, pmu_016.009
ebenso wie die des Publikums nicht im banalen, sondern im guten Sinne pmu_016.010
als der einer tiefen und dauernden Wirkung wie als der eines kongenialen pmu_016.011
Publikums zu nehmen sind, sei nochmals hervorgehoben. -- Wieweit sich pmu_016.012
der Dichter im einzelnen dessen bewußt ist, ist für das Zustandekommen pmu_016.013
seines Werkes nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit.

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Wir machen jedenfalls den Schluß, daß alle diejenigen Stilformen, pmu_016.015
welches Ursprungs sie auch seien, die sich dauernd zu halten vermocht haben, pmu_016.016
der Psychologie des Publikums gut angepaßt gewesen sein müssen, pmu_016.017
weil sie sich sonst nicht gehalten hätten. Die Gründe für ihre Wirkung aufzuzeigen, pmu_016.018
werden wir daher als eine unsrer wichtigsten Aufgaben ansehen pmu_016.019
müssen.

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4. Das Wort Stil wird indessen noch in allerlei andern spezielleren pmu_016.021
Zusammenfassungen gebraucht, je nach der Kategorie, unter der man ein pmu_016.022
Werk oder eine Anzahl von solchen betrachtet. So sind besonders beliebte pmu_016.023
Zusammenfassungen diejenigen nach zeitlichen oder räumlichen Gemeinsamkeiten. pmu_016.024
Jndem wir diejenigen Eigentümlichkeiten hervorheben und pmu_016.025
zusammenfassen, die die Werke einer bestimmten Epoche gemeinsam pmu_016.026
haben, sprechen wir von einem Zeitstil. So können wir von Renaissancepoesie pmu_016.027
und Barockpoesie sprechen. Ebenso können wir auch diejenigen Eigentümlichkeiten pmu_016.028
betonen, die einem Volke oder einer bestimmten Landschaft pmu_016.029
gemeinsam sind. So können wir von einem Nationalstil oder pmu_016.030
Landschaftsstil sprechen. Wir können einen deutschen oder französischen pmu_016.031
Stil unterscheiden oder auch im einzelnen einen schweizerischen oder pmu_016.032
schwäbischen.

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Derartiger Kategorien gibt es natürlich unzählige. Nur einige noch pmu_016.034
seien hier genannt. Besonders beliebt sind in neuerer Zeit Zusammenstellungen pmu_016.035
nach der Rasse, wobei man jedoch bei der Unklarheit dieses pmu_016.036
Begriffes meist recht im Dunkeln tappt. Andre Stilunterschiede ergeben pmu_016.037
sich nach sozialen Gruppen. So kann man einen gelehrten Stil neben pmu_016.038
dem Volksstil unterscheiden, die Soldatenpoesie hat einen andern Charakter

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wieviel an einer Stilform aus ihrem Ursprung, wieviel aus der pmu_016.002
beabsichtigten Wirkung zu erklären ist. Wir werden darum auch die Wirkung pmu_016.003
nicht besonders behandeln, sondern nur die verschiedenen Quellen pmu_016.004
der poetischen Stilformen, wobei wir die beabsichtigte Wirkung stets mit pmu_016.005
einbeziehen. Überall jedoch ist die Wirkungsmöglichkeit von ausschlaggebender pmu_016.006
Wichtigkeit, denn es ist offenbar, daß nur solche Stilformen sich pmu_016.007
im Kampfe uns Dasein durchzusetzen vermochten, die den Bedürfnissen pmu_016.008
des Publikums gerecht wurden. Daß dabei die Begriffe der Wirkung, pmu_016.009
ebenso wie die des Publikums nicht im banalen, sondern im guten Sinne pmu_016.010
als der einer tiefen und dauernden Wirkung wie als der eines kongenialen pmu_016.011
Publikums zu nehmen sind, sei nochmals hervorgehoben. — Wieweit sich pmu_016.012
der Dichter im einzelnen dessen bewußt ist, ist für das Zustandekommen pmu_016.013
seines Werkes nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit.

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Wir machen jedenfalls den Schluß, daß alle diejenigen Stilformen, pmu_016.015
welches Ursprungs sie auch seien, die sich dauernd zu halten vermocht haben, pmu_016.016
der Psychologie des Publikums gut angepaßt gewesen sein müssen, pmu_016.017
weil sie sich sonst nicht gehalten hätten. Die Gründe für ihre Wirkung aufzuzeigen, pmu_016.018
werden wir daher als eine unsrer wichtigsten Aufgaben ansehen pmu_016.019
müssen.

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4. Das Wort Stil wird indessen noch in allerlei andern spezielleren pmu_016.021
Zusammenfassungen gebraucht, je nach der Kategorie, unter der man ein pmu_016.022
Werk oder eine Anzahl von solchen betrachtet. So sind besonders beliebte pmu_016.023
Zusammenfassungen diejenigen nach zeitlichen oder räumlichen Gemeinsamkeiten. pmu_016.024
Jndem wir diejenigen Eigentümlichkeiten hervorheben und pmu_016.025
zusammenfassen, die die Werke einer bestimmten Epoche gemeinsam pmu_016.026
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betonen, die einem Volke oder einer bestimmten Landschaft pmu_016.029
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Landschaftsstil sprechen. Wir können einen deutschen oder französischen pmu_016.031
Stil unterscheiden oder auch im einzelnen einen schweizerischen oder pmu_016.032
schwäbischen.

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Derartiger Kategorien gibt es natürlich unzählige. Nur einige noch pmu_016.034
seien hier genannt. Besonders beliebt sind in neuerer Zeit Zusammenstellungen pmu_016.035
nach der Rasse, wobei man jedoch bei der Unklarheit dieses pmu_016.036
Begriffes meist recht im Dunkeln tappt. Andre Stilunterschiede ergeben pmu_016.037
sich nach sozialen Gruppen. So kann man einen gelehrten Stil neben pmu_016.038
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[16/0026] pmu_016.001 wieviel an einer Stilform aus ihrem Ursprung, wieviel aus der pmu_016.002 beabsichtigten Wirkung zu erklären ist. Wir werden darum auch die Wirkung pmu_016.003 nicht besonders behandeln, sondern nur die verschiedenen Quellen pmu_016.004 der poetischen Stilformen, wobei wir die beabsichtigte Wirkung stets mit pmu_016.005 einbeziehen. Überall jedoch ist die Wirkungsmöglichkeit von ausschlaggebender pmu_016.006 Wichtigkeit, denn es ist offenbar, daß nur solche Stilformen sich pmu_016.007 im Kampfe uns Dasein durchzusetzen vermochten, die den Bedürfnissen pmu_016.008 des Publikums gerecht wurden. Daß dabei die Begriffe der Wirkung, pmu_016.009 ebenso wie die des Publikums nicht im banalen, sondern im guten Sinne pmu_016.010 als der einer tiefen und dauernden Wirkung wie als der eines kongenialen pmu_016.011 Publikums zu nehmen sind, sei nochmals hervorgehoben. — Wieweit sich pmu_016.012 der Dichter im einzelnen dessen bewußt ist, ist für das Zustandekommen pmu_016.013 seines Werkes nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit. pmu_016.014 Wir machen jedenfalls den Schluß, daß alle diejenigen Stilformen, pmu_016.015 welches Ursprungs sie auch seien, die sich dauernd zu halten vermocht haben, pmu_016.016 der Psychologie des Publikums gut angepaßt gewesen sein müssen, pmu_016.017 weil sie sich sonst nicht gehalten hätten. Die Gründe für ihre Wirkung aufzuzeigen, pmu_016.018 werden wir daher als eine unsrer wichtigsten Aufgaben ansehen pmu_016.019 müssen. pmu_016.020 4. Das Wort Stil wird indessen noch in allerlei andern spezielleren pmu_016.021 Zusammenfassungen gebraucht, je nach der Kategorie, unter der man ein pmu_016.022 Werk oder eine Anzahl von solchen betrachtet. So sind besonders beliebte pmu_016.023 Zusammenfassungen diejenigen nach zeitlichen oder räumlichen Gemeinsamkeiten. pmu_016.024 Jndem wir diejenigen Eigentümlichkeiten hervorheben und pmu_016.025 zusammenfassen, die die Werke einer bestimmten Epoche gemeinsam pmu_016.026 haben, sprechen wir von einem Zeitstil. So können wir von Renaissancepoesie pmu_016.027 und Barockpoesie sprechen. Ebenso können wir auch diejenigen Eigentümlichkeiten pmu_016.028 betonen, die einem Volke oder einer bestimmten Landschaft pmu_016.029 gemeinsam sind. So können wir von einem Nationalstil oder pmu_016.030 Landschaftsstil sprechen. Wir können einen deutschen oder französischen pmu_016.031 Stil unterscheiden oder auch im einzelnen einen schweizerischen oder pmu_016.032 schwäbischen. pmu_016.033 Derartiger Kategorien gibt es natürlich unzählige. Nur einige noch pmu_016.034 seien hier genannt. Besonders beliebt sind in neuerer Zeit Zusammenstellungen pmu_016.035 nach der Rasse, wobei man jedoch bei der Unklarheit dieses pmu_016.036 Begriffes meist recht im Dunkeln tappt. Andre Stilunterschiede ergeben pmu_016.037 sich nach sozialen Gruppen. So kann man einen gelehrten Stil neben pmu_016.038 dem Volksstil unterscheiden, die Soldatenpoesie hat einen andern Charakter

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Zitationshilfe: Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_poetik_1914/26>, abgerufen am 22.11.2024.