Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

thaten sie die gröste Ehre an/ und lieffen zu ihm/
seine Hülffe in allen Begebenheiten zu erbitten.
Seine Gestalt kan man wohl nicht eigentlich be-
schreiben/ weiln diß blinde Volck aus Furcht/
daß er nicht verbrandt würde, ihn aus dem
Wege geschafft, als sie den Bericht erhielten/
daß der Ertz-Bischoff, der sie auf allergnädig-
sten Befehl Jhro Czaarischen Majeste tauffen
solte, in der Nähe wäre. Doch bemercken sie
ihn in ihren Erzehlungen folgender massen: Er
sey aus Holtz/ auf eine/ nach ihrer Gewohnheit/
rude Arth/ sonder Leib gebildet, und eine Figur
eines Menschen-Kopffs am Ende des Klotzes
ausgehauen gewesen/ den Klotz selbsten hätten
sie mit einem rothen Kleide behangen/ woran
auch andre ihre Lumpen und Stücke/ die sie die-
sem Scheitan widmen wollen/ gehefftet. Auf
dem Kopffe aber sey ihm eine Mütze mit einem
kostbahren Brehm von Fuchsschwäntzen besetzt
gewesen.

§. 21. Der andere Scheitan, so nechst bey
ihm stunde/ war eine Ganß aus Ertz gegossen,
mit ausgebreiteten Flügeln; sie wurde lange
nicht so hoch aestimiret als der vorige, ohngeach-
tet er aus Ertz war/ denn der Höltzerne war äl-
ter, und also verständiger und probirter, als
die Ganß, zudem hatte sie nur Inspection über
Enten/ Gänse und ander Feder-Vieh/ welche
Herrschafft nicht eben von grosser Consequence.
Wenn sie nun appetit hatten wilde Gänse zu es-
sen, so opfferten sie der Ganß, oder versprachen

ihr/

thaten ſie die groͤſte Ehre an/ und lieffen zu ihm/
ſeine Huͤlffe in allen Begebenheiten zu erbitten.
Seine Geſtalt kan man wohl nicht eigentlich be-
ſchreiben/ weiln diß blinde Volck aus Furcht/
daß er nicht verbrandt wuͤrde, ihn aus dem
Wege geſchafft, als ſie den Bericht erhielten/
daß der Ertz-Biſchoff, der ſie auf allergnaͤdig-
ſten Befehl Jhro Czaariſchen Majeſte tauffen
ſolte, in der Naͤhe waͤre. Doch bemercken ſie
ihn in ihren Erzehlungen folgender maſſen: Er
ſey aus Holtz/ auf eine/ nach ihrer Gewohnheit/
rude Arth/ ſonder Leib gebildet, und eine Figur
eines Menſchen-Kopffs am Ende des Klotzes
ausgehauen geweſen/ den Klotz ſelbſten haͤtten
ſie mit einem rothen Kleide behangen/ woran
auch andre ihre Lumpen und Stuͤcke/ die ſie die-
ſem Scheitan widmen wollen/ gehefftet. Auf
dem Kopffe aber ſey ihm eine Muͤtze mit einem
koſtbahren Brehm von Fuchsſchwaͤntzen beſetzt
geweſen.

§. 21. Der andere Scheitan, ſo nechſt bey
ihm ſtunde/ war eine Ganß aus Ertz gegoſſen,
mit ausgebreiteten Fluͤgeln; ſie wurde lange
nicht ſo hoch æſtimiret als der vorige, ohngeach-
tet er aus Ertz war/ denn der Hoͤltzerne war aͤl-
ter, und alſo verſtaͤndiger und probirter, als
die Ganß, zudem hatte ſie nur Inſpection uͤber
Enten/ Gaͤnſe und ander Feder-Vieh/ welche
Herrſchafft nicht eben von groſſer Conſequence.
Wenn ſie nun appetit hatten wilde Gaͤnſe zu eſ-
ſen, ſo opfferten ſie der Ganß, oder verſprachen

ihr/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="59"/>
thaten &#x017F;ie die gro&#x0364;&#x017F;te Ehre an/ und lieffen zu ihm/<lb/>
&#x017F;eine Hu&#x0364;lffe in allen Begebenheiten zu erbitten.<lb/>
Seine Ge&#x017F;talt kan man wohl nicht eigentlich be-<lb/>
&#x017F;chreiben/ weiln diß blinde Volck aus Furcht/<lb/>
daß er nicht verbrandt wu&#x0364;rde, ihn aus dem<lb/>
Wege ge&#x017F;chafft, als &#x017F;ie den Bericht erhielten/<lb/>
daß der Ertz-Bi&#x017F;choff, der &#x017F;ie auf allergna&#x0364;dig-<lb/>
&#x017F;ten Befehl Jhro Czaari&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Maje&#x017F;te</hi> tauffen<lb/>
&#x017F;olte, in der Na&#x0364;he wa&#x0364;re. Doch bemercken &#x017F;ie<lb/>
ihn in ihren Erzehlungen folgender ma&#x017F;&#x017F;en: Er<lb/>
&#x017F;ey aus Holtz/ auf eine/ nach ihrer Gewohnheit/<lb/><hi rendition="#aq">rude</hi> Arth/ &#x017F;onder Leib gebildet, und eine <hi rendition="#aq">Figur</hi><lb/>
eines Men&#x017F;chen-Kopffs am Ende des Klotzes<lb/>
ausgehauen gewe&#x017F;en/ den Klotz &#x017F;elb&#x017F;ten ha&#x0364;tten<lb/>
&#x017F;ie mit einem rothen Kleide behangen/ woran<lb/>
auch andre ihre Lumpen und Stu&#x0364;cke/ die &#x017F;ie die-<lb/>
&#x017F;em <hi rendition="#aq">Scheitan</hi> widmen wollen/ gehefftet. Auf<lb/>
dem Kopffe aber &#x017F;ey ihm eine Mu&#x0364;tze mit einem<lb/>
ko&#x017F;tbahren Brehm von Fuchs&#x017F;chwa&#x0364;ntzen be&#x017F;etzt<lb/>
gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>§. 21. Der andere <hi rendition="#aq">Scheitan,</hi> &#x017F;o nech&#x017F;t bey<lb/>
ihm &#x017F;tunde/ war eine Ganß aus Ertz gego&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
mit ausgebreiteten Flu&#x0364;geln; &#x017F;ie wurde lange<lb/>
nicht &#x017F;o hoch <hi rendition="#aq">æ&#x017F;timir</hi>et als der vorige, ohngeach-<lb/>
tet er aus Ertz war/ denn der Ho&#x0364;ltzerne war a&#x0364;l-<lb/>
ter, und al&#x017F;o ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger und <hi rendition="#aq">probirt</hi>er, als<lb/>
die Ganß, zudem hatte &#x017F;ie nur <hi rendition="#aq">In&#x017F;pection</hi> u&#x0364;ber<lb/>
Enten/ Ga&#x0364;n&#x017F;e und ander Feder-Vieh/ welche<lb/>
Herr&#x017F;chafft nicht eben von gro&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Con&#x017F;equence</hi>.<lb/>
Wenn &#x017F;ie nun <hi rendition="#aq">appetit</hi> hatten wilde Ga&#x0364;n&#x017F;e zu e&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;o opfferten &#x017F;ie der Ganß, oder ver&#x017F;prachen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihr/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0075] thaten ſie die groͤſte Ehre an/ und lieffen zu ihm/ ſeine Huͤlffe in allen Begebenheiten zu erbitten. Seine Geſtalt kan man wohl nicht eigentlich be- ſchreiben/ weiln diß blinde Volck aus Furcht/ daß er nicht verbrandt wuͤrde, ihn aus dem Wege geſchafft, als ſie den Bericht erhielten/ daß der Ertz-Biſchoff, der ſie auf allergnaͤdig- ſten Befehl Jhro Czaariſchen Majeſte tauffen ſolte, in der Naͤhe waͤre. Doch bemercken ſie ihn in ihren Erzehlungen folgender maſſen: Er ſey aus Holtz/ auf eine/ nach ihrer Gewohnheit/ rude Arth/ ſonder Leib gebildet, und eine Figur eines Menſchen-Kopffs am Ende des Klotzes ausgehauen geweſen/ den Klotz ſelbſten haͤtten ſie mit einem rothen Kleide behangen/ woran auch andre ihre Lumpen und Stuͤcke/ die ſie die- ſem Scheitan widmen wollen/ gehefftet. Auf dem Kopffe aber ſey ihm eine Muͤtze mit einem koſtbahren Brehm von Fuchsſchwaͤntzen beſetzt geweſen. §. 21. Der andere Scheitan, ſo nechſt bey ihm ſtunde/ war eine Ganß aus Ertz gegoſſen, mit ausgebreiteten Fluͤgeln; ſie wurde lange nicht ſo hoch æſtimiret als der vorige, ohngeach- tet er aus Ertz war/ denn der Hoͤltzerne war aͤl- ter, und alſo verſtaͤndiger und probirter, als die Ganß, zudem hatte ſie nur Inſpection uͤber Enten/ Gaͤnſe und ander Feder-Vieh/ welche Herrſchafft nicht eben von groſſer Conſequence. Wenn ſie nun appetit hatten wilde Gaͤnſe zu eſ- ſen, ſo opfferten ſie der Ganß, oder verſprachen ihr/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die erste eigenständi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/75
Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/75>, abgerufen am 18.05.2024.