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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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von ihm loß werden. Doch mercken sie den
Betrug gleichwol/ und lehret ihnen ihr beyge-
brachter Sch[a]de am Ende/ was sie vor einen
Gast an ihm haben/ diese arme Leute/ so lange
sie sich bey ihm befragten/ wurden zum öfftern
betrogen, und wann sie meynten/ daß nach der
Aussage des Pfaffen an angewiesenen Oertern
das verlangte Wild/ oder die Menge der Fische
anzutreffen; so bemüheten sie sich aufs höchste
in der Nachsuchung, funden aber gemeiniglich
nichts. Welcher Betrug sie zur revange auf-
munterte, peitschten und prügeiten ihre ausge-
hauene Götzen gewaltig bey der Zurückkunfft,
biß sie den Betrug genug ressentirt zu haben ver-
meynten; nachdem der Zorn vorüber/ söhneten
sie sich wieder aus, hiengen ihm einen Umhang
von oben beschriebenem Zeuge an/ und nahmen
es nach Belieben/ wann er wieder kein Wort
gehalten; Es geschahe aber hiedurch/ daß sie
mit bösen Kranckheiten geplagt, und entweder
sie selbst, oder auch ihre Kinder aufs grausamste
gefoltert wurden.

§. 10. Die Ehrerbietung gegen die mit eige-
nen Händen gemachte Götzen schiene nicht son-
derlich zu seyn/ die öffentliche aber verehrten sie
en general vielmehr/ und schafften sie nicht nach
Belieben ab, sondern wurden als bewährte
Götzen von Tag zu Tage beybehalten. So
war auch das Vertrauen viel grösser zu denen
Alten/ denn sie bildeten ihnen ein, es hätte das
Ertz oder der halb verfaulte Klotz mit denen un-

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D

von ihm loß werden. Doch mercken ſie den
Betrug gleichwol/ und lehret ihnen ihr beyge-
brachter Sch[a]de am Ende/ was ſie vor einen
Gaſt an ihm haben/ dieſe arme Leute/ ſo lange
ſie ſich bey ihm befragten/ wurden zum oͤfftern
betrogen, und wann ſie meynten/ daß nach der
Auſſage des Pfaffen an angewieſenen Oertern
das verlangte Wild/ oder die Menge der Fiſche
anzutreffen; ſo bemuͤheten ſie ſich aufs hoͤchſte
in der Nachſuchung, funden aber gemeiniglich
nichts. Welcher Betrug ſie zur revange auf-
munterte, peitſchten und pruͤgeiten ihre ausge-
hauene Goͤtzen gewaltig bey der Zuruͤckkunfft,
biß ſie den Betrug genug reſſentirt zu haben ver-
meynten; nachdem der Zorn voruͤber/ ſoͤhneten
ſie ſich wieder aus, hiengen ihm einen Umhang
von oben beſchriebenem Zeuge an/ und nahmen
es nach Belieben/ wann er wieder kein Wort
gehalten; Es geſchahe aber hiedurch/ daß ſie
mit boͤſen Kranckheiten geplagt, und entweder
ſie ſelbſt, oder auch ihre Kinder aufs grauſamſte
gefoltert wurden.

§. 10. Die Ehrerbietung gegen die mit eige-
nen Haͤnden gemachte Goͤtzen ſchiene nicht ſon-
derlich zu ſeyn/ die oͤffentliche aber verehrten ſie
en general vielmehr/ und ſchafften ſie nicht nach
Belieben ab, ſondern wurden als bewaͤhrte
Goͤtzen von Tag zu Tage beybehalten. So
war auch das Vertrauen viel groͤſſer zu denen
Alten/ denn ſie bildeten ihnen ein, es haͤtte das
Ertz oder der halb verfaulte Klotz mit denen un-

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[49/0065] von ihm loß werden. Doch mercken ſie den Betrug gleichwol/ und lehret ihnen ihr beyge- brachter Schade am Ende/ was ſie vor einen Gaſt an ihm haben/ dieſe arme Leute/ ſo lange ſie ſich bey ihm befragten/ wurden zum oͤfftern betrogen, und wann ſie meynten/ daß nach der Auſſage des Pfaffen an angewieſenen Oertern das verlangte Wild/ oder die Menge der Fiſche anzutreffen; ſo bemuͤheten ſie ſich aufs hoͤchſte in der Nachſuchung, funden aber gemeiniglich nichts. Welcher Betrug ſie zur revange auf- munterte, peitſchten und pruͤgeiten ihre ausge- hauene Goͤtzen gewaltig bey der Zuruͤckkunfft, biß ſie den Betrug genug reſſentirt zu haben ver- meynten; nachdem der Zorn voruͤber/ ſoͤhneten ſie ſich wieder aus, hiengen ihm einen Umhang von oben beſchriebenem Zeuge an/ und nahmen es nach Belieben/ wann er wieder kein Wort gehalten; Es geſchahe aber hiedurch/ daß ſie mit boͤſen Kranckheiten geplagt, und entweder ſie ſelbſt, oder auch ihre Kinder aufs grauſamſte gefoltert wurden. §. 10. Die Ehrerbietung gegen die mit eige- nen Haͤnden gemachte Goͤtzen ſchiene nicht ſon- derlich zu ſeyn/ die oͤffentliche aber verehrten ſie en general vielmehr/ und ſchafften ſie nicht nach Belieben ab, ſondern wurden als bewaͤhrte Goͤtzen von Tag zu Tage beybehalten. So war auch das Vertrauen viel groͤſſer zu denen Alten/ denn ſie bildeten ihnen ein, es haͤtte das Ertz oder der halb verfaulte Klotz mit denen un- denck- D

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/65>, abgerufen am 24.11.2024.