Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

teley zusammen wardiret/ als die praetension
und der gesetzte Kauff gewesen. Damit ist der
Schwieger-Vater zufrieden/ und verspricht die
Braut auf einen gewissen Termin zu lieffern.
Währender Zeit daß diese Verliebten noch ge-
trennet, darff der Bräutigam seine Braut en
particulier
nicht besuchen, will er aber denen
Schwieger-Eltern aufwarten, geht er rück-
lings zur Thür hinein/ und darff auch nicht mit
freyen/ sondern abgewandten Augen vor selbi-
ge treten/ zum Zeichen des respects und der tief-
fen Submission, gleich als wäre er/ wie ein an-
genommener Sohn/ nicht würdig/ mit geradem
Angesicht diese seine neue Eltern anzureden/ es
müsse denn von hinten zu geschehen.

§. 17. Wann nun die Abliefferung vor sich
geht/ übergiebt der Vater seine Tochter mit der
recommendation, daß sie eine beständige
Freundschafft unter sich halten, und wie Mann
und Weib sich lieben mögen. Jmmittelst prae-
sentir
en die/ so etwas zum Besten haben/ ihren
Gästen einen Trunck schlechten Brandtweins.
Die Knesen als die Vornehmsten/ bekleiden
ihre Töchter/ wo sie es vermögend sind/ im roh-
ten Tuch, wie die Tartern; Bey denen andern
führt die Armuth insgemein die Wirthschafft/
der Hunger macht ihnen den leckernden Appe-
tit
und die Dürfftigkeit beschmückt die Geliebten
mit dem Gewandt der Blösse. Es observiret
dis Volck auch nicht/ nach aller Völcker Recht/
das weibliche Geschlecht/ nachdem es Mann-

bahr

teley zuſammen wardiret/ als die prætenſion
und der geſetzte Kauff geweſen. Damit iſt der
Schwieger-Vater zufrieden/ und verſpricht die
Braut auf einen gewiſſen Termin zu lieffern.
Waͤhrender Zeit daß dieſe Verliebten noch ge-
trennet, darff der Braͤutigam ſeine Braut en
particulier
nicht beſuchen, will er aber denen
Schwieger-Eltern aufwarten, geht er ruͤck-
lings zur Thuͤr hinein/ und darff auch nicht mit
freyen/ ſondern abgewandten Augen vor ſelbi-
ge treten/ zum Zeichen des reſpects und der tief-
fen Submisſion, gleich als waͤre er/ wie ein an-
genommener Sohn/ nicht wuͤrdig/ mit geradem
Angeſicht dieſe ſeine neue Eltern anzureden/ es
muͤſſe denn von hinten zu geſchehen.

§. 17. Wann nun die Abliefferung vor ſich
geht/ uͤbergiebt der Vater ſeine Tochter mit der
recommendation, daß ſie eine beſtaͤndige
Freundſchafft unter ſich halten, und wie Mann
und Weib ſich lieben moͤgen. Jmmittelſt præ-
ſentir
en die/ ſo etwas zum Beſten haben/ ihren
Gaͤſten einen Trunck ſchlechten Brandtweins.
Die Kneſen als die Vornehmſten/ bekleiden
ihre Toͤchter/ wo ſie es vermoͤgend ſind/ im roh-
ten Tuch, wie die Tartern; Bey denen andern
fuͤhrt die Armuth insgemein die Wirthſchafft/
der Hunger macht ihnen den leckernden Appe-
tit
und die Duͤrfftigkeit beſchmuͤckt die Geliebten
mit dem Gewandt der Bloͤſſe. Es obſerviret
dis Volck auch nicht/ nach aller Voͤlcker Recht/
das weibliche Geſchlecht/ nachdem es Mann-

bahr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="38"/>
teley zu&#x017F;ammen <hi rendition="#aq">wardir</hi>et/ als die <hi rendition="#aq">præten&#x017F;ion</hi><lb/>
und der ge&#x017F;etzte Kauff gewe&#x017F;en. Damit i&#x017F;t der<lb/>
Schwieger-Vater zufrieden/ und ver&#x017F;pricht die<lb/>
Braut auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Termin</hi> zu lieffern.<lb/>
Wa&#x0364;hrender Zeit daß die&#x017F;e Verliebten noch ge-<lb/>
trennet, darff der Bra&#x0364;utigam &#x017F;eine Braut <hi rendition="#aq">en<lb/>
particulier</hi> nicht be&#x017F;uchen, will er aber denen<lb/>
Schwieger-Eltern aufwarten, geht er ru&#x0364;ck-<lb/>
lings zur Thu&#x0364;r hinein/ und darff auch nicht mit<lb/>
freyen/ &#x017F;ondern abgewandten Augen vor &#x017F;elbi-<lb/>
ge treten/ zum Zeichen des <hi rendition="#aq">re&#x017F;pects</hi> und der tief-<lb/>
fen <hi rendition="#aq">Submis&#x017F;ion,</hi> gleich als wa&#x0364;re er/ wie ein an-<lb/>
genommener Sohn/ nicht wu&#x0364;rdig/ mit geradem<lb/>
Ange&#x017F;icht die&#x017F;e &#x017F;eine neue Eltern anzureden/ es<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e denn von hinten zu ge&#x017F;chehen.</p><lb/>
        <p>§. 17. Wann nun die Abliefferung vor &#x017F;ich<lb/>
geht/ u&#x0364;bergiebt der Vater &#x017F;eine Tochter mit der<lb/><hi rendition="#aq">recommendation,</hi> daß &#x017F;ie eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Freund&#x017F;chafft unter &#x017F;ich halten, und wie Mann<lb/>
und Weib &#x017F;ich lieben mo&#x0364;gen. Jmmittel&#x017F;t <hi rendition="#aq">præ-<lb/>
&#x017F;entir</hi>en die/ &#x017F;o etwas zum Be&#x017F;ten haben/ ihren<lb/>
Ga&#x0364;&#x017F;ten einen Trunck &#x017F;chlechten Brandtweins.<lb/>
Die <hi rendition="#aq">Kne&#x017F;en</hi> als die Vornehm&#x017F;ten/ bekleiden<lb/>
ihre To&#x0364;chter/ wo &#x017F;ie es vermo&#x0364;gend &#x017F;ind/ im roh-<lb/>
ten Tuch, wie die <hi rendition="#aq">Tartern</hi>; Bey denen andern<lb/>
fu&#x0364;hrt die Armuth insgemein die Wirth&#x017F;chafft/<lb/>
der Hunger macht ihnen den leckernden <hi rendition="#aq">Appe-<lb/>
tit</hi> und die Du&#x0364;rfftigkeit be&#x017F;chmu&#x0364;ckt die Geliebten<lb/>
mit dem Gewandt der Blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Es <hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervir</hi>et<lb/>
dis Volck auch nicht/ nach aller Vo&#x0364;lcker Recht/<lb/>
das weibliche Ge&#x017F;chlecht/ nachdem es Mann-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bahr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0054] teley zuſammen wardiret/ als die prætenſion und der geſetzte Kauff geweſen. Damit iſt der Schwieger-Vater zufrieden/ und verſpricht die Braut auf einen gewiſſen Termin zu lieffern. Waͤhrender Zeit daß dieſe Verliebten noch ge- trennet, darff der Braͤutigam ſeine Braut en particulier nicht beſuchen, will er aber denen Schwieger-Eltern aufwarten, geht er ruͤck- lings zur Thuͤr hinein/ und darff auch nicht mit freyen/ ſondern abgewandten Augen vor ſelbi- ge treten/ zum Zeichen des reſpects und der tief- fen Submisſion, gleich als waͤre er/ wie ein an- genommener Sohn/ nicht wuͤrdig/ mit geradem Angeſicht dieſe ſeine neue Eltern anzureden/ es muͤſſe denn von hinten zu geſchehen. §. 17. Wann nun die Abliefferung vor ſich geht/ uͤbergiebt der Vater ſeine Tochter mit der recommendation, daß ſie eine beſtaͤndige Freundſchafft unter ſich halten, und wie Mann und Weib ſich lieben moͤgen. Jmmittelſt præ- ſentiren die/ ſo etwas zum Beſten haben/ ihren Gaͤſten einen Trunck ſchlechten Brandtweins. Die Kneſen als die Vornehmſten/ bekleiden ihre Toͤchter/ wo ſie es vermoͤgend ſind/ im roh- ten Tuch, wie die Tartern; Bey denen andern fuͤhrt die Armuth insgemein die Wirthſchafft/ der Hunger macht ihnen den leckernden Appe- tit und die Duͤrfftigkeit beſchmuͤckt die Geliebten mit dem Gewandt der Bloͤſſe. Es obſerviret dis Volck auch nicht/ nach aller Voͤlcker Recht/ das weibliche Geſchlecht/ nachdem es Mann- bahr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die erste eigenständi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/54
Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/54>, abgerufen am 18.05.2024.