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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Historischer Theil.

1I, in die Ober-Nubischen. Hier lag das, we-
nigstens schon vor Herodot blühende Reich, Meroe, in
dem die Priesterherrschaft bis Ergamenes (um 270 v.
Chr.) noch strenger, priesterliche Kenntniß noch allgemei-
ner verbreitet war. Auf dieser sogenannten Insel findet man
jetzt noch bedeutende Gruppen von Ruinen, welche indes-
sen den Aegyptischen Styl nur in einer spätern Ausartung
zeigen. Am nördlichen Ende derselben, schon außerhalb
der Insel, finden sich ähnliche Gebäude von Napata, der
Residenz der Königinnen Kandake; auch zeigen sich Bau-
werke verwandter Art an mehrern Orten Abessyniens.

2II. Die Unter-Nubischen, durch einen großen
Raum von jenen getrennten, sich an Oberägypten an-
schließenden. Daß sie meist die Gestalt von Höhlenanla-
gen tragen, hat wohl zum Theil die geringere Ausdeh-
nung des Nilthals bewirkt, welches keine hinlängliche
Fläche zu andern Constructionen darbot; den hieroglyphi-
schen Inschriften nach stammen sie meist aus der blühen-
den Zeit Thebens. Der unfertige Zustand der meisten
beweist, daß die Verhältnisse, aus denen sie hervorgin-
gen, vorübergehend waren.

3III. Die Ober-Aegyptischen, theils oberhalb
Thebens, theils in Theben selbst, theils unterhalb bis Her-
mopolis. Die Monumente von Theben, bei weitem die
colossalsten unter allen, danken meist einer und derselben
Zeit, der achtzehnten und neunzehnten Dynastie, ihre
Entstehung, und stellen daher einen und denselben mäch-
tigen und grandiosen Styl dar.

4IV. Die Mittel-Aegyptischen und V, die
Unterägyptischen, ursprünglich nicht minder zahlreichen,
aber durch die häufigern Völkerzüge und Verheerungen in
diesen Gegenden, so wie durch die Entstehung neuer
bedeutender Städte in der Nachbarschaft zum großen Theil
vertilgt. VI. Oasen.

1. Reich Meroe. Beinahe eine Flußinsel, durch Nil u.
Astaboras. Das vom Gihon umflossne Kusch. Ruinen am Nil,

Hiſtoriſcher Theil.

1I, in die Ober-Nubiſchen. Hier lag das, we-
nigſtens ſchon vor Herodot bluͤhende Reich, Meroe, in
dem die Prieſterherrſchaft bis Ergamenes (um 270 v.
Chr.) noch ſtrenger, prieſterliche Kenntniß noch allgemei-
ner verbreitet war. Auf dieſer ſogenannten Inſel findet man
jetzt noch bedeutende Gruppen von Ruinen, welche indeſ-
ſen den Aegyptiſchen Styl nur in einer ſpaͤtern Ausartung
zeigen. Am noͤrdlichen Ende derſelben, ſchon außerhalb
der Inſel, finden ſich aͤhnliche Gebaͤude von Napata, der
Reſidenz der Koͤniginnen Kandake; auch zeigen ſich Bau-
werke verwandter Art an mehrern Orten Abeſſyniens.

2II. Die Unter-Nubiſchen, durch einen großen
Raum von jenen getrennten, ſich an Oberaͤgypten an-
ſchließenden. Daß ſie meiſt die Geſtalt von Hoͤhlenanla-
gen tragen, hat wohl zum Theil die geringere Ausdeh-
nung des Nilthals bewirkt, welches keine hinlaͤngliche
Flaͤche zu andern Conſtructionen darbot; den hieroglyphi-
ſchen Inſchriften nach ſtammen ſie meiſt aus der bluͤhen-
den Zeit Thebens. Der unfertige Zuſtand der meiſten
beweiſt, daß die Verhaͤltniſſe, aus denen ſie hervorgin-
gen, voruͤbergehend waren.

3III. Die Ober-Aegyptiſchen, theils oberhalb
Thebens, theils in Theben ſelbſt, theils unterhalb bis Her-
mopolis. Die Monumente von Theben, bei weitem die
coloſſalſten unter allen, danken meiſt einer und derſelben
Zeit, der achtzehnten und neunzehnten Dynaſtie, ihre
Entſtehung, und ſtellen daher einen und denſelben maͤch-
tigen und grandioſen Styl dar.

4IV. Die Mittel-Aegyptiſchen und V, die
Unteraͤgyptiſchen, urſpruͤnglich nicht minder zahlreichen,
aber durch die haͤufigern Voͤlkerzuͤge und Verheerungen in
dieſen Gegenden, ſo wie durch die Entſtehung neuer
bedeutender Staͤdte in der Nachbarſchaft zum großen Theil
vertilgt. VI. Oaſen.

1. Reich Meroe. Beinahe eine Flußinſel, durch Nil u.
Aſtaboras. Das vom Gihon umfloſſne Kuſch. Ruinen am Nil,

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[224/0246] Hiſtoriſcher Theil. I, in die Ober-Nubiſchen. Hier lag das, we- nigſtens ſchon vor Herodot bluͤhende Reich, Meroe, in dem die Prieſterherrſchaft bis Ergamenes (um 270 v. Chr.) noch ſtrenger, prieſterliche Kenntniß noch allgemei- ner verbreitet war. Auf dieſer ſogenannten Inſel findet man jetzt noch bedeutende Gruppen von Ruinen, welche indeſ- ſen den Aegyptiſchen Styl nur in einer ſpaͤtern Ausartung zeigen. Am noͤrdlichen Ende derſelben, ſchon außerhalb der Inſel, finden ſich aͤhnliche Gebaͤude von Napata, der Reſidenz der Koͤniginnen Kandake; auch zeigen ſich Bau- werke verwandter Art an mehrern Orten Abeſſyniens. 1 II. Die Unter-Nubiſchen, durch einen großen Raum von jenen getrennten, ſich an Oberaͤgypten an- ſchließenden. Daß ſie meiſt die Geſtalt von Hoͤhlenanla- gen tragen, hat wohl zum Theil die geringere Ausdeh- nung des Nilthals bewirkt, welches keine hinlaͤngliche Flaͤche zu andern Conſtructionen darbot; den hieroglyphi- ſchen Inſchriften nach ſtammen ſie meiſt aus der bluͤhen- den Zeit Thebens. Der unfertige Zuſtand der meiſten beweiſt, daß die Verhaͤltniſſe, aus denen ſie hervorgin- gen, voruͤbergehend waren. 2 III. Die Ober-Aegyptiſchen, theils oberhalb Thebens, theils in Theben ſelbſt, theils unterhalb bis Her- mopolis. Die Monumente von Theben, bei weitem die coloſſalſten unter allen, danken meiſt einer und derſelben Zeit, der achtzehnten und neunzehnten Dynaſtie, ihre Entſtehung, und ſtellen daher einen und denſelben maͤch- tigen und grandioſen Styl dar. 3 IV. Die Mittel-Aegyptiſchen und V, die Unteraͤgyptiſchen, urſpruͤnglich nicht minder zahlreichen, aber durch die haͤufigern Voͤlkerzuͤge und Verheerungen in dieſen Gegenden, ſo wie durch die Entſtehung neuer bedeutender Staͤdte in der Nachbarſchaft zum großen Theil vertilgt. VI. Oaſen. 4 1. Reich Meroe. Beinahe eine Flußinſel, durch Nil u. Aſtaboras. Das vom Gihon umfloſſne Kuſch. Ruinen am Nil,

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/246>, abgerufen am 28.04.2024.