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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Griechen. Fünfte Periode.
eingestürzten ungeheuern Tempel, von dem oben §. 153 A. 1., u.
weihte ihn dem Hadrian. Denn daß das Erdbeben in Kyzikos und der
Bau des Hadrianstempel von Malelas Chron. xi. p. 119. A.
und andren Chronographen in Hadrians Zeit gesetzt wird, muß, nach
Dio Cassius, falsch sein. Die Einweihung geschah erst unter M.
Aurel u. Verus. Aristeid. Paneg. Cyzic. T. i. p. 241. In
Aegypten Antinoe (Besa), auf Griechische Weise schön und regel-
mäßig angelegt; Korinthische Säulenordnung, doch von freien For-
men. Description de l'Egypte T. iv. pl. 53 sqq. Decrianus,
Architekt u. Mechaniker, Spartian 19.

Antoninus Pius. Tempel des Antonin u. der Faustina,
zuerst wahrscheinlich nur dieser bestimmt, ein Prostylos mit schönen
Korinth. Capitälen, das Gesims schon sehr überladen. Desg. 8.
Moreau pl. 23. 24. Villa Lanuvina. Antoninus Phi-
losophus
. Antoninus Pius Ehrensäule von M. Aurel er-
richtet, eine bloße Granitsäule. (Vignola de col. Ant. Pii).
Columna M. Aurelii Antonini, weniger imposant als die Tra-
janische (die Basreliefstreifen bleiben gleich hoch). Zugleich ein
Triumphbogen gebaut, wovon noch die Reliefs erhalten sind. He-
rodes Atticus, Lehrer des M. Aurel u. L. Verus, (vgl. Fiorillo u.
Visconti über seine Inschriften) sorgt für Athen. Stadion, Odeion.
Theater in Neu-Korinth.

192. Nach der Zeit von Marc Aurel tritt, obgleich1
die Baulust nicht aufhört, doch im Geschmack der Ar-
chitekten ein schneller Verfall ein. Man häuft die Ver-2
zierungen dermaßen, daß alle Klarheit der Auffassung ver-
loren geht, und legt überall zwischen die wesentlichen
Theile so viel Glieder dazwischen, daß die Hauptformen,
wie der Kranzleisten, ihren bestimmten und scharf aus-
gesprochnen Charakter völlig verlieren. Indem man jede
einfache Form zu vermannigfaltigen sucht; die Wände mit
Doppelreihen von Nischen, nach Art von Prostylen, an-
füllt; die Säulenreihen nebst dem Gebälk durch häufiges
Vor- und Zurücktreten unterbricht, Halbsäulen an Pila-
ster klebt und einen Pilaster aus dem andern vortreten
läßt, die Verticallinie der Säulenschäfte durch Consolen
unterbricht; den Fries bauchig hervortreten läßt: raubt
man der Wand, dem Pfeiler, der Säule und jedem an-

Griechen. Fuͤnfte Periode.
eingeſtürzten ungeheuern Tempel, von dem oben §. 153 A. 1., u.
weihte ihn dem Hadrian. Denn daß das Erdbeben in Kyzikos und der
Bau des Hadrianstempel von Malelas Chron. xi. p. 119. A.
und andren Chronographen in Hadrians Zeit geſetzt wird, muß, nach
Dio Caſſius, falſch ſein. Die Einweihung geſchah erſt unter M.
Aurel u. Verus. Ariſteid. Paneg. Cyzic. T. i. p. 241. In
Aegypten Antinoe (Beſa), auf Griechiſche Weiſe ſchön und regel-
mäßig angelegt; Korinthiſche Säulenordnung, doch von freien For-
men. Description de l’Egypte T. iv. pl. 53 sqq. Decrianus,
Architekt u. Mechaniker, Spartian 19.

Antoninus Pius. Tempel des Antonin u. der Fauſtina,
zuerſt wahrſcheinlich nur dieſer beſtimmt, ein Proſtylos mit ſchönen
Korinth. Capitälen, das Geſims ſchon ſehr überladen. Desg. 8.
Moreau pl. 23. 24. Villa Lanuvina. Antoninus Phi-
loſophus
. Antoninus Pius Ehrenſäule von M. Aurel er-
richtet, eine bloße Granitſäule. (Vignola de col. Ant. Pii).
Columna M. Aurelii Antonini, weniger impoſant als die Tra-
janiſche (die Basreliefſtreifen bleiben gleich hoch). Zugleich ein
Triumphbogen gebaut, wovon noch die Reliefs erhalten ſind. He-
rodes Atticus, Lehrer des M. Aurel u. L. Verus, (vgl. Fiorillo u.
Viſconti über ſeine Inſchriften) ſorgt für Athen. Stadion, Odeion.
Theater in Neu-Korinth.

192. Nach der Zeit von Marc Aurel tritt, obgleich1
die Bauluſt nicht aufhoͤrt, doch im Geſchmack der Ar-
chitekten ein ſchneller Verfall ein. Man haͤuft die Ver-2
zierungen dermaßen, daß alle Klarheit der Auffaſſung ver-
loren geht, und legt uͤberall zwiſchen die weſentlichen
Theile ſo viel Glieder dazwiſchen, daß die Hauptformen,
wie der Kranzleiſten, ihren beſtimmten und ſcharf aus-
geſprochnen Charakter voͤllig verlieren. Indem man jede
einfache Form zu vermannigfaltigen ſucht; die Waͤnde mit
Doppelreihen von Niſchen, nach Art von Proſtylen, an-
fuͤllt; die Saͤulenreihen nebſt dem Gebaͤlk durch haͤufiges
Vor- und Zuruͤcktreten unterbricht, Halbſaͤulen an Pila-
ſter klebt und einen Pilaſter aus dem andern vortreten
laͤßt, die Verticallinie der Saͤulenſchaͤfte durch Conſolen
unterbricht; den Fries bauchig hervortreten laͤßt: raubt
man der Wand, dem Pfeiler, der Saͤule und jedem an-

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[181/0203] Griechen. Fuͤnfte Periode. eingeſtürzten ungeheuern Tempel, von dem oben §. 153 A. 1., u. weihte ihn dem Hadrian. Denn daß das Erdbeben in Kyzikos und der Bau des Hadrianstempel von Malelas Chron. xi. p. 119. A. und andren Chronographen in Hadrians Zeit geſetzt wird, muß, nach Dio Caſſius, falſch ſein. Die Einweihung geſchah erſt unter M. Aurel u. Verus. Ariſteid. Paneg. Cyzic. T. i. p. 241. In Aegypten Antinoe (Beſa), auf Griechiſche Weiſe ſchön und regel- mäßig angelegt; Korinthiſche Säulenordnung, doch von freien For- men. Description de l’Egypte T. iv. pl. 53 sqq. Decrianus, Architekt u. Mechaniker, Spartian 19. Antoninus Pius. Tempel des Antonin u. der Fauſtina, zuerſt wahrſcheinlich nur dieſer beſtimmt, ein Proſtylos mit ſchönen Korinth. Capitälen, das Geſims ſchon ſehr überladen. Desg. 8. Moreau pl. 23. 24. Villa Lanuvina. Antoninus Phi- loſophus. Antoninus Pius Ehrenſäule von M. Aurel er- richtet, eine bloße Granitſäule. (Vignola de col. Ant. Pii). Columna M. Aurelii Antonini, weniger impoſant als die Tra- janiſche (die Basreliefſtreifen bleiben gleich hoch). Zugleich ein Triumphbogen gebaut, wovon noch die Reliefs erhalten ſind. He- rodes Atticus, Lehrer des M. Aurel u. L. Verus, (vgl. Fiorillo u. Viſconti über ſeine Inſchriften) ſorgt für Athen. Stadion, Odeion. Theater in Neu-Korinth. 192. Nach der Zeit von Marc Aurel tritt, obgleich die Bauluſt nicht aufhoͤrt, doch im Geſchmack der Ar- chitekten ein ſchneller Verfall ein. Man haͤuft die Ver- zierungen dermaßen, daß alle Klarheit der Auffaſſung ver- loren geht, und legt uͤberall zwiſchen die weſentlichen Theile ſo viel Glieder dazwiſchen, daß die Hauptformen, wie der Kranzleiſten, ihren beſtimmten und ſcharf aus- geſprochnen Charakter voͤllig verlieren. Indem man jede einfache Form zu vermannigfaltigen ſucht; die Waͤnde mit Doppelreihen von Niſchen, nach Art von Proſtylen, an- fuͤllt; die Saͤulenreihen nebſt dem Gebaͤlk durch haͤufiges Vor- und Zuruͤcktreten unterbricht, Halbſaͤulen an Pila- ſter klebt und einen Pilaſter aus dem andern vortreten laͤßt, die Verticallinie der Saͤulenſchaͤfte durch Conſolen unterbricht; den Fries bauchig hervortreten laͤßt: raubt man der Wand, dem Pfeiler, der Saͤule und jedem an- 1 2

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/203>, abgerufen am 28.04.2024.