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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Griechen. Vierte Periode.
tes, noch viel weiter hinter den Sculpturen am Par-
thenon zurück.

2. Mediceische Venus, vgl. §. 127. Anm. 4. Musee
Franc. T. ii. pl.
5. Aus 11 Stücken, die Hände ganz, de Arme
zum Theil neu, sonst wohlerhalten. Jungfräuliche Reife; die aufbre-
chende Rose nach Winckelmann. Ein Ausdruck von Sehnsucht
im Gesicht. Die numphe im Kinn ist durch neuere Ueberarbei-
tung entstanden. Die Ohren durchbort; die (vergoldeten) Haare
zierlich geordnet. Der Delphin ist nur Tronk. Ganz ohne Be-
ziehung auf eine bestimmte Geschichte. Ipsa Venus pubem --
Von Kleomenes waren im Alterthum die Thespiaden berühmt, die
durch Mummius nach Rom gekommen zu sein scheinen.

3. Von ihm ein Römer (doch ist auch dies nicht völlig sicher)
als 'Ermes logios. (Marius Gratidianus nach Clarac, vgl.
GGA. 1823 S. 1325.). Vortrefflich gearbeitet, aber ohne Kraft
und Leben. In Paris n. 712. Mus. Franc. p. iv. pl. 19.


159. Die zahlreichste Classe von Werken in dieser1
Zeit waren unstreitig Bildnißstatuen. Die Ehre der
Statuen, schon in der Zeit der Attischen Redner nicht sel-
ten, wird jetzt höchst verschwenderisch ertheilt. Wenn indeß2
auch oft der Unsinn der Schmeichelei die übereilteste Anfer-
tigung gebot, und durch das bloße Vertauschen der Köpfe3
und Inschriften die Kunst in hohem Grade beeinträch-
tigte: so blieb doch in dieser Kunstgattung ein edler, Ly-
sippischer, Styl vorherrschend; die Charaktere der dar-4
zustellenden Männer werden mit Geist und Leben aufge-
faßt, und in einfacher Großheit wiedergegeben. Auch5
die in anderm Betracht so verwerfliche Sitte, die Für-
sten mit bestimmten Gottheiten zu identificiren, bietet
geistreichen Künstlern neue und schöne Aufgaben dar.

2. Von den 360 Statuen des Demetrios Phal. (nach Dion.
Chrys. 37. p. 122. waren es gar 1500.) Plin. xxxiv, 12.
Als diese gestürzt waren, erhoben sich Ol. 118, 2., die goldnen
Statuen des Antigonos u. Demetrios Poliork. auf Wagen stehend,
neben Harmodios u. Aristogeiton. Diod. xx, 46.

Griechen. Vierte Periode.
tes, noch viel weiter hinter den Sculpturen am Par-
thenon zuruͤck.

2. Mediceiſche Venus, vgl. §. 127. Anm. 4. Musée
Franç. T. ii. pl.
5. Aus 11 Stücken, die Hände ganz, de Arme
zum Theil neu, ſonſt wohlerhalten. Jungfräuliche Reife; die aufbre-
chende Roſe nach Winckelmann. Ein Ausdruck von Sehnſucht
im Geſicht. Die νύμφη im Kinn iſt durch neuere Ueberarbei-
tung entſtanden. Die Ohren durchbort; die (vergoldeten) Haare
zierlich geordnet. Der Delphin iſt nur Tronk. Ganz ohne Be-
ziehung auf eine beſtimmte Geſchichte. Ipsa Venus pubem
Von Kleomenes waren im Alterthum die Theſpiaden berühmt, die
durch Mummius nach Rom gekommen zu ſein ſcheinen.

3. Von ihm ein Römer (doch iſt auch dies nicht völlig ſicher)
als ‘Ερμῆς λόγιος. (Marius Gratidianus nach Clarac, vgl.
GGA. 1823 S. 1325.). Vortrefflich gearbeitet, aber ohne Kraft
und Leben. In Paris n. 712. Mus. Franç. p. iv. pl. 19.


159. Die zahlreichſte Claſſe von Werken in dieſer1
Zeit waren unſtreitig Bildnißſtatuen. Die Ehre der
Statuen, ſchon in der Zeit der Attiſchen Redner nicht ſel-
ten, wird jetzt hoͤchſt verſchwenderiſch ertheilt. Wenn indeß2
auch oft der Unſinn der Schmeichelei die uͤbereilteſte Anfer-
tigung gebot, und durch das bloße Vertauſchen der Koͤpfe3
und Inſchriften die Kunſt in hohem Grade beeintraͤch-
tigte: ſo blieb doch in dieſer Kunſtgattung ein edler, Ly-
ſippiſcher, Styl vorherrſchend; die Charaktere der dar-4
zuſtellenden Maͤnner werden mit Geiſt und Leben aufge-
faßt, und in einfacher Großheit wiedergegeben. Auch5
die in anderm Betracht ſo verwerfliche Sitte, die Fuͤr-
ſten mit beſtimmten Gottheiten zu identificiren, bietet
geiſtreichen Kuͤnſtlern neue und ſchoͤne Aufgaben dar.

2. Von den 360 Statuen des Demetrios Phal. (nach Dion.
Chryſ. 37. p. 122. waren es gar 1500.) Plin. xxxiv, 12.
Als dieſe geſtürzt waren, erhoben ſich Ol. 118, 2., die goldnen
Statuen des Antigonos u. Demetrios Poliork. auf Wagen ſtehend,
neben Harmodios u. Ariſtogeiton. Diod. xx, 46.

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[139/0161] Griechen. Vierte Periode. tes, noch viel weiter hinter den Sculpturen am Par- thenon zuruͤck. 2. Mediceiſche Venus, vgl. §. 127. Anm. 4. Musée Franç. T. ii. pl. 5. Aus 11 Stücken, die Hände ganz, de Arme zum Theil neu, ſonſt wohlerhalten. Jungfräuliche Reife; die aufbre- chende Roſe nach Winckelmann. Ein Ausdruck von Sehnſucht im Geſicht. Die νύμφη im Kinn iſt durch neuere Ueberarbei- tung entſtanden. Die Ohren durchbort; die (vergoldeten) Haare zierlich geordnet. Der Delphin iſt nur Tronk. Ganz ohne Be- ziehung auf eine beſtimmte Geſchichte. Ipsa Venus pubem — Von Kleomenes waren im Alterthum die Theſpiaden berühmt, die durch Mummius nach Rom gekommen zu ſein ſcheinen. 3. Von ihm ein Römer (doch iſt auch dies nicht völlig ſicher) als ‘Ερμῆς λόγιος. (Marius Gratidianus nach Clarac, vgl. GGA. 1823 S. 1325.). Vortrefflich gearbeitet, aber ohne Kraft und Leben. In Paris n. 712. Mus. Franç. p. iv. pl. 19. 159. Die zahlreichſte Claſſe von Werken in dieſer Zeit waren unſtreitig Bildnißſtatuen. Die Ehre der Statuen, ſchon in der Zeit der Attiſchen Redner nicht ſel- ten, wird jetzt hoͤchſt verſchwenderiſch ertheilt. Wenn indeß auch oft der Unſinn der Schmeichelei die uͤbereilteſte Anfer- tigung gebot, und durch das bloße Vertauſchen der Koͤpfe und Inſchriften die Kunſt in hohem Grade beeintraͤch- tigte: ſo blieb doch in dieſer Kunſtgattung ein edler, Ly- ſippiſcher, Styl vorherrſchend; die Charaktere der dar- zuſtellenden Maͤnner werden mit Geiſt und Leben aufge- faßt, und in einfacher Großheit wiedergegeben. Auch die in anderm Betracht ſo verwerfliche Sitte, die Fuͤr- ſten mit beſtimmten Gottheiten zu identificiren, bietet geiſtreichen Kuͤnſtlern neue und ſchoͤne Aufgaben dar. 1 2 3 4 5 2. Von den 360 Statuen des Demetrios Phal. (nach Dion. Chryſ. 37. p. 122. waren es gar 1500.) Plin. xxxiv, 12. Als dieſe geſtürzt waren, erhoben ſich Ol. 118, 2., die goldnen Statuen des Antigonos u. Demetrios Poliork. auf Wagen ſtehend, neben Harmodios u. Ariſtogeiton. Diod. xx, 46.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/161>, abgerufen am 06.05.2024.