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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Griechen. Vierte Periode.

156. Dieser Zeit gehört nun wahrscheinlich der Lao-1
koon an: ein Wunder der Kunst in Betracht des feinen
und edlen Geschmacks in der Behandlung des schwieri-
gen Gegenstands und der tiefen Wissenschaft in der Aus-
führung, aber deutlich auf glänzenden Effekt und Darle-
gung der Meisterhaftigkeit berechnet, und, verglichen mit
den Werken früherer Zeiten, von einem gewissen theatra-
lischen Charakter. Zugleich erscheint in diesem Werke2
das pathos so hoch gesteigert, als es nur immer der
Sinn der antiken Welt und das Wesen der bildenden
Kunst zuläßt, und viel höher, als es die Zeit des Phi-
dias gestattet haben würde.

1. Laocoon, qui est in Titi Imp. domo, opus omni-
bus et picturae et statuariae artis praeponendum
(denen in
jenem Pallast?). Ex uno lapide eum et liberos draconum-
que mirabiles nexus de consilii sententia fecere summi
artifices, Agesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii

(Lthanodoros Agesa. Rodios epoiese). Similiter (näm-
lich auch de consilii sententia; anders Lessing, Visconti, St.
Victor u. Thiersch) Palatinas Caess. domos etc. Plin. xxxvi,
4,
11. 1506 in der Gegend der Bäder des Titus wiedergefun-
den; aus 6 Steinen; der rechte Arm restaurirt nach Modellen von
Giov. Agnolo. Auch Einiges an den Söhnen ist neu. PioCl.
ii, 39. Musee Francois iv, pl. 1. M. Bouillon V. ii.
pl.
15. Eine pyramidale, nach einer Verticalfläche geordnete Gruppe.
Die Nebenfiguren auch dem Maaße nach subordinirt, wie bei der
Niobe. Drei Akte desselben Trauerspiels; im Vater der mittelste,
in welchem Energie und Pathos am höchsten. Winckelmann W. vi,
1, 101 ff. vgl. 2, 203 ff. Heyne Antiq. Aufs. ii. S. 1. Les-
sings Laocoon. Propyläen Bd. 1. St. 1. Thiersch Epochen S. 322.

157. Auch scheint sich an die Rhodische Schule das1
Werk Trallianischer Künstler, welches von Rhodos nach
Rom gebracht wurde, der sogenannte Toro Farnese,
anzuschließen, welches zwar sinnlich imposant, aber ohne
einen befriedigenden geistigen Mittelpunkt war. Die Dar-2
stellung der Scene war genau dieselbe wie an dem Tem-
pel der Apollonis (§. 153), dessen Säulenreliefs, welche3
in zahlreichen, mythologischen und historischen Gruppen

Griechen. Vierte Periode.

156. Dieſer Zeit gehoͤrt nun wahrſcheinlich der Lao-1
koon an: ein Wunder der Kunſt in Betracht des feinen
und edlen Geſchmacks in der Behandlung des ſchwieri-
gen Gegenſtands und der tiefen Wiſſenſchaft in der Aus-
fuͤhrung, aber deutlich auf glaͤnzenden Effekt und Darle-
gung der Meiſterhaftigkeit berechnet, und, verglichen mit
den Werken fruͤherer Zeiten, von einem gewiſſen theatra-
liſchen Charakter. Zugleich erſcheint in dieſem Werke2
das πάϑος ſo hoch geſteigert, als es nur immer der
Sinn der antiken Welt und das Weſen der bildenden
Kunſt zulaͤßt, und viel hoͤher, als es die Zeit des Phi-
dias geſtattet haben wuͤrde.

1. Laocoon, qui est in Titi Imp. domo, opus omni-
bus et picturae et statuariae artis praeponendum
(denen in
jenem Pallaſt?). Ex uno lapide eum et liberos draconum-
que mirabiles nexus de consilii sententia fecere summi
artifices, Agesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii

(̕Λϑανοδωρος Ἀγησα. Ροδιος ἐποιησε). Similiter (näm-
lich auch de consilii sententia; anders Leſſing, Viſconti, St.
Victor u. Thierſch) Palatinas Caess. domos etc. Plin. xxxvi,
4,
11. 1506 in der Gegend der Bäder des Titus wiedergefun-
den; aus 6 Steinen; der rechte Arm reſtaurirt nach Modellen von
Giov. Agnolo. Auch Einiges an den Söhnen iſt neu. PioCl.
ii, 39. Musée François iv, pl. 1. M. Bouillon V. ii.
pl.
15. Eine pyramidale, nach einer Verticalfläche geordnete Gruppe.
Die Nebenfiguren auch dem Maaße nach ſubordinirt, wie bei der
Niobe. Drei Akte deſſelben Trauerſpiels; im Vater der mittelſte,
in welchem Energie und Pathos am höchſten. Winckelmann W. vi,
1, 101 ff. vgl. 2, 203 ff. Heyne Antiq. Aufſ. ii. S. 1. Leſ-
ſings Laocoon. Propyläen Bd. 1. St. 1. Thierſch Epochen S. 322.

157. Auch ſcheint ſich an die Rhodiſche Schule das1
Werk Trallianiſcher Kuͤnſtler, welches von Rhodos nach
Rom gebracht wurde, der ſogenannte Toro Farneſe,
anzuſchließen, welches zwar ſinnlich impoſant, aber ohne
einen befriedigenden geiſtigen Mittelpunkt war. Die Dar-2
ſtellung der Scene war genau dieſelbe wie an dem Tem-
pel der Apollonis (§. 153), deſſen Saͤulenreliefs, welche3
in zahlreichen, mythologiſchen und hiſtoriſchen Gruppen

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[137/0159] Griechen. Vierte Periode. 156. Dieſer Zeit gehoͤrt nun wahrſcheinlich der Lao- koon an: ein Wunder der Kunſt in Betracht des feinen und edlen Geſchmacks in der Behandlung des ſchwieri- gen Gegenſtands und der tiefen Wiſſenſchaft in der Aus- fuͤhrung, aber deutlich auf glaͤnzenden Effekt und Darle- gung der Meiſterhaftigkeit berechnet, und, verglichen mit den Werken fruͤherer Zeiten, von einem gewiſſen theatra- liſchen Charakter. Zugleich erſcheint in dieſem Werke das πάϑος ſo hoch geſteigert, als es nur immer der Sinn der antiken Welt und das Weſen der bildenden Kunſt zulaͤßt, und viel hoͤher, als es die Zeit des Phi- dias geſtattet haben wuͤrde. 1 2 1. Laocoon, qui est in Titi Imp. domo, opus omni- bus et picturae et statuariae artis praeponendum (denen in jenem Pallaſt?). Ex uno lapide eum et liberos draconum- que mirabiles nexus de consilii sententia fecere summi artifices, Agesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii (̕Λϑανοδωρος Ἀγησα. Ροδιος ἐποιησε). Similiter (näm- lich auch de consilii sententia; anders Leſſing, Viſconti, St. Victor u. Thierſch) Palatinas Caess. domos etc. Plin. xxxvi, 4, 11. 1506 in der Gegend der Bäder des Titus wiedergefun- den; aus 6 Steinen; der rechte Arm reſtaurirt nach Modellen von Giov. Agnolo. Auch Einiges an den Söhnen iſt neu. PioCl. ii, 39. Musée François iv, pl. 1. M. Bouillon V. ii. pl. 15. Eine pyramidale, nach einer Verticalfläche geordnete Gruppe. Die Nebenfiguren auch dem Maaße nach ſubordinirt, wie bei der Niobe. Drei Akte deſſelben Trauerſpiels; im Vater der mittelſte, in welchem Energie und Pathos am höchſten. Winckelmann W. vi, 1, 101 ff. vgl. 2, 203 ff. Heyne Antiq. Aufſ. ii. S. 1. Leſ- ſings Laocoon. Propyläen Bd. 1. St. 1. Thierſch Epochen S. 322. 157. Auch ſcheint ſich an die Rhodiſche Schule das Werk Trallianiſcher Kuͤnſtler, welches von Rhodos nach Rom gebracht wurde, der ſogenannte Toro Farneſe, anzuſchließen, welches zwar ſinnlich impoſant, aber ohne einen befriedigenden geiſtigen Mittelpunkt war. Die Dar- ſtellung der Scene war genau dieſelbe wie an dem Tem- pel der Apollonis (§. 153), deſſen Saͤulenreliefs, welche in zahlreichen, mythologiſchen und hiſtoriſchen Gruppen 1 2 3

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/159>, abgerufen am 22.11.2024.