Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

existirte in alten Zeiten diese Dienstbarkeit überall, wo
kriegerische Völker sich durch Eroberung niedergelassen
hatten, in Thessalien, Böotien, selbst bei den Joniern
von Athen. Die Thessalische Unterthänigkeit und Leib-
eigenschaft hat sich außer der Dorischen am längsten
erhalten, daher wir sie hier mit hineinziehen. Man
unterscheide folgende Verhältnisse in diesem Lande. Er-
stens standen unter der Botmäßigkeit der Thessaler eine
Anzahl Völkerschaften, welche einen bestimmten Tribut
zahlten, und auch wohl zum Beistande im Kriege ver-
pflichtet waren, aber dabei doch nicht die Volkseinheit
und eine gewisse Selbstständigkeit verloren hatten. In
solchem Verhältniß müssen wir uns die Perrhäber nörd-
lich von Larissa, die Magneten östlich vom Pelion, die
Phthiotischen Achäer südlich vom Othrys und Enipeus
denken. Denn alle diese waren zwar den Thessalern
unterworfen (upekooi) 1, aber sie hatten doch dadurch
nicht aufgehört, abgesonderte, ja selbst amphiktyonische
Völkerschaften zu sein 2. Ihren Tribut hatte Skopas,
der Pharsalische Dynast, genauer festgesetzt. Sie hie-
ßen auch Periöken 3. Zieht man nun die angegebe-
nen Landstriche ab, so behält man für das eigentliche
Thessalien das Land zwischen den Perrhäbern gegen N.
und den Achäern gegen S., gegen welche der Enipeus
die Gränze macht 4; welches die Ebene des Peneios
(das alte Argos Pelasgikon) und dann noch einen

1 Von den Achäern Thuk. 8, 3. vgl. Liv. 33, 34. von den
Magneten u. Aa. Thuk. 2, 101. Demosth. Philipp. II. p. 71.
Olynth. II. p. 20. von den Perrhäbern Th. 4, 78. Str. 9, 440.
vgl. Bd. 1. S. 252., wo aber nicht Alles ganz genau ist.
2 Tittmann Amphiktyonen S. 35. vgl. besonders Herod. 7, 132.
3 Xen. Hell. 6, 1, 7., wo die perioikoi nicht mit den Penesten
zu verwechseln. vgl. Schneider zu Aristot. Pol. 5, 5, 9.
4 nach
Th. 4, 78.
III. 5

exiſtirte in alten Zeiten dieſe Dienſtbarkeit uͤberall, wo
kriegeriſche Voͤlker ſich durch Eroberung niedergelaſſen
hatten, in Theſſalien, Boͤotien, ſelbſt bei den Joniern
von Athen. Die Theſſaliſche Unterthaͤnigkeit und Leib-
eigenſchaft hat ſich außer der Doriſchen am laͤngſten
erhalten, daher wir ſie hier mit hineinziehen. Man
unterſcheide folgende Verhaͤltniſſe in dieſem Lande. Er-
ſtens ſtanden unter der Botmaͤßigkeit der Theſſaler eine
Anzahl Voͤlkerſchaften, welche einen beſtimmten Tribut
zahlten, und auch wohl zum Beiſtande im Kriege ver-
pflichtet waren, aber dabei doch nicht die Volkseinheit
und eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit verloren hatten. In
ſolchem Verhaͤltniß muͤſſen wir uns die Perrhaͤber noͤrd-
lich von Lariſſa, die Magneten oͤſtlich vom Pelion, die
Phthiotiſchen Achaͤer ſuͤdlich vom Othrys und Enipeus
denken. Denn alle dieſe waren zwar den Theſſalern
unterworfen (ὑπήκοοι) 1, aber ſie hatten doch dadurch
nicht aufgehoͤrt, abgeſonderte, ja ſelbſt amphiktyoniſche
Voͤlkerſchaften zu ſein 2. Ihren Tribut hatte Skopas,
der Pharſaliſche Dynaſt, genauer feſtgeſetzt. Sie hie-
ßen auch Perioͤken 3. Zieht man nun die angegebe-
nen Landſtriche ab, ſo behaͤlt man fuͤr das eigentliche
Theſſalien das Land zwiſchen den Perrhaͤbern gegen N.
und den Achaͤern gegen S., gegen welche der Enipeus
die Graͤnze macht 4; welches die Ebene des Peneios
(das alte Ἄϱγος Πελασγικὸν) und dann noch einen

1 Von den Achaͤern Thuk. 8, 3. vgl. Liv. 33, 34. von den
Magneten u. Aa. Thuk. 2, 101. Demoſth. Philipp. II. p. 71.
Olynth. II. p. 20. von den Perrhaͤbern Th. 4, 78. Str. 9, 440.
vgl. Bd. 1. S. 252., wo aber nicht Alles ganz genau iſt.
2 Tittmann Amphiktyonen S. 35. vgl. beſonders Herod. 7, 132.
3 Xen. Hell. 6, 1, 7., wo die πεϱίοικοι nicht mit den Peneſten
zu verwechſeln. vgl. Schneider zu Ariſtot. Pol. 5, 5, 9.
4 nach
Th. 4, 78.
III. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="65"/>
exi&#x017F;tirte in alten Zeiten die&#x017F;e Dien&#x017F;tbarkeit u&#x0364;berall, wo<lb/>
kriegeri&#x017F;che Vo&#x0364;lker &#x017F;ich durch Eroberung niedergela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatten, in The&#x017F;&#x017F;alien, Bo&#x0364;otien, &#x017F;elb&#x017F;t bei den Joniern<lb/>
von Athen. Die The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;che Untertha&#x0364;nigkeit und Leib-<lb/>
eigen&#x017F;chaft hat &#x017F;ich außer der Dori&#x017F;chen am la&#x0364;ng&#x017F;ten<lb/>
erhalten, daher wir &#x017F;ie hier mit hineinziehen. Man<lb/>
unter&#x017F;cheide folgende Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e in die&#x017F;em Lande. Er-<lb/>
&#x017F;tens &#x017F;tanden unter der Botma&#x0364;ßigkeit der The&#x017F;&#x017F;aler eine<lb/>
Anzahl Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften, welche einen be&#x017F;timmten Tribut<lb/>
zahlten, und auch wohl zum Bei&#x017F;tande im Kriege ver-<lb/>
pflichtet waren, aber dabei doch nicht die Volkseinheit<lb/>
und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit verloren hatten. In<lb/>
&#x017F;olchem Verha&#x0364;ltniß mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir uns die Perrha&#x0364;ber no&#x0364;rd-<lb/>
lich von Lari&#x017F;&#x017F;a, die Magneten o&#x0364;&#x017F;tlich vom Pelion, die<lb/>
Phthioti&#x017F;chen Acha&#x0364;er &#x017F;u&#x0364;dlich vom Othrys und Enipeus<lb/>
denken. Denn alle die&#x017F;e waren zwar den The&#x017F;&#x017F;alern<lb/>
unterworfen (&#x1F51;&#x03C0;&#x03AE;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BF;&#x03B9;) <note place="foot" n="1">Von den Acha&#x0364;ern Thuk. 8, 3. vgl. Liv. 33, 34. von den<lb/>
Magneten u. Aa. Thuk. 2, 101. Demo&#x017F;th. Philipp. <hi rendition="#aq">II. p.</hi> 71.<lb/>
Olynth. <hi rendition="#aq">II. p.</hi> 20. von den Perrha&#x0364;bern Th. 4, 78. Str. 9, 440.<lb/>
vgl. Bd. 1. S. 252., wo aber nicht Alles ganz genau i&#x017F;t.</note>, aber &#x017F;ie hatten doch dadurch<lb/>
nicht aufgeho&#x0364;rt, abge&#x017F;onderte, ja &#x017F;elb&#x017F;t amphiktyoni&#x017F;che<lb/>
Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften zu &#x017F;ein <note place="foot" n="2">Tittmann Amphiktyonen S. 35. vgl. be&#x017F;onders Herod. 7, 132.</note>. Ihren Tribut hatte Skopas,<lb/>
der Phar&#x017F;ali&#x017F;che Dyna&#x017F;t, genauer fe&#x017F;tge&#x017F;etzt. Sie hie-<lb/>
ßen auch <hi rendition="#g">Perio&#x0364;ken</hi> <note place="foot" n="3">Xen. Hell. 6, 1, 7., wo die &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x03AF;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x03B9; nicht mit den Pene&#x017F;ten<lb/>
zu verwech&#x017F;eln. vgl. Schneider zu Ari&#x017F;tot. Pol. 5, 5, 9.</note>. Zieht man nun die angegebe-<lb/>
nen Land&#x017F;triche ab, &#x017F;o beha&#x0364;lt man fu&#x0364;r das eigentliche<lb/>
The&#x017F;&#x017F;alien das Land zwi&#x017F;chen den Perrha&#x0364;bern gegen N.<lb/>
und den Acha&#x0364;ern gegen S., gegen welche der Enipeus<lb/>
die Gra&#x0364;nze macht <note place="foot" n="4">nach<lb/>
Th. 4, 78.</note>; welches die Ebene des Peneios<lb/>
(das alte &#x1F0C;&#x03F1;&#x03B3;&#x03BF;&#x03C2; &#x03A0;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B1;&#x03C3;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F78;&#x03BD;) und dann noch einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi> 5</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0071] exiſtirte in alten Zeiten dieſe Dienſtbarkeit uͤberall, wo kriegeriſche Voͤlker ſich durch Eroberung niedergelaſſen hatten, in Theſſalien, Boͤotien, ſelbſt bei den Joniern von Athen. Die Theſſaliſche Unterthaͤnigkeit und Leib- eigenſchaft hat ſich außer der Doriſchen am laͤngſten erhalten, daher wir ſie hier mit hineinziehen. Man unterſcheide folgende Verhaͤltniſſe in dieſem Lande. Er- ſtens ſtanden unter der Botmaͤßigkeit der Theſſaler eine Anzahl Voͤlkerſchaften, welche einen beſtimmten Tribut zahlten, und auch wohl zum Beiſtande im Kriege ver- pflichtet waren, aber dabei doch nicht die Volkseinheit und eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit verloren hatten. In ſolchem Verhaͤltniß muͤſſen wir uns die Perrhaͤber noͤrd- lich von Lariſſa, die Magneten oͤſtlich vom Pelion, die Phthiotiſchen Achaͤer ſuͤdlich vom Othrys und Enipeus denken. Denn alle dieſe waren zwar den Theſſalern unterworfen (ὑπήκοοι) 1, aber ſie hatten doch dadurch nicht aufgehoͤrt, abgeſonderte, ja ſelbſt amphiktyoniſche Voͤlkerſchaften zu ſein 2. Ihren Tribut hatte Skopas, der Pharſaliſche Dynaſt, genauer feſtgeſetzt. Sie hie- ßen auch Perioͤken 3. Zieht man nun die angegebe- nen Landſtriche ab, ſo behaͤlt man fuͤr das eigentliche Theſſalien das Land zwiſchen den Perrhaͤbern gegen N. und den Achaͤern gegen S., gegen welche der Enipeus die Graͤnze macht 4; welches die Ebene des Peneios (das alte Ἄϱγος Πελασγικὸν) und dann noch einen 1 Von den Achaͤern Thuk. 8, 3. vgl. Liv. 33, 34. von den Magneten u. Aa. Thuk. 2, 101. Demoſth. Philipp. II. p. 71. Olynth. II. p. 20. von den Perrhaͤbern Th. 4, 78. Str. 9, 440. vgl. Bd. 1. S. 252., wo aber nicht Alles ganz genau iſt. 2 Tittmann Amphiktyonen S. 35. vgl. beſonders Herod. 7, 132. 3 Xen. Hell. 6, 1, 7., wo die πεϱίοικοι nicht mit den Peneſten zu verwechſeln. vgl. Schneider zu Ariſtot. Pol. 5, 5, 9. 4 nach Th. 4, 78. III. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/71
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/71>, abgerufen am 21.11.2024.