Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

und man hat besonders darin gefehlt, daß man den,
der seine Dichtungsgattung vollendete, als den An-
fangspunkt der Attischen Komödie hinstellte, und die
bäurische Roheit, aus der die letztre erwuchs, auf die
früher geregelte Sicilische Gattung übertrug, die alle
Vortheile gebildeten Stadt- und Hoflebens genoß 1.
Hier liegt uns nur daran -- ehe speciellere Forschun-
gen einen vollständigern Begriff von Epicharmos Lei-
stungen gewähren -- über den Umfang seines Stoffes und
den Geist seiner Behandlung einige Notizen zu geben.
Der Stoff der Epicharmischen Stücke war großentheils
mythisch, das heißt, den Mythus travestirend, unge-
fähr wie das Drama Satyrikon in Athen. So stellte
das Stück Busiris den Herakles mit unerschöpflicher
Laune als unbändigen Fresser dar; und dieselbe Eßlust
schilderte, vielleicht zugleich Satyre einmischend auf
den Luxus der Zeit, "die Hochzeit der Hebe," in wel-
cher eine wunderbare Menge von Gerichten erwähnt
wurde 2. Eine genauere Vorstellung können wir uns
von dem Drama: Hephästos oder die Komasten
machen, und zwar besonders mit Hilfe einiger erhalt-
nen Kunstdarstellungen. Es wird berichtet, daß hierin
erstens dargestellt wurde, wie Hephästos seine Mutter
Hera durch zauberische Schmiedekunst an einen Sitz
gefesselt, von dem er sie erst nach langem Bitten löste 3.
Nun sieht man auf einer zu Bari im Königreich Nea-

1 So hat man gar keinen Grund zu behaupten, Epicharm
habe etwa nur zwei Interlokutoren gehabt. Drei, nämlich Amy-
kos, Polydeukes und Kastor, gehn schon aus dem einen Verse bei
Schol. Soph. Ai. 1074. hervor; und mehrere mußte der Aphai-
stos haben.
2 S. Casaub. zu Ath. 3, 13. p. 176. Harleß
a. O. p. 45.
3 S. Photios p. 59. und Suid. s. v. Eras
de desmous.

und man hat beſonders darin gefehlt, daß man den,
der ſeine Dichtungsgattung vollendete, als den An-
fangspunkt der Attiſchen Komoͤdie hinſtellte, und die
baͤuriſche Roheit, aus der die letztre erwuchs, auf die
fruͤher geregelte Siciliſche Gattung uͤbertrug, die alle
Vortheile gebildeten Stadt- und Hoflebens genoß 1.
Hier liegt uns nur daran — ehe ſpeciellere Forſchun-
gen einen vollſtaͤndigern Begriff von Epicharmos Lei-
ſtungen gewaͤhren — uͤber den Umfang ſeines Stoffes und
den Geiſt ſeiner Behandlung einige Notizen zu geben.
Der Stoff der Epicharmiſchen Stuͤcke war großentheils
mythiſch, das heißt, den Mythus traveſtirend, unge-
faͤhr wie das Drama Satyrikon in Athen. So ſtellte
das Stuͤck Buſiris den Herakles mit unerſchoͤpflicher
Laune als unbaͤndigen Freſſer dar; und dieſelbe Eßluſt
ſchilderte, vielleicht zugleich Satyre einmiſchend auf
den Luxus der Zeit, „die Hochzeit der Hebe,“ in wel-
cher eine wunderbare Menge von Gerichten erwaͤhnt
wurde 2. Eine genauere Vorſtellung koͤnnen wir uns
von dem Drama: Hephaͤſtos oder die Komaſten
machen, und zwar beſonders mit Hilfe einiger erhalt-
nen Kunſtdarſtellungen. Es wird berichtet, daß hierin
erſtens dargeſtellt wurde, wie Hephaͤſtos ſeine Mutter
Hera durch zauberiſche Schmiedekunſt an einen Sitz
gefeſſelt, von dem er ſie erſt nach langem Bitten loͤſte 3.
Nun ſieht man auf einer zu Bari im Koͤnigreich Nea-

1 So hat man gar keinen Grund zu behaupten, Epicharm
habe etwa nur zwei Interlokutoren gehabt. Drei, naͤmlich Amy-
kos, Polydeukes und Kaſtor, gehn ſchon aus dem einen Verſe bei
Schol. Soph. Ai. 1074. hervor; und mehrere mußte der Ἅφαι-
στος haben.
2 S. Caſaub. zu Ath. 3, 13. p. 176. Harleß
a. O. p. 45.
3 S. Photios p. 59. und Suid. s. v. Ἥϱας
δὲ δεσμούς.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="354"/>
und man hat be&#x017F;onders darin gefehlt, daß man den,<lb/>
der &#x017F;eine Dichtungsgattung vollendete, als den An-<lb/>
fangspunkt der Atti&#x017F;chen Komo&#x0364;die hin&#x017F;tellte, und die<lb/>
ba&#x0364;uri&#x017F;che Roheit, aus der die letztre erwuchs, auf die<lb/>
fru&#x0364;her geregelte Sicili&#x017F;che Gattung u&#x0364;bertrug, die alle<lb/>
Vortheile gebildeten Stadt- und Hoflebens genoß <note place="foot" n="1">So hat man gar keinen Grund zu behaupten, Epicharm<lb/>
habe etwa nur zwei Interlokutoren gehabt. Drei, na&#x0364;mlich Amy-<lb/>
kos, Polydeukes und Ka&#x017F;tor, gehn &#x017F;chon aus dem einen Ver&#x017F;e bei<lb/>
Schol. Soph. Ai. 1074. hervor; und mehrere mußte der &#x1F0D;&#x03C6;&#x03B1;&#x03B9;-<lb/>
&#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; haben.</note>.<lb/>
Hier liegt uns nur daran &#x2014; ehe &#x017F;peciellere For&#x017F;chun-<lb/>
gen einen voll&#x017F;ta&#x0364;ndigern Begriff von Epicharmos Lei-<lb/>
&#x017F;tungen gewa&#x0364;hren &#x2014; u&#x0364;ber den Umfang &#x017F;eines Stoffes und<lb/>
den Gei&#x017F;t &#x017F;einer Behandlung einige Notizen zu geben.<lb/>
Der Stoff der Epicharmi&#x017F;chen Stu&#x0364;cke war großentheils<lb/>
mythi&#x017F;ch, das heißt, den Mythus trave&#x017F;tirend, unge-<lb/>
fa&#x0364;hr wie das Drama Satyrikon in Athen. So &#x017F;tellte<lb/>
das Stu&#x0364;ck Bu&#x017F;iris den Herakles mit uner&#x017F;cho&#x0364;pflicher<lb/>
Laune als unba&#x0364;ndigen Fre&#x017F;&#x017F;er dar; und die&#x017F;elbe Eßlu&#x017F;t<lb/>
&#x017F;childerte, vielleicht zugleich Satyre einmi&#x017F;chend auf<lb/>
den Luxus der Zeit, &#x201E;die Hochzeit der Hebe,&#x201C; in wel-<lb/>
cher eine wunderbare Menge von Gerichten erwa&#x0364;hnt<lb/>
wurde <note place="foot" n="2">S. Ca&#x017F;aub. zu Ath. 3, 13. <hi rendition="#aq">p.</hi> 176. Harleß<lb/>
a. O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 45.</note>. Eine genauere Vor&#x017F;tellung ko&#x0364;nnen wir uns<lb/>
von dem Drama: <hi rendition="#g">Hepha&#x0364;&#x017F;tos oder die Koma&#x017F;ten</hi><lb/>
machen, und zwar be&#x017F;onders mit Hilfe einiger erhalt-<lb/>
nen Kun&#x017F;tdar&#x017F;tellungen. Es wird berichtet, daß hierin<lb/>
er&#x017F;tens darge&#x017F;tellt wurde, wie Hepha&#x0364;&#x017F;tos &#x017F;eine Mutter<lb/>
Hera durch zauberi&#x017F;che Schmiedekun&#x017F;t an einen Sitz<lb/>
gefe&#x017F;&#x017F;elt, von dem er &#x017F;ie er&#x017F;t nach langem Bitten lo&#x0364;&#x017F;te <note place="foot" n="3">S. Photios <hi rendition="#aq">p.</hi> 59. und Suid. <hi rendition="#aq">s. v.</hi> &#x1F2D;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2;<lb/>
&#x03B4;&#x1F72; &#x03B4;&#x03B5;&#x03C3;&#x03BC;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C2;.</note>.<lb/>
Nun &#x017F;ieht man auf einer zu Bari im Ko&#x0364;nigreich Nea-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0360] und man hat beſonders darin gefehlt, daß man den, der ſeine Dichtungsgattung vollendete, als den An- fangspunkt der Attiſchen Komoͤdie hinſtellte, und die baͤuriſche Roheit, aus der die letztre erwuchs, auf die fruͤher geregelte Siciliſche Gattung uͤbertrug, die alle Vortheile gebildeten Stadt- und Hoflebens genoß 1. Hier liegt uns nur daran — ehe ſpeciellere Forſchun- gen einen vollſtaͤndigern Begriff von Epicharmos Lei- ſtungen gewaͤhren — uͤber den Umfang ſeines Stoffes und den Geiſt ſeiner Behandlung einige Notizen zu geben. Der Stoff der Epicharmiſchen Stuͤcke war großentheils mythiſch, das heißt, den Mythus traveſtirend, unge- faͤhr wie das Drama Satyrikon in Athen. So ſtellte das Stuͤck Buſiris den Herakles mit unerſchoͤpflicher Laune als unbaͤndigen Freſſer dar; und dieſelbe Eßluſt ſchilderte, vielleicht zugleich Satyre einmiſchend auf den Luxus der Zeit, „die Hochzeit der Hebe,“ in wel- cher eine wunderbare Menge von Gerichten erwaͤhnt wurde 2. Eine genauere Vorſtellung koͤnnen wir uns von dem Drama: Hephaͤſtos oder die Komaſten machen, und zwar beſonders mit Hilfe einiger erhalt- nen Kunſtdarſtellungen. Es wird berichtet, daß hierin erſtens dargeſtellt wurde, wie Hephaͤſtos ſeine Mutter Hera durch zauberiſche Schmiedekunſt an einen Sitz gefeſſelt, von dem er ſie erſt nach langem Bitten loͤſte 3. Nun ſieht man auf einer zu Bari im Koͤnigreich Nea- 1 So hat man gar keinen Grund zu behaupten, Epicharm habe etwa nur zwei Interlokutoren gehabt. Drei, naͤmlich Amy- kos, Polydeukes und Kaſtor, gehn ſchon aus dem einen Verſe bei Schol. Soph. Ai. 1074. hervor; und mehrere mußte der Ἅφαι- στος haben. 2 S. Caſaub. zu Ath. 3, 13. p. 176. Harleß a. O. p. 45. 3 S. Photios p. 59. und Suid. s. v. Ἥϱας δὲ δεσμούς.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/360
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/360>, abgerufen am 25.11.2024.