dies Gebäude dem Prytaneion in Athen, wo die Ci- vilgesetze (axones) lagen, und die Gesandten unter ge- ehrten Bürgern gespeiset wurden; die Attischen Pryta- nen selbst haben, als Leiter der Volksversammlung, große Aehnlichkeit mit den Ephoren. Neben dem Ephoreion stand ein Sacellum der Furcht, die aller- dings die diktatorische Gewalt dieser Obrigkeit den Bürgern gebot 1. Endlich entbehrte auch dieser Ma- gistrat nicht einer religiösen Basis seines Ansehns. Die Ephoren träumten in bestimmten Zeiten im Tempel der Pasiphaa bei Thalamä, und ihre Gesichte wurden po- litisch gedeutet; wir wissen, daß ein soches Traumge- sicht die Spartiaten zur alten Gleichheit zurückzukeh- ren aufforderte 2. Von der neunjährigen Himmels- beobachtung derselben haben wir oben beim Königthum gehandelt 3; merkwürdig, daß diese gewiß uralte Sitte erst in sehr späten Zeiten als eine Stütze der Ephorentyran- nei im Verhältniß zu den Königen vorkommt. -- Diese spätern Zeiten sind es noch besonders, welche die beim Eingange dieses Kapitels aufgestellte Behauptung: die Ephorie sei das bewegliche Element, das Princip des Wandels in der Spartiatischen Verfassung, bestätigen. Von ihr ging am Ende die Auflösung derselben aus. Die Ephoren, durch ihre Gerichtsbarkeit und ihre poli- tischen Geschäfte in viel Verkehr mit Ausländern ge- bracht, waren es zuerst, bei denen die strenge Sitte Alt-Sparta's, wie die Sehne eines gespannten Bo- gens, nachließ, und durch welche größere Ueppigkeit überhand nahm. Schon Aristoteles tadelt an ihnen die
1 Plut. Kleom. 8. 9.
2 Plut. Agis 9. Cic. de div. 1, 43, 96. vgl Manso 3, 1. S. 262. Siebelis ad Paus. 3, 26, 1.
3 S. 100. -- Die Ephoren hatten auch bei den Opfern der Ath. Chalkiökos Funktionen. Polyb. 4, 35, 2.
dies Gebaͤude dem Prytaneion in Athen, wo die Ci- vilgeſetze (ἄξονες) lagen, und die Geſandten unter ge- ehrten Buͤrgern geſpeiſet wurden; die Attiſchen Pryta- nen ſelbſt haben, als Leiter der Volksverſammlung, große Aehnlichkeit mit den Ephoren. Neben dem Ephoreion ſtand ein Sacellum der Furcht, die aller- dings die diktatoriſche Gewalt dieſer Obrigkeit den Buͤrgern gebot 1. Endlich entbehrte auch dieſer Ma- giſtrat nicht einer religioͤſen Baſis ſeines Anſehns. Die Ephoren traͤumten in beſtimmten Zeiten im Tempel der Paſiphaa bei Thalamaͤ, und ihre Geſichte wurden po- litiſch gedeutet; wir wiſſen, daß ein ſoches Traumge- ſicht die Spartiaten zur alten Gleichheit zuruͤckzukeh- ren aufforderte 2. Von der neunjaͤhrigen Himmels- beobachtung derſelben haben wir oben beim Koͤnigthum gehandelt 3; merkwuͤrdig, daß dieſe gewiß uralte Sitte erſt in ſehr ſpaͤten Zeiten als eine Stuͤtze der Ephorentyran- nei im Verhaͤltniß zu den Koͤnigen vorkommt. — Dieſe ſpaͤtern Zeiten ſind es noch beſonders, welche die beim Eingange dieſes Kapitels aufgeſtellte Behauptung: die Ephorie ſei das bewegliche Element, das Princip des Wandels in der Spartiatiſchen Verfaſſung, beſtaͤtigen. Von ihr ging am Ende die Aufloͤſung derſelben aus. Die Ephoren, durch ihre Gerichtsbarkeit und ihre poli- tiſchen Geſchaͤfte in viel Verkehr mit Auslaͤndern ge- bracht, waren es zuerſt, bei denen die ſtrenge Sitte Alt-Sparta’s, wie die Sehne eines geſpannten Bo- gens, nachließ, und durch welche groͤßere Ueppigkeit uͤberhand nahm. Schon Ariſtoteles tadelt an ihnen die
1 Plut. Kleom. 8. 9.
2 Plut. Agis 9. Cic. de div. 1, 43, 96. vgl Manſo 3, 1. S. 262. Siebelis ad Paus. 3, 26, 1.
3 S. 100. — Die Ephoren hatten auch bei den Opfern der Ath. Chalkioͤkos Funktionen. Polyb. 4, 35, 2.
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dies Gebaͤude dem Prytaneion in Athen, wo die Ci-
vilgeſetze (ἄξονες) lagen, und die Geſandten unter ge-
ehrten Buͤrgern geſpeiſet wurden; die Attiſchen Pryta-
nen ſelbſt haben, als Leiter der Volksverſammlung,
große Aehnlichkeit mit den Ephoren. Neben dem
Ephoreion ſtand ein Sacellum der Furcht, die aller-
dings die diktatoriſche Gewalt dieſer Obrigkeit den
Buͤrgern gebot 1. Endlich entbehrte auch dieſer Ma-
giſtrat nicht einer religioͤſen Baſis ſeines Anſehns. Die
Ephoren traͤumten in beſtimmten Zeiten im Tempel der
Paſiphaa bei Thalamaͤ, und ihre Geſichte wurden po-
litiſch gedeutet; wir wiſſen, daß ein ſoches Traumge-
ſicht die Spartiaten zur alten Gleichheit zuruͤckzukeh-
ren aufforderte 2. Von der neunjaͤhrigen Himmels-
beobachtung derſelben haben wir oben beim Koͤnigthum
gehandelt 3; merkwuͤrdig, daß dieſe gewiß uralte Sitte erſt
in ſehr ſpaͤten Zeiten als eine Stuͤtze der Ephorentyran-
nei im Verhaͤltniß zu den Koͤnigen vorkommt. — Dieſe
ſpaͤtern Zeiten ſind es noch beſonders, welche die beim
Eingange dieſes Kapitels aufgeſtellte Behauptung: die
Ephorie ſei das bewegliche Element, das Princip des
Wandels in der Spartiatiſchen Verfaſſung, beſtaͤtigen.
Von ihr ging am Ende die Aufloͤſung derſelben aus.
Die Ephoren, durch ihre Gerichtsbarkeit und ihre poli-
tiſchen Geſchaͤfte in viel Verkehr mit Auslaͤndern ge-
bracht, waren es zuerſt, bei denen die ſtrenge Sitte
Alt-Sparta’s, wie die Sehne eines geſpannten Bo-
gens, nachließ, und durch welche groͤßere Ueppigkeit
uͤberhand nahm. Schon Ariſtoteles tadelt an ihnen die
1 Plut. Kleom. 8. 9.
2 Plut. Agis 9. Cic. de div.
1, 43, 96. vgl Manſo 3, 1. S. 262. Siebelis ad Paus. 3,
26, 1.
3 S. 100. — Die Ephoren hatten auch bei den
Opfern der Ath. Chalkioͤkos Funktionen. Polyb. 4, 35, 2.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/132>, abgerufen am 23.11.2024.
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