Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht einmal die Peloponnesier -- sondern etwa die Athe-
ner -- fast gehässig -- den Charakter der Völker zn be-
zeichnen suchten. Denn daß man sich darunter etwa
Stadtwappen zu denken habe, läßt sonst nichts vermu-
then. Man müßte denn auf Fourmonts angebliche Ent-
deckung bauen wollen, der im Tempel des Amykläischen
Apoll einen Schild mit der Inschrift des Taleklos als
bagos mit einer Schlange in der Mitte, und einen an-
dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei
Füchsen gefunden haben will 1. Allein so abentheuerlich
er die Form jener Schilde -- mit spitzen Enden und an
den Seiten eingeschnitten -- vorstellt: so offenbar liegt
hier der Betrug zu Tage, dessen Voraussetzung, daß die
Schlange Spartanisches Schildzeichen gewesen, ganz
unbegründet bleibt 2.

12.

Obgleich wir die großen Veränderungen, wel-
che das Eindringen der Dorier in allen Verhältnissen
der Peloponnesischen und aller Griechischen Stämme her-
vorbrachte 3, hier nicht vollständig darstellen können,
muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptmasse der
Achaeer, die ursprünglich aus Phthia stammten, sich
nun die auf Nordküste wirft, und die Jonier zwingt, nach
Attika hinüberzugehen. Die Eroberung der Hauptfeste

1 Unter seinen Inschriften auf der bibliotheque du Roi in
Paris. vgl. Hist. de l'Acad. des I. T. 16. p. 105.
2 Bei
Plut. de Pyth. orac. 24. p. 289. ein Orakel, wo die Spartaner
ophioboroi heißen. Im Orakel stand sicher ophiodeiroi
(opphiod.) wie Aristot. Mirab. Ausc. 23. hat, was man aber so
erklären konnte. Zeichen der Spartanifchen Könige war sonst der
Löwe (Herod. 7, 225), daher ihn rückwärts auch Menelaos in ei-
nem Vasengemälde auf dem Schilde führt. -- Die Kröte bezeich-
net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8.
3 Isokr. Panath. 99. sagt viel zu allgemein: makhe de nikesantes
tous men ettethentas ek te ton poleon kai tes khoras exebalon,
hernach modificirt er es sehr.

nicht einmal die Peloponneſier — ſondern etwa die Athe-
ner — faſt gehaͤſſig — den Charakter der Voͤlker zn be-
zeichnen ſuchten. Denn daß man ſich darunter etwa
Stadtwappen zu denken habe, laͤßt ſonſt nichts vermu-
then. Man muͤßte denn auf Fourmonts angebliche Ent-
deckung bauen wollen, der im Tempel des Amyklaͤiſchen
Apoll einen Schild mit der Inſchrift des Taleklos als
βαγος mit einer Schlange in der Mitte, und einen an-
dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei
Fuͤchſen gefunden haben will 1. Allein ſo abentheuerlich
er die Form jener Schilde — mit ſpitzen Enden und an
den Seiten eingeſchnitten — vorſtellt: ſo offenbar liegt
hier der Betrug zu Tage, deſſen Vorausſetzung, daß die
Schlange Spartaniſches Schildzeichen geweſen, ganz
unbegruͤndet bleibt 2.

12.

Obgleich wir die großen Veraͤnderungen, wel-
che das Eindringen der Dorier in allen Verhaͤltniſſen
der Peloponneſiſchen und aller Griechiſchen Staͤmme her-
vorbrachte 3, hier nicht vollſtaͤndig darſtellen koͤnnen,
muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptmaſſe der
Achaeer, die urſpruͤnglich aus Phthia ſtammten, ſich
nun die auf Nordkuͤſte wirft, und die Jonier zwingt, nach
Attika hinuͤberzugehen. Die Eroberung der Hauptfeſte

1 Unter ſeinen Inſchriften auf der bibliotheque du Roi in
Paris. vgl. Hist. de l’Acad. des I. T. 16. p. 105.
2 Bei
Plut. de Pyth. orac. 24. p. 289. ein Orakel, wo die Spartaner
ὀφιοβόϱοι heißen. Im Orakel ſtand ſicher ὀφιόδειϱοι
(ὀπφιοδ.) wie Ariſtot. Mirab. Ausc. 23. hat, was man aber ſo
erklaͤren konnte. Zeichen der Spartanifchen Koͤnige war ſonſt der
Loͤwe (Herod. 7, 225), daher ihn ruͤckwaͤrts auch Menelaos in ei-
nem Vaſengemaͤlde auf dem Schilde fuͤhrt. — Die Kroͤte bezeich-
net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8.
3 Iſokr. Panath. 99. ſagt viel zu allgemein: μάχῃ δὲ νικήσαντες
τοὺς μὲν ἡττηϑέντας ἔκ τε τῶν πόλεων καὶ τῆς χώϱας ἐξέβαλον,
hernach modificirt er es ſehr.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="64"/>
nicht einmal die Peloponne&#x017F;ier &#x2014; &#x017F;ondern etwa die Athe-<lb/>
ner &#x2014; fa&#x017F;t geha&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig &#x2014; den Charakter der Vo&#x0364;lker zn be-<lb/>
zeichnen &#x017F;uchten. Denn daß man &#x017F;ich darunter etwa<lb/>
Stadtwappen zu denken habe, la&#x0364;ßt &#x017F;on&#x017F;t nichts vermu-<lb/>
then. Man mu&#x0364;ßte denn auf Fourmonts angebliche Ent-<lb/>
deckung bauen wollen, der im Tempel des Amykla&#x0364;i&#x017F;chen<lb/>
Apoll einen Schild mit der In&#x017F;chrift des Taleklos als<lb/>
&#x03B2;&#x03B1;&#x03B3;&#x03BF;&#x03C2; mit einer Schlange in der Mitte, und einen an-<lb/>
dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei<lb/>
Fu&#x0364;ch&#x017F;en gefunden haben will <note place="foot" n="1">Unter &#x017F;einen In&#x017F;chriften auf der <hi rendition="#aq">bibliotheque du Roi</hi> in<lb/>
Paris. vgl. <hi rendition="#aq">Hist. de l&#x2019;Acad. des I. T. 16. p.</hi> 105.</note>. Allein &#x017F;o abentheuerlich<lb/>
er die Form jener Schilde &#x2014; mit &#x017F;pitzen Enden und an<lb/>
den Seiten einge&#x017F;chnitten &#x2014; vor&#x017F;tellt: &#x017F;o offenbar liegt<lb/>
hier der Betrug zu Tage, de&#x017F;&#x017F;en Voraus&#x017F;etzung, daß die<lb/>
Schlange Spartani&#x017F;ches Schildzeichen gewe&#x017F;en, ganz<lb/>
unbegru&#x0364;ndet bleibt <note place="foot" n="2">Bei<lb/>
Plut. <hi rendition="#aq">de Pyth. orac. 24. p.</hi> 289. ein Orakel, wo die Spartaner<lb/>
&#x1F40;&#x03C6;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B2;&#x03CC;&#x03F1;&#x03BF;&#x03B9; heißen. Im Orakel &#x017F;tand &#x017F;icher &#x1F40;&#x03C6;&#x03B9;&#x03CC;&#x03B4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03F1;&#x03BF;&#x03B9;<lb/>
(&#x1F40;&#x03C0;&#x03C6;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B4;.) wie Ari&#x017F;tot. <hi rendition="#aq">Mirab. Ausc.</hi> 23. hat, was man aber &#x017F;o<lb/>
erkla&#x0364;ren konnte. Zeichen der Spartanifchen Ko&#x0364;nige war &#x017F;on&#x017F;t der<lb/>
Lo&#x0364;we (Herod. 7, 225), daher ihn ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts auch Menelaos in ei-<lb/>
nem Va&#x017F;engema&#x0364;lde auf dem Schilde fu&#x0364;hrt. &#x2014; Die Kro&#x0364;te bezeich-<lb/>
net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>12.</head><lb/>
            <p>Obgleich wir die großen Vera&#x0364;nderungen, wel-<lb/>
che das Eindringen der Dorier in allen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Peloponne&#x017F;i&#x017F;chen und aller Griechi&#x017F;chen Sta&#x0364;mme her-<lb/>
vorbrachte <note place="foot" n="3">I&#x017F;okr. Panath. 99. &#x017F;agt viel zu allgemein: &#x03BC;&#x03AC;&#x03C7;&#x1FC3; &#x03B4;&#x1F72; &#x03BD;&#x03B9;&#x03BA;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2;<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03BC;&#x1F72;&#x03BD; &#x1F21;&#x03C4;&#x03C4;&#x03B7;&#x03D1;&#x03AD;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F14;&#x03BA; &#x03C4;&#x03B5; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03C7;&#x03CE;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BE;&#x03AD;&#x03B2;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;,<lb/>
hernach modificirt er es &#x017F;ehr.</note>, hier nicht voll&#x017F;ta&#x0364;ndig dar&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen,<lb/>
muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptma&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Achaeer, die ur&#x017F;pru&#x0364;nglich aus Phthia &#x017F;tammten, &#x017F;ich<lb/>
nun die auf Nordku&#x0364;&#x017F;te wirft, und die Jonier zwingt, nach<lb/>
Attika hinu&#x0364;berzugehen. Die Eroberung der Hauptfe&#x017F;te<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0094] nicht einmal die Peloponneſier — ſondern etwa die Athe- ner — faſt gehaͤſſig — den Charakter der Voͤlker zn be- zeichnen ſuchten. Denn daß man ſich darunter etwa Stadtwappen zu denken habe, laͤßt ſonſt nichts vermu- then. Man muͤßte denn auf Fourmonts angebliche Ent- deckung bauen wollen, der im Tempel des Amyklaͤiſchen Apoll einen Schild mit der Inſchrift des Taleklos als βαγος mit einer Schlange in der Mitte, und einen an- dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei Fuͤchſen gefunden haben will 1. Allein ſo abentheuerlich er die Form jener Schilde — mit ſpitzen Enden und an den Seiten eingeſchnitten — vorſtellt: ſo offenbar liegt hier der Betrug zu Tage, deſſen Vorausſetzung, daß die Schlange Spartaniſches Schildzeichen geweſen, ganz unbegruͤndet bleibt 2. 12. Obgleich wir die großen Veraͤnderungen, wel- che das Eindringen der Dorier in allen Verhaͤltniſſen der Peloponneſiſchen und aller Griechiſchen Staͤmme her- vorbrachte 3, hier nicht vollſtaͤndig darſtellen koͤnnen, muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptmaſſe der Achaeer, die urſpruͤnglich aus Phthia ſtammten, ſich nun die auf Nordkuͤſte wirft, und die Jonier zwingt, nach Attika hinuͤberzugehen. Die Eroberung der Hauptfeſte 1 Unter ſeinen Inſchriften auf der bibliotheque du Roi in Paris. vgl. Hist. de l’Acad. des I. T. 16. p. 105. 2 Bei Plut. de Pyth. orac. 24. p. 289. ein Orakel, wo die Spartaner ὀφιοβόϱοι heißen. Im Orakel ſtand ſicher ὀφιόδειϱοι (ὀπφιοδ.) wie Ariſtot. Mirab. Ausc. 23. hat, was man aber ſo erklaͤren konnte. Zeichen der Spartanifchen Koͤnige war ſonſt der Loͤwe (Herod. 7, 225), daher ihn ruͤckwaͤrts auch Menelaos in ei- nem Vaſengemaͤlde auf dem Schilde fuͤhrt. — Die Kroͤte bezeich- net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8. 3 Iſokr. Panath. 99. ſagt viel zu allgemein: μάχῃ δὲ νικήσαντες τοὺς μὲν ἡττηϑέντας ἔκ τε τῶν πόλεων καὶ τῆς χώϱας ἐξέβαλον, hernach modificirt er es ſehr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/94
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/94>, abgerufen am 09.11.2024.