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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Es lag diese Geschichte doch schon außer dem Bereiche
der epischen Poesie, so daß davon abhängende Ereig-
nisse, wenn sie in ihr vorkamen, anders motivirt und
verflochten werden mußten. Keine Hauptklasse des
Epos behandelte diese Begebenheit ausführlich, nicht
die Kykliker, nicht die Nostoi; in den Hesiodischen Eöen
scheinen nur einige kürzere Stellen gestanden zu haben 1.
Indessen kannte Herodot 2 doch Dichter, welche von der
Einwanderung der Herakliden und Dorier in Lakonien
erzählten. Es können dies erstens solche Epiker gewe-
sen sein, welche die Mythen genealogisch herabführten,
wie Kinaethon der Lakone 3 und Asios, der von He-
rakles Geschlechte sprach und nach dem Charakter seiner
Gedichte auch von seinen Nachkommen sprechen konnte 4.
Oder es können dies poietai istorikoi gewesen sein,
nach Art des Korinthier Eumelos, obgleich die von He-
rodot gemeinten wenigstens nicht wie dieser Korinthiaka
schrieb, eigne Lakonika gedichtet haben können, worin
sie sonst der Spartanischen Stadtsage hätten folgen
müssen; es wich aber diese in Betreff der ersten Hera-
klidenfürsten von allen diesem Schriftsteller bekannten
Dichtern ab, und war nicht die allgemein Hellenische

1 S. Paus. 4, 2, 1. Es sind noch zwei Stellen des Hesiod,
die zum Heraklidenzug gehören, Schol. Apoll. 1, 824.
Thessamenos geneen Kleadaiou kudalimoio.
deren Zusammenhang sehr dunkel ist, und bei Schol. Pind. O. 11,
79 e cod. Vratisl.
Timandren Ekhemos thaleren poiesat akoitin.
Aus dieser schöpfen Apollod. 3, 10, 6. Paus. 8, 5, 1. Indessen
konnte das auch bei Herakles Thaten, namentlich bei der ersten
Olympien-Feier vorkommen, wie man aus Pindar sieht.
2 6,
52.
3 Beil. 2.
4 Vgl. Paus. 4, 2, 1. mit 5, 17, 4. und
Valcken. Diatr. Eurip. p. 58 sqq.
4 *

Es lag dieſe Geſchichte doch ſchon außer dem Bereiche
der epiſchen Poeſie, ſo daß davon abhaͤngende Ereig-
niſſe, wenn ſie in ihr vorkamen, anders motivirt und
verflochten werden mußten. Keine Hauptklaſſe des
Epos behandelte dieſe Begebenheit ausfuͤhrlich, nicht
die Kykliker, nicht die Noſtoi; in den Heſiodiſchen Eoͤen
ſcheinen nur einige kuͤrzere Stellen geſtanden zu haben 1.
Indeſſen kannte Herodot 2 doch Dichter, welche von der
Einwanderung der Herakliden und Dorier in Lakonien
erzaͤhlten. Es koͤnnen dies erſtens ſolche Epiker gewe-
ſen ſein, welche die Mythen genealogiſch herabfuͤhrten,
wie Kinaethon der Lakone 3 und Aſios, der von He-
rakles Geſchlechte ſprach und nach dem Charakter ſeiner
Gedichte auch von ſeinen Nachkommen ſprechen konnte 4.
Oder es koͤnnen dies ποιηταὶ ἱστορικοὶ geweſen ſein,
nach Art des Korinthier Eumelos, obgleich die von He-
rodot gemeinten wenigſtens nicht wie dieſer Korinthiaka
ſchrieb, eigne Lakonika gedichtet haben koͤnnen, worin
ſie ſonſt der Spartaniſchen Stadtſage haͤtten folgen
muͤſſen; es wich aber dieſe in Betreff der erſten Hera-
klidenfuͤrſten von allen dieſem Schriftſteller bekannten
Dichtern ab, und war nicht die allgemein Helleniſche

1 S. Pauſ. 4, 2, 1. Es ſind noch zwei Stellen des Heſiod,
die zum Heraklidenzug gehoͤren, Schol. Apoll. 1, 824.
Θεσσάμενος γενεὴν Κλεαδαίου κυδαλίμοιο.
deren Zuſammenhang ſehr dunkel iſt, und bei Schol. Pind. O. 11,
79 e cod. Vratisl.
Τιμάνδϱην Ἔχεμος ϑαλεϱὴν ποιήσατ̕ ἄκοιτιν.
Aus dieſer ſchoͤpfen Apollod. 3, 10, 6. Pauſ. 8, 5, 1. Indeſſen
konnte das auch bei Herakles Thaten, namentlich bei der erſten
Olympien-Feier vorkommen, wie man aus Pindar ſieht.
2 6,
52.
3 Beil. 2.
4 Vgl. Pauſ. 4, 2, 1. mit 5, 17, 4. und
Valcken. Diatr. Eurip. p. 58 sqq.
4 *
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[51/0081] Es lag dieſe Geſchichte doch ſchon außer dem Bereiche der epiſchen Poeſie, ſo daß davon abhaͤngende Ereig- niſſe, wenn ſie in ihr vorkamen, anders motivirt und verflochten werden mußten. Keine Hauptklaſſe des Epos behandelte dieſe Begebenheit ausfuͤhrlich, nicht die Kykliker, nicht die Noſtoi; in den Heſiodiſchen Eoͤen ſcheinen nur einige kuͤrzere Stellen geſtanden zu haben 1. Indeſſen kannte Herodot 2 doch Dichter, welche von der Einwanderung der Herakliden und Dorier in Lakonien erzaͤhlten. Es koͤnnen dies erſtens ſolche Epiker gewe- ſen ſein, welche die Mythen genealogiſch herabfuͤhrten, wie Kinaethon der Lakone 3 und Aſios, der von He- rakles Geſchlechte ſprach und nach dem Charakter ſeiner Gedichte auch von ſeinen Nachkommen ſprechen konnte 4. Oder es koͤnnen dies ποιηταὶ ἱστορικοὶ geweſen ſein, nach Art des Korinthier Eumelos, obgleich die von He- rodot gemeinten wenigſtens nicht wie dieſer Korinthiaka ſchrieb, eigne Lakonika gedichtet haben koͤnnen, worin ſie ſonſt der Spartaniſchen Stadtſage haͤtten folgen muͤſſen; es wich aber dieſe in Betreff der erſten Hera- klidenfuͤrſten von allen dieſem Schriftſteller bekannten Dichtern ab, und war nicht die allgemein Helleniſche 1 S. Pauſ. 4, 2, 1. Es ſind noch zwei Stellen des Heſiod, die zum Heraklidenzug gehoͤren, Schol. Apoll. 1, 824. Θεσσάμενος γενεὴν Κλεαδαίου κυδαλίμοιο. deren Zuſammenhang ſehr dunkel iſt, und bei Schol. Pind. O. 11, 79 e cod. Vratisl. Τιμάνδϱην Ἔχεμος ϑαλεϱὴν ποιήσατ̕ ἄκοιτιν. Aus dieſer ſchoͤpfen Apollod. 3, 10, 6. Pauſ. 8, 5, 1. Indeſſen konnte das auch bei Herakles Thaten, namentlich bei der erſten Olympien-Feier vorkommen, wie man aus Pindar ſieht. 2 6, 52. 3 Beil. 2. 4 Vgl. Pauſ. 4, 2, 1. mit 5, 17, 4. und Valcken. Diatr. Eurip. p. 58 sqq. 4 *

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/81>, abgerufen am 09.11.2024.