Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.hen. Denn es kann etwas bewegt seyn, wenn es nicht hen. Denn es kann etwas bewegt ſeyn, wenn es nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="110"/> hen. Denn es kann etwas bewegt ſeyn, wenn es nicht<lb/> mehr in Beruͤhrung iſt mit den Bewegenden. Das Be-<lb/> wegende bewegt naͤmlich einen Theil der Luft, und dieſer<lb/> bewegt einen andern, und ſo bewegen ſich bis zur Ruhe<lb/> Luft und Waſſer. So muß man ſich dieß auch in der Ver-<lb/> aͤnderung denken. Denn das Erwaͤrmte erwaͤrmt das<lb/> Naͤchſte und das geht ſo durch, ſo lange ein Anfang iſt.<lb/> So muß es auch mit dem Organ des Sinnes ſeyn, weil<lb/> die Empfindung als Energie eine Veraͤnderung iſt. Des-<lb/> halb iſt die Leidenſchaft nicht allein in den thaͤtigen ſondern<lb/> auch in den ruhenden Sinnen, ſowohl in der Tiefe als auf<lb/> der Oberflaͤche. Das iſt offenbar, wenn wir etwas anhal-<lb/> tend empfinden, wenn wir naͤmlich den Sinn abwenden von<lb/> Einem zum Andern, wie von der Sonne zum Dunkeln, ſo<lb/> begleitet ihn die Leidenſchaft. Denn nichts ſehen wir dann<lb/> wegen der in den Augen dauernden Erregung durch das<lb/> Licht. Ebenſo, wenn wir eine Farbe weiß oder gruͤn lange<lb/> betrachtet haben, ſo erſcheint alles in dieſen Farben, wohin<lb/> wir den Blick wenden. Wenn wir aber in die Sonne oder<lb/> in ein anderes Blendendes geſehen, und dann die Augén<lb/> ſchließen, ſo erſcheint uns das Bild in der Richtung wir<lb/> zuerſt geſehen (in der Sehachſe), und zwar zuerſt in der-<lb/> ſelben Farbe, dann wirft es ſich ins Gelbe, darauf ins Pur-<lb/> purrothe, bis es zum Schwarzen koͤmmt und verſchwindet.<lb/> Auch denen, die von dem Bewegten, wie von den Fluͤſſen<lb/> beſonders den ſehr ſchnell fließenden den Blick wenden, ſcheint<lb/> das Stehende bewegt zu werden. So wird man ſchwer-<lb/> hoͤrig von ſtarkem Schall und riecht ſchlecht nach ſcharfen<lb/> Geruͤchen, und ſo mit Aehnlichem. Dieß geſchieht offenbar<lb/> auf die angegebene Weiſe. Wie ſchnell aber die Sinnes-<lb/> organe auch die kleinen Unterſchiede wahrnehmen, zeigt<lb/> ſich an den Spiegeln, was ein Aufmerkſamer unterſuchen<lb/> und erwaͤgen mag. Daher iſt auch offenbar, daß, wie das<lb/> Sehen ein Leiden, ſo auch ein Thaͤtigſeyn iſt. Denn wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0126]
hen. Denn es kann etwas bewegt ſeyn, wenn es nicht
mehr in Beruͤhrung iſt mit den Bewegenden. Das Be-
wegende bewegt naͤmlich einen Theil der Luft, und dieſer
bewegt einen andern, und ſo bewegen ſich bis zur Ruhe
Luft und Waſſer. So muß man ſich dieß auch in der Ver-
aͤnderung denken. Denn das Erwaͤrmte erwaͤrmt das
Naͤchſte und das geht ſo durch, ſo lange ein Anfang iſt.
So muß es auch mit dem Organ des Sinnes ſeyn, weil
die Empfindung als Energie eine Veraͤnderung iſt. Des-
halb iſt die Leidenſchaft nicht allein in den thaͤtigen ſondern
auch in den ruhenden Sinnen, ſowohl in der Tiefe als auf
der Oberflaͤche. Das iſt offenbar, wenn wir etwas anhal-
tend empfinden, wenn wir naͤmlich den Sinn abwenden von
Einem zum Andern, wie von der Sonne zum Dunkeln, ſo
begleitet ihn die Leidenſchaft. Denn nichts ſehen wir dann
wegen der in den Augen dauernden Erregung durch das
Licht. Ebenſo, wenn wir eine Farbe weiß oder gruͤn lange
betrachtet haben, ſo erſcheint alles in dieſen Farben, wohin
wir den Blick wenden. Wenn wir aber in die Sonne oder
in ein anderes Blendendes geſehen, und dann die Augén
ſchließen, ſo erſcheint uns das Bild in der Richtung wir
zuerſt geſehen (in der Sehachſe), und zwar zuerſt in der-
ſelben Farbe, dann wirft es ſich ins Gelbe, darauf ins Pur-
purrothe, bis es zum Schwarzen koͤmmt und verſchwindet.
Auch denen, die von dem Bewegten, wie von den Fluͤſſen
beſonders den ſehr ſchnell fließenden den Blick wenden, ſcheint
das Stehende bewegt zu werden. So wird man ſchwer-
hoͤrig von ſtarkem Schall und riecht ſchlecht nach ſcharfen
Geruͤchen, und ſo mit Aehnlichem. Dieß geſchieht offenbar
auf die angegebene Weiſe. Wie ſchnell aber die Sinnes-
organe auch die kleinen Unterſchiede wahrnehmen, zeigt
ſich an den Spiegeln, was ein Aufmerkſamer unterſuchen
und erwaͤgen mag. Daher iſt auch offenbar, daß, wie das
Sehen ein Leiden, ſo auch ein Thaͤtigſeyn iſt. Denn wenn
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