Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.aussagen möchte. In der That thut die Seele so im Zudem werden wir uns ausser dem Traumbilde auch eines Daraus folgt, daß nicht jedes Gesichtsbild im Schlafe ausſagen moͤchte. In der That thut die Seele ſo im Zudem werden wir uns auſſer dem Traumbilde auch eines Daraus folgt, daß nicht jedes Geſichtsbild im Schlafe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="108"/> ausſagen moͤchte. In der That thut die Seele ſo im<lb/> Traum, weil wir eben zu ſehen glauben, daß der Begeg-<lb/> nende ein Menſch und daß er weiß ſey.</p><lb/> <p>Zudem werden wir uns auſſer dem Traumbilde auch eines<lb/> Andern bewußt, wie auch im wachenden Zuſtande, wenn<lb/> wir etwas ſinnlich wahrnehmen. Denn was wir empfin-<lb/> den, daruͤber denken wir auch oft nach. So werden wir<lb/> auch im Schlafe außer den Traumbildern zuweilen auch<lb/> noch anderer Dinge bewußt. Das wird offenbar, wenn<lb/> man beim Aufſtehen auf die Traͤume achtet und ſich ihrer<lb/> zu erinnern ſucht. In der That haben manche ſolche Traͤu-<lb/> me erfahren, wie die, welche nach den Vorſchriften der<lb/> Mnemonik das Vorgekommene topiſch zu ordnen glaub-<lb/> ten. Denn oft geſchah dieſen, daß ſie außer dem Traum<lb/> auch noch ein anderes Phantaſiebild vor den Augen hatten.</p><lb/> <p>Daraus folgt, daß nicht jedes Geſichtsbild im Schlafe<lb/> getraͤumt iſt, und daß, was wir uns ſonſt noch bewußt werden,<lb/> wir vorſtellend bewußt werden. Auch iſt offenbar aus allem dem,<lb/> daß wodurch wir in den Krankheiten wachend uns irren, daſ-<lb/> ſelbe auch im Schlafe die Leidenſchaft ausmache. In der That<lb/> uns, die wir wachen und zuſehen, ſcheint doch die Sonne<lb/> einen Fuß groß zu ſeyn. Uebrigens mag die Einbildungskraft<lb/> (φανταστικὸν) und das Sinnesweſen (αἰσϑητικὸν) eines<lb/> oder daſſelbe der Seele ſeyn, auf keinen Fall iſt jene ganz<lb/> ohne Sehen und Empfinden. Denn falſch hoͤren und falſch<lb/> ſehen iſt deſſen Sache, der wirklich etwas hoͤrt und ſieht,<lb/> nicht aber das, was er glaubt. Im Schlafe ſoll aber nach<lb/> der Vorausſetzung (das Aeußere) weder gehoͤrt, noch ge-<lb/> ſehen, noch irgend etwas (Aeußeres) gefuͤhlt werden. Alſo<lb/> daß wir nichts (Beſtimmtes Aeußeres) ſehen, waͤre wahr<lb/> und doch waͤre unwahr, daß der Sinn (αἴσϑησις) auf kei-<lb/> ne Weiſe afficirt ſey; und ſoll vielmehr das Geſicht und<lb/> die anderen Sinne afficirt ſeyn koͤnnen? Deun jeder von<lb/> dieſen wirkt ſo gut wie Wachen, wenn auch nicht in der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0124]
ausſagen moͤchte. In der That thut die Seele ſo im
Traum, weil wir eben zu ſehen glauben, daß der Begeg-
nende ein Menſch und daß er weiß ſey.
Zudem werden wir uns auſſer dem Traumbilde auch eines
Andern bewußt, wie auch im wachenden Zuſtande, wenn
wir etwas ſinnlich wahrnehmen. Denn was wir empfin-
den, daruͤber denken wir auch oft nach. So werden wir
auch im Schlafe außer den Traumbildern zuweilen auch
noch anderer Dinge bewußt. Das wird offenbar, wenn
man beim Aufſtehen auf die Traͤume achtet und ſich ihrer
zu erinnern ſucht. In der That haben manche ſolche Traͤu-
me erfahren, wie die, welche nach den Vorſchriften der
Mnemonik das Vorgekommene topiſch zu ordnen glaub-
ten. Denn oft geſchah dieſen, daß ſie außer dem Traum
auch noch ein anderes Phantaſiebild vor den Augen hatten.
Daraus folgt, daß nicht jedes Geſichtsbild im Schlafe
getraͤumt iſt, und daß, was wir uns ſonſt noch bewußt werden,
wir vorſtellend bewußt werden. Auch iſt offenbar aus allem dem,
daß wodurch wir in den Krankheiten wachend uns irren, daſ-
ſelbe auch im Schlafe die Leidenſchaft ausmache. In der That
uns, die wir wachen und zuſehen, ſcheint doch die Sonne
einen Fuß groß zu ſeyn. Uebrigens mag die Einbildungskraft
(φανταστικὸν) und das Sinnesweſen (αἰσϑητικὸν) eines
oder daſſelbe der Seele ſeyn, auf keinen Fall iſt jene ganz
ohne Sehen und Empfinden. Denn falſch hoͤren und falſch
ſehen iſt deſſen Sache, der wirklich etwas hoͤrt und ſieht,
nicht aber das, was er glaubt. Im Schlafe ſoll aber nach
der Vorausſetzung (das Aeußere) weder gehoͤrt, noch ge-
ſehen, noch irgend etwas (Aeußeres) gefuͤhlt werden. Alſo
daß wir nichts (Beſtimmtes Aeußeres) ſehen, waͤre wahr
und doch waͤre unwahr, daß der Sinn (αἴσϑησις) auf kei-
ne Weiſe afficirt ſey; und ſoll vielmehr das Geſicht und
die anderen Sinne afficirt ſeyn koͤnnen? Deun jeder von
dieſen wirkt ſo gut wie Wachen, wenn auch nicht in der
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