umherträgt und glaubt. Von diesen beyden Wesen aber denkt sie jedes für sich in seiner besonderen Roheit und Wildheit, wäh- rend sie nur sich gegenseitig sanft beschränkend, bedingend und durchdringend existiren; daher glaubt sie die Festigkeit, da, wo die absolute Unsicherheit und Veränderlichkeit, das Fortschreiten, da, wo ein beruhigtes Auge, wenn über- haupt eine Bewegung, doch nur eine rückschreitende wahr- nimmt.
Bey der Befestigung des Einzelnen durch das Privat- eigenthum, indem man Person und Sache wie an einander nagelt und kreuziget, bliebe immer die Frage: Wozu? bey den reißenden Fortschritten des Ganzen, auch, wenn sie wirk- lich neben jener rohen Befestigung möglich wären, die Frage: Wohin? unbeantwortet. Alles aber wird klar, so bald man beyde gleich wesentliche und noch unter allen Irrthümern sich offenbarende Verlangen, das nach dem Bleiben und das nach der Bewegung, in der Verbindung, in der Durch- drungenheit denkt, und, wenn nunmehr der ruhig bewegte Mensch, einen ruhig bewegten Zustand der Dinge begehrt. Wenn man das Verständniß dieser großen Aufgabe auf kei- nem anderen Wege zu gewinnen weiß, wenn in der Zer- rüttung der irrdischen Dinge das Maaß und Gesetz dieser höchst natürlichen Ordnung nicht zu finden ist, so wende man sich an das große Schema, welches die Gestirne und die Erde, welche unsere ganze Haushaltung trägt, täglich be- schreiben. Dadurch, daß alle Bewegung unseres Lebens auf einen ruhigen Mittelpunct bezogen wird, dadurch beruhigt sich das Ganze, ohne daß irgend eine Bewegung aufgeopfert
umhertraͤgt und glaubt. Von dieſen beyden Weſen aber denkt ſie jedes fuͤr ſich in ſeiner beſonderen Roheit und Wildheit, waͤh- rend ſie nur ſich gegenſeitig ſanft beſchraͤnkend, bedingend und durchdringend exiſtiren; daher glaubt ſie die Feſtigkeit, da, wo die abſolute Unſicherheit und Veraͤnderlichkeit, das Fortſchreiten, da, wo ein beruhigtes Auge, wenn uͤber- haupt eine Bewegung, doch nur eine ruͤckſchreitende wahr- nimmt.
Bey der Befeſtigung des Einzelnen durch das Privat- eigenthum, indem man Perſon und Sache wie an einander nagelt und kreuziget, bliebe immer die Frage: Wozu? bey den reißenden Fortſchritten des Ganzen, auch, wenn ſie wirk- lich neben jener rohen Befeſtigung moͤglich waͤren, die Frage: Wohin? unbeantwortet. Alles aber wird klar, ſo bald man beyde gleich weſentliche und noch unter allen Irrthuͤmern ſich offenbarende Verlangen, das nach dem Bleiben und das nach der Bewegung, in der Verbindung, in der Durch- drungenheit denkt, und, wenn nunmehr der ruhig bewegte Menſch, einen ruhig bewegten Zuſtand der Dinge begehrt. Wenn man das Verſtaͤndniß dieſer großen Aufgabe auf kei- nem anderen Wege zu gewinnen weiß, wenn in der Zer- ruͤttung der irrdiſchen Dinge das Maaß und Geſetz dieſer hoͤchſt natuͤrlichen Ordnung nicht zu finden iſt, ſo wende man ſich an das große Schema, welches die Geſtirne und die Erde, welche unſere ganze Haushaltung traͤgt, taͤglich be- ſchreiben. Dadurch, daß alle Bewegung unſeres Lebens auf einen ruhigen Mittelpunct bezogen wird, dadurch beruhigt ſich das Ganze, ohne daß irgend eine Bewegung aufgeopfert
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umhertraͤgt und glaubt. Von dieſen beyden Weſen aber denkt ſie
jedes fuͤr ſich in ſeiner beſonderen Roheit und Wildheit, waͤh-
rend ſie nur ſich gegenſeitig ſanft beſchraͤnkend, bedingend
und durchdringend exiſtiren; daher glaubt ſie die Feſtigkeit,
da, wo die abſolute Unſicherheit und Veraͤnderlichkeit, das
Fortſchreiten, da, wo ein beruhigtes Auge, wenn uͤber-
haupt eine Bewegung, doch nur eine ruͤckſchreitende wahr-
nimmt.
Bey der Befeſtigung des Einzelnen durch das Privat-
eigenthum, indem man Perſon und Sache wie an einander
nagelt und kreuziget, bliebe immer die Frage: Wozu? bey
den reißenden Fortſchritten des Ganzen, auch, wenn ſie wirk-
lich neben jener rohen Befeſtigung moͤglich waͤren, die Frage:
Wohin? unbeantwortet. Alles aber wird klar, ſo bald man
beyde gleich weſentliche und noch unter allen Irrthuͤmern
ſich offenbarende Verlangen, das nach dem Bleiben und
das nach der Bewegung, in der Verbindung, in der Durch-
drungenheit denkt, und, wenn nunmehr der ruhig bewegte
Menſch, einen ruhig bewegten Zuſtand der Dinge begehrt.
Wenn man das Verſtaͤndniß dieſer großen Aufgabe auf kei-
nem anderen Wege zu gewinnen weiß, wenn in der Zer-
ruͤttung der irrdiſchen Dinge das Maaß und Geſetz dieſer
hoͤchſt natuͤrlichen Ordnung nicht zu finden iſt, ſo wende man
ſich an das große Schema, welches die Geſtirne und die
Erde, welche unſere ganze Haushaltung traͤgt, taͤglich be-
ſchreiben. Dadurch, daß alle Bewegung unſeres Lebens auf
einen ruhigen Mittelpunct bezogen wird, dadurch beruhigt
ſich das Ganze, ohne daß irgend eine Bewegung aufgeopfert
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/74>, abgerufen am 26.11.2024.
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