die Dauer sind, und was sie weiter werden können und sollen. Man verwechsle mit meiner Forderung nicht die gewöhnliche Vorschrift, daß sich der Staatsgelehrte an die Geschichte halten solle: diese Vorschrift sagt weniger als ich verlange, wenn sie nicht vielmehr die historische, das heißt: die künst- lerische Disposition meint, in die sich die Seele versetzen soll, als die eigentlichen niedergeschriebenen Geschichten. In diesem höheren Sinn freylich, kann ich es mir gefallen lassen, wenn man mein ganzes Streben so erklärt, als wollte ich die höchste geschlechtsartige und produktive Durchdringung der Politik und Geschichte, gerade so, wie ich oben von dem Meister einer Kunst die höchste Durchdringung seiner mit den Werkzeugen bewaffneten Arbeit mit dem Material ver- langte.
Wie also eine Welt von wunderbar verschlungenen und concentrirten, sich gegenseitig bedingenden und verbürgenden ökonomischen Verhältnissen, durch alle Stürme und Wechsel der Zeiten hindurch lebe; wie sie sich selbst unter mancherley vorübergehenden Geschlechtern in ihrem Zusammenhang er- halte, indem sie sich nach einem stetigen und natürlichen Ge- setze ewig erneuert, verjüngt und kräftiger befestigt; wie sie dem vorübergehenden Zeugen und Theilnehmer das Schauspiel einer fortschreitenden Bereicherung darbiethet, welches aber nur die Außenseite des großen Gegenstandes ist, indem der wahre und innerliche Gewinn dieser Fortschritte die tiefere Verschlungenheit, und die lebhaftere Wechselwirkung aller Verhältnisse ist, aus denen sie besteht -- dieß ist der Gegen- stand aller Untersuchungen der Nationalökonomie.
die Dauer ſind, und was ſie weiter werden koͤnnen und ſollen. Man verwechsle mit meiner Forderung nicht die gewoͤhnliche Vorſchrift, daß ſich der Staatsgelehrte an die Geſchichte halten ſolle: dieſe Vorſchrift ſagt weniger als ich verlange, wenn ſie nicht vielmehr die hiſtoriſche, das heißt: die kuͤnſt- leriſche Dispoſition meint, in die ſich die Seele verſetzen ſoll, als die eigentlichen niedergeſchriebenen Geſchichten. In dieſem hoͤheren Sinn freylich, kann ich es mir gefallen laſſen, wenn man mein ganzes Streben ſo erklaͤrt, als wollte ich die hoͤchſte geſchlechtsartige und produktive Durchdringung der Politik und Geſchichte, gerade ſo, wie ich oben von dem Meiſter einer Kunſt die hoͤchſte Durchdringung ſeiner mit den Werkzeugen bewaffneten Arbeit mit dem Material ver- langte.
Wie alſo eine Welt von wunderbar verſchlungenen und concentrirten, ſich gegenſeitig bedingenden und verbuͤrgenden oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſen, durch alle Stuͤrme und Wechſel der Zeiten hindurch lebe; wie ſie ſich ſelbſt unter mancherley voruͤbergehenden Geſchlechtern in ihrem Zuſammenhang er- halte, indem ſie ſich nach einem ſtetigen und natuͤrlichen Ge- ſetze ewig erneuert, verjuͤngt und kraͤftiger befeſtigt; wie ſie dem voruͤbergehenden Zeugen und Theilnehmer das Schauſpiel einer fortſchreitenden Bereicherung darbiethet, welches aber nur die Außenſeite des großen Gegenſtandes iſt, indem der wahre und innerliche Gewinn dieſer Fortſchritte die tiefere Verſchlungenheit, und die lebhaftere Wechſelwirkung aller Verhaͤltniſſe iſt, aus denen ſie beſteht — dieß iſt der Gegen- ſtand aller Unterſuchungen der Nationaloͤkonomie.
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die Dauer ſind, und was ſie weiter werden koͤnnen und ſollen.
Man verwechsle mit meiner Forderung nicht die gewoͤhnliche
Vorſchrift, daß ſich der Staatsgelehrte an die Geſchichte
halten ſolle: dieſe Vorſchrift ſagt weniger als ich verlange,
wenn ſie nicht vielmehr die hiſtoriſche, das heißt: die kuͤnſt-
leriſche Dispoſition meint, in die ſich die Seele verſetzen
ſoll, als die eigentlichen niedergeſchriebenen Geſchichten. In
dieſem hoͤheren Sinn freylich, kann ich es mir gefallen laſſen,
wenn man mein ganzes Streben ſo erklaͤrt, als wollte ich
die hoͤchſte geſchlechtsartige und produktive Durchdringung der
Politik und Geſchichte, gerade ſo, wie ich oben von dem
Meiſter einer Kunſt die hoͤchſte Durchdringung ſeiner mit den
Werkzeugen bewaffneten Arbeit mit dem Material ver-
langte.
Wie alſo eine Welt von wunderbar verſchlungenen und
concentrirten, ſich gegenſeitig bedingenden und verbuͤrgenden
oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſen, durch alle Stuͤrme und Wechſel
der Zeiten hindurch lebe; wie ſie ſich ſelbſt unter mancherley
voruͤbergehenden Geſchlechtern in ihrem Zuſammenhang er-
halte, indem ſie ſich nach einem ſtetigen und natuͤrlichen Ge-
ſetze ewig erneuert, verjuͤngt und kraͤftiger befeſtigt; wie ſie
dem voruͤbergehenden Zeugen und Theilnehmer das Schauſpiel
einer fortſchreitenden Bereicherung darbiethet, welches aber
nur die Außenſeite des großen Gegenſtandes iſt, indem der
wahre und innerliche Gewinn dieſer Fortſchritte die tiefere
Verſchlungenheit, und die lebhaftere Wechſelwirkung aller
Verhaͤltniſſe iſt, aus denen ſie beſteht — dieß iſt der Gegen-
ſtand aller Unterſuchungen der Nationaloͤkonomie.
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/68>, abgerufen am 04.05.2024.
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