Metallen abhängig geworden, und daß sie selbige für das eigentliche Geld gehalten hat, nachdem sie das Wesen der Gesellschaft selbst, d. h. die Geldeigenschaft, welche alle Per- sonen und Sachen durch das politische Zusammenwirken ge- winnen, vergessen hatte; ein handgreiflicher Repräsentant des Verkehrs aller früheren Generationen mußte in dem augen- blicklichen Verkehr eines einzelnen Geschlechtes, das der ge- sellschaftlichen Majestät, von der das Gold nur einen Ab- glanz an sich trug, sich nicht mehr bewußt war, noth- wendig eine große Rolle spielen: je mehr man den höheren politischen Maaßstab des Rechts und der Gesetze verloren hatte, um so mehr mußte der metallene Maaßstab, der in tausend- jähriger Abhängigkeit von jenem höheren Maaßstabe sich ge- bildet hatte, nun da er allein stand, unentbehrlich werden.
Nichts desto weniger ist auch in unserer heutigen Haus- haltung der große Umstand nicht zu übersehen, daß das Gold nur durch die Münze erst zum Maaßstabe wird, daß es also eine unendlich schwankende Waare bleibt, bis ein Gesetz, ein Wort ihm befiehlt, daß es für so und so viel gelten soll. Alles Münzen der Welt setzt die Präexistenz eines Maaßstabes voraus: wer münzen will, macht bekannt, daß er ein bestimm- tes Gewicht edeln Metalls so und so theuer bezahle, daß er aus diesem Gewicht so und so viel aliquote Theile eines bereits vorhandenen Maaßstabes ausmünze, und daß dieses Verhältniß des Gewichts der Metalle zu dem vorhandenen Maaßstabe bis auf weiter fest und unverändert verharren soll. Wenn also dermahlen in Oestreich der Wiener Centner
Metallen abhaͤngig geworden, und daß ſie ſelbige fuͤr das eigentliche Geld gehalten hat, nachdem ſie das Weſen der Geſellſchaft ſelbſt, d. h. die Geldeigenſchaft, welche alle Per- ſonen und Sachen durch das politiſche Zuſammenwirken ge- winnen, vergeſſen hatte; ein handgreiflicher Repraͤſentant des Verkehrs aller fruͤheren Generationen mußte in dem augen- blicklichen Verkehr eines einzelnen Geſchlechtes, das der ge- ſellſchaftlichen Majeſtaͤt, von der das Gold nur einen Ab- glanz an ſich trug, ſich nicht mehr bewußt war, noth- wendig eine große Rolle ſpielen: je mehr man den hoͤheren politiſchen Maaßſtab des Rechts und der Geſetze verloren hatte, um ſo mehr mußte der metallene Maaßſtab, der in tauſend- jaͤhriger Abhaͤngigkeit von jenem hoͤheren Maaßſtabe ſich ge- bildet hatte, nun da er allein ſtand, unentbehrlich werden.
Nichts deſto weniger iſt auch in unſerer heutigen Haus- haltung der große Umſtand nicht zu uͤberſehen, daß das Gold nur durch die Muͤnze erſt zum Maaßſtabe wird, daß es alſo eine unendlich ſchwankende Waare bleibt, bis ein Geſetz, ein Wort ihm befiehlt, daß es fuͤr ſo und ſo viel gelten ſoll. Alles Muͤnzen der Welt ſetzt die Praͤexiſtenz eines Maaßſtabes voraus: wer muͤnzen will, macht bekannt, daß er ein beſtimm- tes Gewicht edeln Metalls ſo und ſo theuer bezahle, daß er aus dieſem Gewicht ſo und ſo viel aliquote Theile eines bereits vorhandenen Maaßſtabes ausmuͤnze, und daß dieſes Verhaͤltniß des Gewichts der Metalle zu dem vorhandenen Maaßſtabe bis auf weiter feſt und unveraͤndert verharren ſoll. Wenn alſo dermahlen in Oeſtreich der Wiener Centner
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Metallen abhaͤngig geworden, und daß ſie ſelbige fuͤr das
eigentliche Geld gehalten hat, nachdem ſie das Weſen der
Geſellſchaft ſelbſt, d. h. die Geldeigenſchaft, welche alle Per-
ſonen und Sachen durch das politiſche Zuſammenwirken ge-
winnen, vergeſſen hatte; ein handgreiflicher Repraͤſentant des
Verkehrs aller fruͤheren Generationen mußte in dem augen-
blicklichen Verkehr eines einzelnen Geſchlechtes, das der ge-
ſellſchaftlichen Majeſtaͤt, von der das Gold nur einen Ab-
glanz an ſich trug, ſich nicht mehr bewußt war, noth-
wendig eine große Rolle ſpielen: je mehr man den hoͤheren
politiſchen Maaßſtab des Rechts und der Geſetze verloren hatte,
um ſo mehr mußte der metallene Maaßſtab, der in tauſend-
jaͤhriger Abhaͤngigkeit von jenem hoͤheren Maaßſtabe ſich ge-
bildet hatte, nun da er allein ſtand, unentbehrlich werden.
Nichts deſto weniger iſt auch in unſerer heutigen Haus-
haltung der große Umſtand nicht zu uͤberſehen, daß das Gold
nur durch die Muͤnze erſt zum Maaßſtabe wird, daß es alſo
eine unendlich ſchwankende Waare bleibt, bis ein Geſetz,
ein Wort ihm befiehlt, daß es fuͤr ſo und ſo viel gelten ſoll.
Alles Muͤnzen der Welt ſetzt die Praͤexiſtenz eines Maaßſtabes
voraus: wer muͤnzen will, macht bekannt, daß er ein beſtimm-
tes Gewicht edeln Metalls ſo und ſo theuer bezahle, daß
er aus dieſem Gewicht ſo und ſo viel aliquote Theile eines
bereits vorhandenen Maaßſtabes ausmuͤnze, und daß dieſes
Verhaͤltniß des Gewichts der Metalle zu dem vorhandenen
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ſoll. Wenn alſo dermahlen in Oeſtreich der Wiener Centner
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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