Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

war die Hauptforderung, die ich durch den ganzen bisheri-
gen Lauf meiner Darstellung an meinen Leser machte.

Um so vielmehr muß man sich ihrer und aller Vorstel-
lungen des Gesetzes, die daran hängen, entschlagen, wenn
man die, alle meine bisherigen Sätze verbindende und um-
fassende Behauptung verstehen will, daß nähmlich die Ge-
setzgebung eines christlichen Staates der einzig wesentliche
Reichthum dieses Staates, und daß die Gesetze dieses Staa-
tes mit den bleibenden Richtungen der ökonomischen Thä-
tigkeit, welche die verblendeten Theorien über die handgreif-
lichen Produkte dieser Thätigkeit vergessen haben, eins und
dasselbe sind.

Es mag wenige Rechtslehrer geben in der heutigen
Welt, welche die ursprüngliche Nationalgesetzgebung auszu-
scheiden wissen, von den Römischen Beysätzen und Verdre-
hungen: die Fortschritte des Privatlebens auf Unkosten des
öffentlichen, die Fortschritte des merkantilischen Verkehrs auf
Unkosten der bleibenden Güter, kurz die Neigungen, die Rö-
mischen Gesinnungen der Völker selbst haben diese Corrup-
tion der Gesetzgebung wirksamer herbeygerufen, als es die
Philosophen und Juristen dieses Jahrhunderts je vermochten.
England, tief empfindend, was kein einzelner Britte empfand,
daß man sich gegen die Römische Gesetzgebung sperren müsse,
biethet das einzige genügende Beyspiel dar. Das Brittische
Nationalvermögen stützt sich nicht etwa auf, sondern besteht
in der Gesetzgebung dieses Reiches; darin liegt seine Capital-
kraft: alle Summen, alle Zahlen, alles, womit Brittische
Speicher und Schiffe erfüllt sind, alle äußere Wohlhabenheit

war die Hauptforderung, die ich durch den ganzen bisheri-
gen Lauf meiner Darſtellung an meinen Leſer machte.

Um ſo vielmehr muß man ſich ihrer und aller Vorſtel-
lungen des Geſetzes, die daran haͤngen, entſchlagen, wenn
man die, alle meine bisherigen Saͤtze verbindende und um-
faſſende Behauptung verſtehen will, daß naͤhmlich die Ge-
ſetzgebung eines chriſtlichen Staates der einzig weſentliche
Reichthum dieſes Staates, und daß die Geſetze dieſes Staa-
tes mit den bleibenden Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤ-
tigkeit, welche die verblendeten Theorien uͤber die handgreif-
lichen Produkte dieſer Thaͤtigkeit vergeſſen haben, eins und
dasſelbe ſind.

Es mag wenige Rechtslehrer geben in der heutigen
Welt, welche die urſpruͤngliche Nationalgeſetzgebung auszu-
ſcheiden wiſſen, von den Roͤmiſchen Beyſaͤtzen und Verdre-
hungen: die Fortſchritte des Privatlebens auf Unkoſten des
oͤffentlichen, die Fortſchritte des merkantiliſchen Verkehrs auf
Unkoſten der bleibenden Guͤter, kurz die Neigungen, die Roͤ-
miſchen Geſinnungen der Voͤlker ſelbſt haben dieſe Corrup-
tion der Geſetzgebung wirkſamer herbeygerufen, als es die
Philoſophen und Juriſten dieſes Jahrhunderts je vermochten.
England, tief empfindend, was kein einzelner Britte empfand,
daß man ſich gegen die Roͤmiſche Geſetzgebung ſperren muͤſſe,
biethet das einzige genuͤgende Beyſpiel dar. Das Brittiſche
Nationalvermoͤgen ſtuͤtzt ſich nicht etwa auf, ſondern beſteht
in der Geſetzgebung dieſes Reiches; darin liegt ſeine Capital-
kraft: alle Summen, alle Zahlen, alles, womit Brittiſche
Speicher und Schiffe erfuͤllt ſind, alle aͤußere Wohlhabenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="121"/>
war die Hauptforderung, die ich durch den ganzen bisheri-<lb/>
gen Lauf meiner Dar&#x017F;tellung an meinen Le&#x017F;er machte.</p><lb/>
          <p>Um &#x017F;o vielmehr muß man &#x017F;ich ihrer und aller Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen des Ge&#x017F;etzes, die daran ha&#x0364;ngen, ent&#x017F;chlagen, wenn<lb/>
man die, alle meine bisherigen Sa&#x0364;tze verbindende und um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ende Behauptung ver&#x017F;tehen will, daß na&#x0364;hmlich die Ge-<lb/>
&#x017F;etzgebung eines chri&#x017F;tlichen Staates der einzig we&#x017F;entliche<lb/>
Reichthum die&#x017F;es Staates, und daß die Ge&#x017F;etze die&#x017F;es Staa-<lb/>
tes mit den bleibenden Richtungen der o&#x0364;konomi&#x017F;chen Tha&#x0364;-<lb/>
tigkeit, welche die verblendeten Theorien u&#x0364;ber die handgreif-<lb/>
lichen Produkte die&#x017F;er Tha&#x0364;tigkeit verge&#x017F;&#x017F;en haben, eins und<lb/>
das&#x017F;elbe &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Es mag wenige Rechtslehrer geben in der heutigen<lb/>
Welt, welche die ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Nationalge&#x017F;etzgebung auszu-<lb/>
&#x017F;cheiden wi&#x017F;&#x017F;en, von den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bey&#x017F;a&#x0364;tzen und Verdre-<lb/>
hungen: die Fort&#x017F;chritte des Privatlebens auf Unko&#x017F;ten des<lb/>
o&#x0364;ffentlichen, die Fort&#x017F;chritte des merkantili&#x017F;chen Verkehrs auf<lb/>
Unko&#x017F;ten der bleibenden Gu&#x0364;ter, kurz die Neigungen, die Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;chen Ge&#x017F;innungen der Vo&#x0364;lker &#x017F;elb&#x017F;t haben die&#x017F;e Corrup-<lb/>
tion der Ge&#x017F;etzgebung wirk&#x017F;amer herbeygerufen, als es die<lb/>
Philo&#x017F;ophen und Juri&#x017F;ten die&#x017F;es Jahrhunderts je vermochten.<lb/><placeName>England</placeName>, tief empfindend, was kein einzelner Britte empfand,<lb/>
daß man &#x017F;ich gegen die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Ge&#x017F;etzgebung &#x017F;perren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
biethet das einzige genu&#x0364;gende Bey&#x017F;piel dar. Das Britti&#x017F;che<lb/>
Nationalvermo&#x0364;gen &#x017F;tu&#x0364;tzt &#x017F;ich nicht etwa auf, &#x017F;ondern be&#x017F;teht<lb/>
in der Ge&#x017F;etzgebung die&#x017F;es Reiches; darin liegt &#x017F;eine Capital-<lb/>
kraft: alle Summen, alle Zahlen, alles, womit Britti&#x017F;che<lb/>
Speicher und Schiffe erfu&#x0364;llt &#x017F;ind, alle a&#x0364;ußere Wohlhabenheit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[121/0135] war die Hauptforderung, die ich durch den ganzen bisheri- gen Lauf meiner Darſtellung an meinen Leſer machte. Um ſo vielmehr muß man ſich ihrer und aller Vorſtel- lungen des Geſetzes, die daran haͤngen, entſchlagen, wenn man die, alle meine bisherigen Saͤtze verbindende und um- faſſende Behauptung verſtehen will, daß naͤhmlich die Ge- ſetzgebung eines chriſtlichen Staates der einzig weſentliche Reichthum dieſes Staates, und daß die Geſetze dieſes Staa- tes mit den bleibenden Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤ- tigkeit, welche die verblendeten Theorien uͤber die handgreif- lichen Produkte dieſer Thaͤtigkeit vergeſſen haben, eins und dasſelbe ſind. Es mag wenige Rechtslehrer geben in der heutigen Welt, welche die urſpruͤngliche Nationalgeſetzgebung auszu- ſcheiden wiſſen, von den Roͤmiſchen Beyſaͤtzen und Verdre- hungen: die Fortſchritte des Privatlebens auf Unkoſten des oͤffentlichen, die Fortſchritte des merkantiliſchen Verkehrs auf Unkoſten der bleibenden Guͤter, kurz die Neigungen, die Roͤ- miſchen Geſinnungen der Voͤlker ſelbſt haben dieſe Corrup- tion der Geſetzgebung wirkſamer herbeygerufen, als es die Philoſophen und Juriſten dieſes Jahrhunderts je vermochten. England, tief empfindend, was kein einzelner Britte empfand, daß man ſich gegen die Roͤmiſche Geſetzgebung ſperren muͤſſe, biethet das einzige genuͤgende Beyſpiel dar. Das Brittiſche Nationalvermoͤgen ſtuͤtzt ſich nicht etwa auf, ſondern beſteht in der Geſetzgebung dieſes Reiches; darin liegt ſeine Capital- kraft: alle Summen, alle Zahlen, alles, womit Brittiſche Speicher und Schiffe erfuͤllt ſind, alle aͤußere Wohlhabenheit

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/135
Zitationshilfe:	Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/135>, abgerufen am 05.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.