Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

einwohnen, alle einzelnen Bedürfnisse müssen auf das Bedürf-
niß aller Bedürfnisse gerichtet seyn.

Alle Staatswirthschaft hat also die Bestimmung zwischen
dem Bedürfniß und der Produktion zu vermitteln, d. h. da
das ewige Bedürfniß die Werthe, die augenblickliche Produk-
tion aber die Preise bestimmt, zwischen den Werthen und
Preisen zu vermitteln; beyde, und mit ihnen Zeit und Ewig-
keit seiner Haushaltung im Gleichgewicht zu erhalten.

Jedermann gibt mir zu, daß die Finanzen eines Staates
nicht dirigirt werden können, ohne einen Etat, der so weit
als möglich alle zukünftigen Bedürfnisse umfaßt; aber mit
der Erkenntniß der Etatssumme ist noch nichts erreicht, man
muß kennen die Art wie, die Perioden wann diese Bedürfnisse
eintreten werden, und da sich weder das Bedürfniß eines
Staates, noch die Befriedigung desselben genau vorher berechnen
oder unthätig abwarten läßt, so muß der Finanzminister Ein-
fluß auf die Leitung dieser Bedürfnisse erhalten; er muß
Macht über die Bedürfnisse haben, ganz in demselben Grade,
als er über ihre Befriedigung hat. Aber es sind nicht bloß
die Bestimmungen der auswärtigen Politik, der Krieg,
die Bewaffnung, die Diplomatie, der Welthandel welche die
Natur der Staatsbedürfnisse gewaltig verändern: diese Ver-
änderungen sind vorübergehender Art gegen die tiefergreifenden
Revolutionen der inneren Haushaltung; ein einziges Römisches
Gesetz, welches das absolute Privateigenthum befördert, eine
einzige Verordnung, welche alte angeborne und angeerbte
Unterthänigkeitsverhältnisse aufhebt, vermag die Richtung aller
Bedürfnisse auf den Staatszweck mehr zu zerstören, als alle

einwohnen, alle einzelnen Beduͤrfniſſe muͤſſen auf das Beduͤrf-
niß aller Beduͤrfniſſe gerichtet ſeyn.

Alle Staatswirthſchaft hat alſo die Beſtimmung zwiſchen
dem Beduͤrfniß und der Produktion zu vermitteln, d. h. da
das ewige Beduͤrfniß die Werthe, die augenblickliche Produk-
tion aber die Preiſe beſtimmt, zwiſchen den Werthen und
Preiſen zu vermitteln; beyde, und mit ihnen Zeit und Ewig-
keit ſeiner Haushaltung im Gleichgewicht zu erhalten.

Jedermann gibt mir zu, daß die Finanzen eines Staates
nicht dirigirt werden koͤnnen, ohne einen Etat, der ſo weit
als moͤglich alle zukuͤnftigen Beduͤrfniſſe umfaßt; aber mit
der Erkenntniß der Etatsſumme iſt noch nichts erreicht, man
muß kennen die Art wie, die Perioden wann dieſe Beduͤrfniſſe
eintreten werden, und da ſich weder das Beduͤrfniß eines
Staates, noch die Befriedigung desſelben genau vorher berechnen
oder unthaͤtig abwarten laͤßt, ſo muß der Finanzminiſter Ein-
fluß auf die Leitung dieſer Beduͤrfniſſe erhalten; er muß
Macht uͤber die Beduͤrfniſſe haben, ganz in demſelben Grade,
als er uͤber ihre Befriedigung hat. Aber es ſind nicht bloß
die Beſtimmungen der auswaͤrtigen Politik, der Krieg,
die Bewaffnung, die Diplomatie, der Welthandel welche die
Natur der Staatsbeduͤrfniſſe gewaltig veraͤndern: dieſe Ver-
aͤnderungen ſind voruͤbergehender Art gegen die tiefergreifenden
Revolutionen der inneren Haushaltung; ein einziges Roͤmiſches
Geſetz, welches das abſolute Privateigenthum befoͤrdert, eine
einzige Verordnung, welche alte angeborne und angeerbte
Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe aufhebt, vermag die Richtung aller
Beduͤrfniſſe auf den Staatszweck mehr zu zerſtoͤren, als alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="112"/>
einwohnen, alle einzelnen Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auf das Bedu&#x0364;rf-<lb/>
niß aller Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e gerichtet &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Alle Staatswirth&#x017F;chaft hat al&#x017F;o die Be&#x017F;timmung zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Bedu&#x0364;rfniß und der Produktion zu vermitteln, d. h. da<lb/>
das ewige Bedu&#x0364;rfniß die <hi rendition="#g">Werthe</hi>, die augenblickliche Produk-<lb/>
tion aber die <hi rendition="#g">Prei&#x017F;e</hi> be&#x017F;timmt, zwi&#x017F;chen den Werthen und<lb/>
Prei&#x017F;en zu vermitteln; beyde, und mit ihnen Zeit und Ewig-<lb/>
keit &#x017F;einer Haushaltung im Gleichgewicht zu erhalten.</p><lb/>
          <p>Jedermann gibt mir zu, daß die Finanzen eines Staates<lb/>
nicht dirigirt werden ko&#x0364;nnen, ohne einen Etat, der &#x017F;o weit<lb/>
als mo&#x0364;glich alle zuku&#x0364;nftigen Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e umfaßt; aber mit<lb/>
der Erkenntniß der Etats&#x017F;umme i&#x017F;t noch nichts erreicht, man<lb/>
muß kennen die Art wie, die Perioden wann die&#x017F;e Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
eintreten werden, und da &#x017F;ich weder das Bedu&#x0364;rfniß eines<lb/>
Staates, noch die Befriedigung des&#x017F;elben genau vorher berechnen<lb/>
oder untha&#x0364;tig abwarten la&#x0364;ßt, &#x017F;o muß der Finanzmini&#x017F;ter Ein-<lb/>
fluß auf die Leitung die&#x017F;er Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e erhalten; er muß<lb/>
Macht u&#x0364;ber die Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e haben, ganz in dem&#x017F;elben Grade,<lb/>
als er u&#x0364;ber ihre Befriedigung hat. Aber es &#x017F;ind nicht bloß<lb/>
die Be&#x017F;timmungen der auswa&#x0364;rtigen Politik, der Krieg,<lb/>
die Bewaffnung, die Diplomatie, der Welthandel welche die<lb/>
Natur der Staatsbedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e gewaltig vera&#x0364;ndern: die&#x017F;e Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen &#x017F;ind voru&#x0364;bergehender Art gegen die tiefergreifenden<lb/>
Revolutionen der inneren Haushaltung; ein einziges Ro&#x0364;mi&#x017F;ches<lb/>
Ge&#x017F;etz, welches das ab&#x017F;olute Privateigenthum befo&#x0364;rdert, eine<lb/>
einzige Verordnung, welche alte angeborne und angeerbte<lb/>
Untertha&#x0364;nigkeitsverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e aufhebt, vermag die Richtung aller<lb/>
Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e auf den Staatszweck mehr zu zer&#x017F;to&#x0364;ren, als alle<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0126] einwohnen, alle einzelnen Beduͤrfniſſe muͤſſen auf das Beduͤrf- niß aller Beduͤrfniſſe gerichtet ſeyn. Alle Staatswirthſchaft hat alſo die Beſtimmung zwiſchen dem Beduͤrfniß und der Produktion zu vermitteln, d. h. da das ewige Beduͤrfniß die Werthe, die augenblickliche Produk- tion aber die Preiſe beſtimmt, zwiſchen den Werthen und Preiſen zu vermitteln; beyde, und mit ihnen Zeit und Ewig- keit ſeiner Haushaltung im Gleichgewicht zu erhalten. Jedermann gibt mir zu, daß die Finanzen eines Staates nicht dirigirt werden koͤnnen, ohne einen Etat, der ſo weit als moͤglich alle zukuͤnftigen Beduͤrfniſſe umfaßt; aber mit der Erkenntniß der Etatsſumme iſt noch nichts erreicht, man muß kennen die Art wie, die Perioden wann dieſe Beduͤrfniſſe eintreten werden, und da ſich weder das Beduͤrfniß eines Staates, noch die Befriedigung desſelben genau vorher berechnen oder unthaͤtig abwarten laͤßt, ſo muß der Finanzminiſter Ein- fluß auf die Leitung dieſer Beduͤrfniſſe erhalten; er muß Macht uͤber die Beduͤrfniſſe haben, ganz in demſelben Grade, als er uͤber ihre Befriedigung hat. Aber es ſind nicht bloß die Beſtimmungen der auswaͤrtigen Politik, der Krieg, die Bewaffnung, die Diplomatie, der Welthandel welche die Natur der Staatsbeduͤrfniſſe gewaltig veraͤndern: dieſe Ver- aͤnderungen ſind voruͤbergehender Art gegen die tiefergreifenden Revolutionen der inneren Haushaltung; ein einziges Roͤmiſches Geſetz, welches das abſolute Privateigenthum befoͤrdert, eine einzige Verordnung, welche alte angeborne und angeerbte Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe aufhebt, vermag die Richtung aller Beduͤrfniſſe auf den Staatszweck mehr zu zerſtoͤren, als alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/126
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/126>, abgerufen am 05.05.2024.