Müller-Breslau, Heinrich: Die neueren Methoden der Festigkeitslehre und der Statik der Baukonstruktionen. Leipzig, 1886.wickelte Satz von der Abgeleiteten der Formänderungsarbeit sowie der *) Wir können nicht umhin, an dieser Stelle ein abfälliges Urtheil zu erwähnen, welches Herr Prof. Mohr in der Schrift: Beitrag zur Theorie des Fachwerks (im Civil-Ingenieur 1885) über die Castigliano'schen Sätze ausspricht, und das sich auf die Behauptung stützt, es sei, obgleich zu rich- tigen Ergebnissen führend, bei der Anwendung jener Sätze ein Irrthum, die statisch nicht bestimmbaren Grössen X als die unabhängigen Veränderlichen der Arbeit A aufzufassen, woraus dann u. A. gefolgert wird, es führe der -- zwar als richtig anerkannte -- Satz: d = [Formel 1] bei einem statisch unbestimm- ten Fachwerke nicht zum Ziele. Dabei hat Herr Mohr einmal übersehen, dass man, falls A auf das ganze Fachwerk bezogen wird, und die X als Funktionen der Lasten aufgefasst wer- den sollen, nur nöthig hat, bei der Ausführung der Differentiation die Be- dingungen, denen die X genügen müssen und die auf verschiedenen Wegen gewonnen werden können, zu berücksichtigen, um sofort zu erkennen, dass der Werth d von den nach P gebildeten Differentialquotienten der Grössen X unab- hängig ist; sodann aber scheint Herrn Mohr entgangen zu sein, dass der frag- liche Satz für jeden beliebigen Theil des Fachwerks giltig ist, beispielsweise für das statisch bestimmte Hauptnetz, an dem die Spannkräfte in den überzähligen Stäben als äussere Kräfte anzubringen sind. Betrachtet man nun zunächst den allgemeineren Fall, in welchem sämmtliche überzähligen Stabkräfte und Auflagerkräfte X willkürliche, d. h. unabhängig veränderliche Werthe besitzen und stellt mit Hilfe des Satzes d = [Formel 2] die Verschiebungen der Knotenpunkte als Funktionen der Spannkräfte in den nothwendigen Stäben dar, so erhält man für diese Verschiebungen Ausdrücke, welche für alle endlichen Werthe der Kräfte X giltig sind, in die mithin auch diejenigen besonderen Werthe X eingesetzt werden dürfen, die sich aus den Bedingungen ergeben, an welche einzelne der dargestellten Verschiebungen gebunden sind. Auf diese Weise gelangt man gleichzeitig -- und zwar lediglich mit Hilfe des Satzes d = [Formel 3] -- zu den Elasticitätsgleichungen und zu den gesuchten Verschiebungen; erstere lassen sich, falls die Auflagerkräfte bei der Form- änderung keine Arbeit leisten, auch in dem Satze zusammenfassen: es müssen die Grössen X die Formänderungsarbeit des Hauptnetzes, vermehrt um die auf die überzähligen Stäbe sich beziehende Arbeit: [Formel 4] , zu einem Minimum machen. -- In unserem Buche zogen wir es vor, beide Sätze Castigliano's aus einer allgemeineren Arbeitsgleichung zu folgern; vergl. § 12. **) Man sehe auch: Comptes rendus, 1884, S. 174.
wickelte Satz von der Abgeleiteten der Formänderungsarbeit sowie der *) Wir können nicht umhin, an dieser Stelle ein abfälliges Urtheil zu erwähnen, welches Herr Prof. Mohr in der Schrift: Beitrag zur Theorie des Fachwerks (im Civil-Ingenieur 1885) über die Castigliano’schen Sätze ausspricht, und das sich auf die Behauptung stützt, es sei, obgleich zu rich- tigen Ergebnissen führend, bei der Anwendung jener Sätze ein Irrthum, die statisch nicht bestimmbaren Grössen X als die unabhängigen Veränderlichen der Arbeit A aufzufassen, woraus dann u. A. gefolgert wird, es führe der — zwar als richtig anerkannte — Satz: δ = [Formel 1] bei einem statisch unbestimm- ten Fachwerke nicht zum Ziele. Dabei hat Herr Mohr einmal übersehen, dass man, falls A auf das ganze Fachwerk bezogen wird, und die X als Funktionen der Lasten aufgefasst wer- den sollen, nur nöthig hat, bei der Ausführung der Differentiation die Be- dingungen, denen die X genügen müssen und die auf verschiedenen Wegen gewonnen werden können, zu berücksichtigen, um sofort zu erkennen, dass der Werth δ von den nach P gebildeten Differentialquotienten der Grössen X unab- hängig ist; sodann aber scheint Herrn Mohr entgangen zu sein, dass der frag- liche Satz für jeden beliebigen Theil des Fachwerks giltig ist, beispielsweise für das statisch bestimmte Hauptnetz, an dem die Spannkräfte in den überzähligen Stäben als äussere Kräfte anzubringen sind. Betrachtet man nun zunächst den allgemeineren Fall, in welchem sämmtliche überzähligen Stabkräfte und Auflagerkräfte X willkürliche, d. h. unabhängig veränderliche Werthe besitzen und stellt mit Hilfe des Satzes δ = [Formel 2] die Verschiebungen der Knotenpunkte als Funktionen der Spannkräfte in den nothwendigen Stäben dar, so erhält man für diese Verschiebungen Ausdrücke, welche für alle endlichen Werthe der Kräfte X giltig sind, in die mithin auch diejenigen besonderen Werthe X eingesetzt werden dürfen, die sich aus den Bedingungen ergeben, an welche einzelne der dargestellten Verschiebungen gebunden sind. Auf diese Weise gelangt man gleichzeitig — und zwar lediglich mit Hilfe des Satzes δ = [Formel 3] — zu den Elasticitätsgleichungen und zu den gesuchten Verschiebungen; erstere lassen sich, falls die Auflagerkräfte bei der Form- änderung keine Arbeit leisten, auch in dem Satze zusammenfassen: es müssen die Grössen X die Formänderungsarbeit des Hauptnetzes, vermehrt um die auf die überzähligen Stäbe sich beziehende Arbeit: [Formel 4] , zu einem Minimum machen. — In unserem Buche zogen wir es vor, beide Sätze Castigliano’s aus einer allgemeineren Arbeitsgleichung zu folgern; vergl. § 12. **) Man sehe auch: Comptes rendus, 1884, S. 174.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0200" n="188"/> wickelte Satz von der Abgeleiteten der Formänderungsarbeit sowie der<lb/> aus diesem folgende Satz von der kleinsten Formänderungsarbeit stehen.<note place="foot" n="*)">Wir können nicht umhin, an dieser Stelle ein abfälliges Urtheil zu<lb/> erwähnen, welches Herr Prof. <hi rendition="#g">Mohr</hi> in der Schrift: <hi rendition="#g">Beitrag zur Theorie<lb/> des Fachwerks</hi> (im Civil-Ingenieur 1885) über die Castigliano’schen Sätze<lb/> ausspricht, und das sich auf die Behauptung stützt, es sei, obgleich zu rich-<lb/> tigen Ergebnissen führend, bei der Anwendung jener Sätze ein Irrthum, die<lb/> statisch nicht bestimmbaren Grössen <hi rendition="#i">X</hi> als die unabhängigen Veränderlichen<lb/> der Arbeit <hi rendition="#i">A</hi> aufzufassen, woraus dann u. A. gefolgert wird, es führe der —<lb/> zwar als richtig anerkannte — Satz: δ = <formula/> bei einem statisch unbestimm-<lb/> ten Fachwerke nicht zum Ziele.<lb/> Dabei hat Herr <hi rendition="#g">Mohr</hi> einmal übersehen, dass man, falls <hi rendition="#i">A</hi> auf das ganze<lb/> Fachwerk bezogen wird, und die <hi rendition="#i">X</hi> als Funktionen der Lasten aufgefasst wer-<lb/> den sollen, nur nöthig hat, bei der Ausführung der Differentiation die Be-<lb/> dingungen, denen die <hi rendition="#i">X</hi> genügen müssen und die auf verschiedenen Wegen<lb/> gewonnen werden können, zu berücksichtigen, um sofort zu erkennen, dass der<lb/> Werth δ von den nach <hi rendition="#i">P</hi> gebildeten Differentialquotienten der Grössen <hi rendition="#i">X</hi> unab-<lb/> hängig ist; sodann aber scheint Herrn <hi rendition="#g">Mohr</hi> entgangen zu sein, dass der frag-<lb/> liche Satz für jeden beliebigen Theil des Fachwerks giltig ist, beispielsweise für<lb/> das statisch bestimmte Hauptnetz, an dem die Spannkräfte in den überzähligen<lb/> Stäben als äussere Kräfte anzubringen sind. Betrachtet man nun zunächst<lb/> den <hi rendition="#g">allgemeineren</hi> Fall, in welchem sämmtliche überzähligen Stabkräfte<lb/> und Auflagerkräfte <hi rendition="#i">X</hi> <hi rendition="#g">willkürliche, d. h. unabhängig veränderliche</hi><lb/> Werthe besitzen und stellt mit Hilfe des Satzes δ = <formula/> die Verschiebungen<lb/> der Knotenpunkte als Funktionen der Spannkräfte in den <hi rendition="#g">nothwendigen</hi><lb/> Stäben dar, so erhält man für diese Verschiebungen Ausdrücke, welche für<lb/><hi rendition="#g">alle</hi> endlichen Werthe der Kräfte <hi rendition="#i">X</hi> giltig sind, in die mithin auch diejenigen<lb/><hi rendition="#g">besonderen</hi> Werthe <hi rendition="#i">X</hi> eingesetzt werden dürfen, die sich aus den Bedingungen<lb/> ergeben, an welche einzelne der dargestellten Verschiebungen gebunden sind.<lb/> Auf diese Weise gelangt man gleichzeitig — und zwar lediglich mit Hilfe<lb/> des Satzes δ = <formula/> — zu den Elasticitätsgleichungen und zu den gesuchten<lb/> Verschiebungen; erstere lassen sich, falls die Auflagerkräfte bei der Form-<lb/> änderung keine Arbeit leisten, auch in dem Satze zusammenfassen: es müssen<lb/> die Grössen <hi rendition="#i">X</hi> die Formänderungsarbeit des Hauptnetzes, vermehrt um die<lb/> auf die überzähligen Stäbe sich beziehende Arbeit: <formula/>, zu einem Minimum<lb/> machen. — In unserem Buche zogen wir es vor, beide Sätze Castigliano’s aus<lb/> einer allgemeineren Arbeitsgleichung zu folgern; vergl. § 12.</note><lb/> Den letzteren Satz gab bereits früher <hi rendition="#g">Menabrea</hi> in der Abhandlung:<lb/> „Nouveau principe sur la distribution des tensions dans les systèmes<lb/> élastiques“ [Comptes rendus 1858, I, S. 1056]<note place="foot" n="**)">Man sehe auch: Comptes rendus, 1884, S. 174.</note> und, ohne die Arbeiten<lb/> seiner Vorgänger zu kennen, <hi rendition="#g">Fränkel</hi> (1882) in der Zeitschrift des<lb/> Architekten- u. Ingenieur-Vereins zu Hannover.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0200]
wickelte Satz von der Abgeleiteten der Formänderungsarbeit sowie der
aus diesem folgende Satz von der kleinsten Formänderungsarbeit stehen. *)
Den letzteren Satz gab bereits früher Menabrea in der Abhandlung:
„Nouveau principe sur la distribution des tensions dans les systèmes
élastiques“ [Comptes rendus 1858, I, S. 1056] **) und, ohne die Arbeiten
seiner Vorgänger zu kennen, Fränkel (1882) in der Zeitschrift des
Architekten- u. Ingenieur-Vereins zu Hannover.
*) Wir können nicht umhin, an dieser Stelle ein abfälliges Urtheil zu
erwähnen, welches Herr Prof. Mohr in der Schrift: Beitrag zur Theorie
des Fachwerks (im Civil-Ingenieur 1885) über die Castigliano’schen Sätze
ausspricht, und das sich auf die Behauptung stützt, es sei, obgleich zu rich-
tigen Ergebnissen führend, bei der Anwendung jener Sätze ein Irrthum, die
statisch nicht bestimmbaren Grössen X als die unabhängigen Veränderlichen
der Arbeit A aufzufassen, woraus dann u. A. gefolgert wird, es führe der —
zwar als richtig anerkannte — Satz: δ = [FORMEL] bei einem statisch unbestimm-
ten Fachwerke nicht zum Ziele.
Dabei hat Herr Mohr einmal übersehen, dass man, falls A auf das ganze
Fachwerk bezogen wird, und die X als Funktionen der Lasten aufgefasst wer-
den sollen, nur nöthig hat, bei der Ausführung der Differentiation die Be-
dingungen, denen die X genügen müssen und die auf verschiedenen Wegen
gewonnen werden können, zu berücksichtigen, um sofort zu erkennen, dass der
Werth δ von den nach P gebildeten Differentialquotienten der Grössen X unab-
hängig ist; sodann aber scheint Herrn Mohr entgangen zu sein, dass der frag-
liche Satz für jeden beliebigen Theil des Fachwerks giltig ist, beispielsweise für
das statisch bestimmte Hauptnetz, an dem die Spannkräfte in den überzähligen
Stäben als äussere Kräfte anzubringen sind. Betrachtet man nun zunächst
den allgemeineren Fall, in welchem sämmtliche überzähligen Stabkräfte
und Auflagerkräfte X willkürliche, d. h. unabhängig veränderliche
Werthe besitzen und stellt mit Hilfe des Satzes δ = [FORMEL] die Verschiebungen
der Knotenpunkte als Funktionen der Spannkräfte in den nothwendigen
Stäben dar, so erhält man für diese Verschiebungen Ausdrücke, welche für
alle endlichen Werthe der Kräfte X giltig sind, in die mithin auch diejenigen
besonderen Werthe X eingesetzt werden dürfen, die sich aus den Bedingungen
ergeben, an welche einzelne der dargestellten Verschiebungen gebunden sind.
Auf diese Weise gelangt man gleichzeitig — und zwar lediglich mit Hilfe
des Satzes δ = [FORMEL] — zu den Elasticitätsgleichungen und zu den gesuchten
Verschiebungen; erstere lassen sich, falls die Auflagerkräfte bei der Form-
änderung keine Arbeit leisten, auch in dem Satze zusammenfassen: es müssen
die Grössen X die Formänderungsarbeit des Hauptnetzes, vermehrt um die
auf die überzähligen Stäbe sich beziehende Arbeit: [FORMEL], zu einem Minimum
machen. — In unserem Buche zogen wir es vor, beide Sätze Castigliano’s aus
einer allgemeineren Arbeitsgleichung zu folgern; vergl. § 12.
**) Man sehe auch: Comptes rendus, 1884, S. 174.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |