Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gegnete beruhigend der Professor. Dieselbe Erscheinung hab' ich auch gehabt, und was noch mehr ist, der Marquis selbst hat kurz vor seinem Tode diesen seinen Doppelgänger gesehn. Aengstigen Sie sich darüber nicht. Unser guter alter Herr ist in seinem seltsamen Anzuge den Römern aufgefallen, und da hat Einer den tollen Streich gemacht, ihn für das Carneval zu copiren. Das ist so gewiß, wie zwei mal zwei nicht mehr als vier. Aber freilich ist der Spaß dieses Mal sehr ernst abgelaufen. Denn ich bleibe dabei, daß der Schreck über die plötzliche Erscheinung seines Doppelgängers auf dem spanischen Platze den Marquis getödtet hat. Der Name Floridias hatte ihn zwar vorher ein wenig erschüttert, aber der eigentliche Schlag kam von einer andern Seite her. Ihre Erzählung, fiel Arthur ein, macht die Sache noch bedeutungsvoller und unbegreiflicher. Aber um Gottes willen, mein lieber Doctor, fuhr der Andre mit steigender Lebendigkeit fort, wie können Sie so abergläubisch sein? Ich gestehe Ihnen zu, daß eine solche Erscheinung einen im ersten Moment betroffen machen kann; aber damit muß auch alles abgethan sein. Was würde Der da sagen, wenn er Sie so sprechen hörte? Arthur wandte bei diesen Worten seine Augen auf das Gesicht des Marquis, dem der Tod den gespannten und peinlichen Ausdruck seiner reizbaren Empfindlichkeit wiedergegeben hatte, und so schien es gegnete beruhigend der Professor. Dieselbe Erscheinung hab' ich auch gehabt, und was noch mehr ist, der Marquis selbst hat kurz vor seinem Tode diesen seinen Doppelgänger gesehn. Aengstigen Sie sich darüber nicht. Unser guter alter Herr ist in seinem seltsamen Anzuge den Römern aufgefallen, und da hat Einer den tollen Streich gemacht, ihn für das Carneval zu copiren. Das ist so gewiß, wie zwei mal zwei nicht mehr als vier. Aber freilich ist der Spaß dieses Mal sehr ernst abgelaufen. Denn ich bleibe dabei, daß der Schreck über die plötzliche Erscheinung seines Doppelgängers auf dem spanischen Platze den Marquis getödtet hat. Der Name Floridias hatte ihn zwar vorher ein wenig erschüttert, aber der eigentliche Schlag kam von einer andern Seite her. Ihre Erzählung, fiel Arthur ein, macht die Sache noch bedeutungsvoller und unbegreiflicher. Aber um Gottes willen, mein lieber Doctor, fuhr der Andre mit steigender Lebendigkeit fort, wie können Sie so abergläubisch sein? Ich gestehe Ihnen zu, daß eine solche Erscheinung einen im ersten Moment betroffen machen kann; aber damit muß auch alles abgethan sein. Was würde Der da sagen, wenn er Sie so sprechen hörte? Arthur wandte bei diesen Worten seine Augen auf das Gesicht des Marquis, dem der Tod den gespannten und peinlichen Ausdruck seiner reizbaren Empfindlichkeit wiedergegeben hatte, und so schien es <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <p><pb facs="#f0092"/> gegnete beruhigend der Professor. Dieselbe Erscheinung hab' ich auch gehabt, und was noch mehr ist, der Marquis selbst hat kurz vor seinem Tode diesen seinen Doppelgänger gesehn. Aengstigen Sie sich darüber nicht. Unser guter alter Herr ist in seinem seltsamen Anzuge den Römern aufgefallen, und da hat Einer den tollen Streich gemacht, ihn für das Carneval zu copiren. Das ist so gewiß, wie zwei mal zwei nicht mehr als vier. Aber freilich ist der Spaß dieses Mal sehr ernst abgelaufen. Denn ich bleibe dabei, daß der Schreck über die plötzliche Erscheinung seines Doppelgängers auf dem spanischen Platze den Marquis getödtet hat. Der Name Floridias hatte ihn zwar vorher ein wenig erschüttert, aber der eigentliche Schlag kam von einer andern Seite her.</p><lb/> <p>Ihre Erzählung, fiel Arthur ein, macht die Sache noch bedeutungsvoller und unbegreiflicher.</p><lb/> <p>Aber um Gottes willen, mein lieber Doctor, fuhr der Andre mit steigender Lebendigkeit fort, wie können Sie so abergläubisch sein? Ich gestehe Ihnen zu, daß eine solche Erscheinung einen im ersten Moment betroffen machen kann; aber damit muß auch alles abgethan sein. Was würde Der da sagen, wenn er Sie so sprechen hörte?</p><lb/> <p>Arthur wandte bei diesen Worten seine Augen auf das Gesicht des Marquis, dem der Tod den gespannten und peinlichen Ausdruck seiner reizbaren Empfindlichkeit wiedergegeben hatte, und so schien es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
gegnete beruhigend der Professor. Dieselbe Erscheinung hab' ich auch gehabt, und was noch mehr ist, der Marquis selbst hat kurz vor seinem Tode diesen seinen Doppelgänger gesehn. Aengstigen Sie sich darüber nicht. Unser guter alter Herr ist in seinem seltsamen Anzuge den Römern aufgefallen, und da hat Einer den tollen Streich gemacht, ihn für das Carneval zu copiren. Das ist so gewiß, wie zwei mal zwei nicht mehr als vier. Aber freilich ist der Spaß dieses Mal sehr ernst abgelaufen. Denn ich bleibe dabei, daß der Schreck über die plötzliche Erscheinung seines Doppelgängers auf dem spanischen Platze den Marquis getödtet hat. Der Name Floridias hatte ihn zwar vorher ein wenig erschüttert, aber der eigentliche Schlag kam von einer andern Seite her.
Ihre Erzählung, fiel Arthur ein, macht die Sache noch bedeutungsvoller und unbegreiflicher.
Aber um Gottes willen, mein lieber Doctor, fuhr der Andre mit steigender Lebendigkeit fort, wie können Sie so abergläubisch sein? Ich gestehe Ihnen zu, daß eine solche Erscheinung einen im ersten Moment betroffen machen kann; aber damit muß auch alles abgethan sein. Was würde Der da sagen, wenn er Sie so sprechen hörte?
Arthur wandte bei diesen Worten seine Augen auf das Gesicht des Marquis, dem der Tod den gespannten und peinlichen Ausdruck seiner reizbaren Empfindlichkeit wiedergegeben hatte, und so schien es
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/92>, abgerufen am 16.07.2024. |