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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Anspruch zu nehmen. Debora sollte alsdann nach einem Kloster gebracht, in dem Christenthume weiter unterrichtet und hernach öffentlich getauft werden. Seine Hoffnungen flogen zwar noch weiter in die Zukunft hinaus, aber die ernste und heilige Aufgabe, deren Lösung das Schicksal ihm auf eine wunderbar dringende Weise vorgelegt hatte, ließ ihn nicht lange mit eitlen Liebesträumereien spielen. Denn je deutlicher er jetzt den Weg zu erkennen glaubte, auf welchem die göttliche Vorsehung, und nicht die Laune des Zufalls, ihn seit der Abreise von Berlin zu seinem großen Berufe geleitet hatte, desto tiefer mußte er auch die Verpflichtung empfinden, sich nicht durch eigene Nebenzwecke von demselben ablenken zu lassen. Er fühlte sich stärker und klarer in dem ungetheilten Blicke auf dieses Ziel, er konnte wieder mit inbrünstiger Andacht beten, seitdem er es dem Himmel sagen konnte, was ihm fehle und wonach er verlange, und die folgende Nacht schloß zwar seine Augen zu keinem Schlummer, aber sie blieb doch ungestört von wachen Träumen und schlaftrunkenen Phantasieen.

Mit gehaltener Sehnsucht erwartete Arthur den Anbruch des verhängnißvollen Morgens und erhob sich mit den ersten Strahlen der Sonne von seinem Lager. Er schlich mit leisen Schritten die Treppe hinunter und zu der Thüre hinaus, um durch den geschwätzigen Gruß des alten Cecco nicht in seiner feierlichen Stimmung unterbrochen zu werden. So

Anspruch zu nehmen. Debora sollte alsdann nach einem Kloster gebracht, in dem Christenthume weiter unterrichtet und hernach öffentlich getauft werden. Seine Hoffnungen flogen zwar noch weiter in die Zukunft hinaus, aber die ernste und heilige Aufgabe, deren Lösung das Schicksal ihm auf eine wunderbar dringende Weise vorgelegt hatte, ließ ihn nicht lange mit eitlen Liebesträumereien spielen. Denn je deutlicher er jetzt den Weg zu erkennen glaubte, auf welchem die göttliche Vorsehung, und nicht die Laune des Zufalls, ihn seit der Abreise von Berlin zu seinem großen Berufe geleitet hatte, desto tiefer mußte er auch die Verpflichtung empfinden, sich nicht durch eigene Nebenzwecke von demselben ablenken zu lassen. Er fühlte sich stärker und klarer in dem ungetheilten Blicke auf dieses Ziel, er konnte wieder mit inbrünstiger Andacht beten, seitdem er es dem Himmel sagen konnte, was ihm fehle und wonach er verlange, und die folgende Nacht schloß zwar seine Augen zu keinem Schlummer, aber sie blieb doch ungestört von wachen Träumen und schlaftrunkenen Phantasieen.

Mit gehaltener Sehnsucht erwartete Arthur den Anbruch des verhängnißvollen Morgens und erhob sich mit den ersten Strahlen der Sonne von seinem Lager. Er schlich mit leisen Schritten die Treppe hinunter und zu der Thüre hinaus, um durch den geschwätzigen Gruß des alten Cecco nicht in seiner feierlichen Stimmung unterbrochen zu werden. So

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[0135] Anspruch zu nehmen. Debora sollte alsdann nach einem Kloster gebracht, in dem Christenthume weiter unterrichtet und hernach öffentlich getauft werden. Seine Hoffnungen flogen zwar noch weiter in die Zukunft hinaus, aber die ernste und heilige Aufgabe, deren Lösung das Schicksal ihm auf eine wunderbar dringende Weise vorgelegt hatte, ließ ihn nicht lange mit eitlen Liebesträumereien spielen. Denn je deutlicher er jetzt den Weg zu erkennen glaubte, auf welchem die göttliche Vorsehung, und nicht die Laune des Zufalls, ihn seit der Abreise von Berlin zu seinem großen Berufe geleitet hatte, desto tiefer mußte er auch die Verpflichtung empfinden, sich nicht durch eigene Nebenzwecke von demselben ablenken zu lassen. Er fühlte sich stärker und klarer in dem ungetheilten Blicke auf dieses Ziel, er konnte wieder mit inbrünstiger Andacht beten, seitdem er es dem Himmel sagen konnte, was ihm fehle und wonach er verlange, und die folgende Nacht schloß zwar seine Augen zu keinem Schlummer, aber sie blieb doch ungestört von wachen Träumen und schlaftrunkenen Phantasieen. Mit gehaltener Sehnsucht erwartete Arthur den Anbruch des verhängnißvollen Morgens und erhob sich mit den ersten Strahlen der Sonne von seinem Lager. Er schlich mit leisen Schritten die Treppe hinunter und zu der Thüre hinaus, um durch den geschwätzigen Gruß des alten Cecco nicht in seiner feierlichen Stimmung unterbrochen zu werden. So

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/135>, abgerufen am 06.05.2024.