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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Geistliche Gedichte und Lieder.
Jtzt strent er Körner aus/ itzt läst er Vögel singen/
Die laden ihn noch auf zu ihrem Keffich ein.
Jtzt baut er eine Hütt' itzt leget er die Schlingen
Und pfeifft so lang ein Lied/ biß sie bethöret seyn.
Nicht anders hat uns auch der Laster Schaar umbgeben/
Jedwedem stellt der Tod mit seinen Netzen nach/
Und wer sich durch den Sprung will übern Strick erheben/
Derselbe stürtzet sich gar in der Höllen-Bach.
Das Siebende Capitel Hiobs.
HAt nicht der arme Mensch mit Feinden stets zu thun!
Wie muß er doch im Zanck und argem Streite leben.
Hier hat ihn Fleisch und Blut verrätherisch umbgeben/
Dort kan er vor dem Feind der Finsternüß nicht ruhn.
Die Welt tritt auch mit an und seine gantze Tage
Sind Tagelöhnern gleich/ nie ohne Müh und Plage.
Wie sehnlich wünscht ein Knecht des Abends-Schatten Streiff/
Ein Tagelöhner hofft der schweren Arbeit Ende.
Wie hab ich doch umbsonst die Wercke meiner Hände/
Nach Monaten erfüllt; elender Nächte Reiff
Und rauhe Witterung vergebens ausgestanden/
Weil keine Linderung der Trangsal war vorhanden.
Wenn ich mich erst gelegt/ so sprach ich schon bey mir:
Wenn wach ich wieder auff/ und geh aus meinem Bette?
Dann rechnet ich genau/ wie viel ich Stunden hätte/
Eh als die Nacht einfiel; denn ich zum Scheusel schier
Bey lichtem Tage war/ biß Finsternüß entstunde/
Und mich der blöden Angst die Dunckelheit entbunde.
Mein Fleisch ist umb und umb durchfressen durch den Wurm/
Und kothicher Gestanck klebt auf den dürren Knochen.
Die Haut ist Eiter voll und schrumpffich eingekrochen;
Ja ich bin gantz zernicht. O grauser Unglücks-Sturm!
Und meine Tage sind so schnell dahin geflogen/
Als wie ein Weberspul wird plötzlich durchgezogen.
Weil da kein Halten war/ so giengen sie darvon.
Gedencke/ daß mein Rest des Lebens Wind ist worden/
Und meine Augen nicht mehr kommen zu dem Orden
Der diß was gut/ beschaut. Es sieht mich ohne Hohn
Kein lebend Auge mehr/ und kan mich auch nicht sehen:
Du aber siehest mich. Was wird mir noch geschehen.
Die
B b b b b b
Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jtzt ſtrent er Koͤrner aus/ itzt laͤſt er Voͤgel ſingen/
Die laden ihn noch auf zu ihrem Keffich ein.
Jtzt baut er eine Huͤtt’ itzt leget er die Schlingen
Und pfeifft ſo lang ein Lied/ biß ſie bethoͤret ſeyn.
Nicht anders hat uns auch der Laſter Schaar umbgeben/
Jedwedem ſtellt der Tod mit ſeinen Netzen nach/
Und wer ſich durch den Sprung will uͤbern Strick erheben/
Derſelbe ſtuͤrtzet ſich gar in der Hoͤllen-Bach.
Das Siebende Capitel Hiobs.
HAt nicht der arme Menſch mit Feinden ſtets zu thun!
Wie muß er doch im Zanck und argem Streite leben.
Hier hat ihn Fleiſch und Blut verraͤtheriſch umbgeben/
Dort kan er vor dem Feind der Finſternuͤß nicht ruhn.
Die Welt tritt auch mit an und ſeine gantze Tage
Sind Tageloͤhnern gleich/ nie ohne Muͤh und Plage.
Wie ſehnlich wuͤnſcht ein Knecht des Abends-Schatten Streiff/
Ein Tageloͤhner hofft der ſchweren Arbeit Ende.
Wie hab ich doch umbſonſt die Wercke meiner Haͤnde/
Nach Monaten erfuͤllt; elender Naͤchte Reiff
Und rauhe Witterung vergebens ausgeſtanden/
Weil keine Linderung der Trangſal war vorhanden.
Wenn ich mich erſt gelegt/ ſo ſprach ich ſchon bey mir:
Wenn wach ich wieder auff/ und geh aus meinem Bette?
Dann rechnet ich genau/ wie viel ich Stunden haͤtte/
Eh als die Nacht einfiel; denn ich zum Scheuſel ſchier
Bey lichtem Tage war/ biß Finſternuͤß entſtunde/
Und mich der bloͤden Angſt die Dunckelheit entbunde.
Mein Fleiſch iſt umb und umb durchfreſſen durch den Wurm/
Und kothicher Geſtanck klebt auf den duͤrren Knochen.
Die Haut iſt Eiter voll und ſchrumpffich eingekrochen;
Ja ich bin gantz zernicht. O grauſer Ungluͤcks-Sturm!
Und meine Tage ſind ſo ſchnell dahin geflogen/
Als wie ein Weberſpul wird ploͤtzlich durchgezogen.
Weil da kein Halten war/ ſo giengen ſie darvon.
Gedencke/ daß mein Reſt des Lebens Wind iſt worden/
Und meine Augen nicht mehr kommen zu dem Orden
Der diß was gut/ beſchaut. Es ſieht mich ohne Hohn
Kein lebend Auge mehr/ und kan mich auch nicht ſehen:
Du aber ſieheſt mich. Was wird mir noch geſchehen.
Die
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[17/0745] Geiſtliche Gedichte und Lieder. Jtzt ſtrent er Koͤrner aus/ itzt laͤſt er Voͤgel ſingen/ Die laden ihn noch auf zu ihrem Keffich ein. Jtzt baut er eine Huͤtt’ itzt leget er die Schlingen Und pfeifft ſo lang ein Lied/ biß ſie bethoͤret ſeyn. Nicht anders hat uns auch der Laſter Schaar umbgeben/ Jedwedem ſtellt der Tod mit ſeinen Netzen nach/ Und wer ſich durch den Sprung will uͤbern Strick erheben/ Derſelbe ſtuͤrtzet ſich gar in der Hoͤllen-Bach. Das Siebende Capitel Hiobs. HAt nicht der arme Menſch mit Feinden ſtets zu thun! Wie muß er doch im Zanck und argem Streite leben. Hier hat ihn Fleiſch und Blut verraͤtheriſch umbgeben/ Dort kan er vor dem Feind der Finſternuͤß nicht ruhn. Die Welt tritt auch mit an und ſeine gantze Tage Sind Tageloͤhnern gleich/ nie ohne Muͤh und Plage. Wie ſehnlich wuͤnſcht ein Knecht des Abends-Schatten Streiff/ Ein Tageloͤhner hofft der ſchweren Arbeit Ende. Wie hab ich doch umbſonſt die Wercke meiner Haͤnde/ Nach Monaten erfuͤllt; elender Naͤchte Reiff Und rauhe Witterung vergebens ausgeſtanden/ Weil keine Linderung der Trangſal war vorhanden. Wenn ich mich erſt gelegt/ ſo ſprach ich ſchon bey mir: Wenn wach ich wieder auff/ und geh aus meinem Bette? Dann rechnet ich genau/ wie viel ich Stunden haͤtte/ Eh als die Nacht einfiel; denn ich zum Scheuſel ſchier Bey lichtem Tage war/ biß Finſternuͤß entſtunde/ Und mich der bloͤden Angſt die Dunckelheit entbunde. Mein Fleiſch iſt umb und umb durchfreſſen durch den Wurm/ Und kothicher Geſtanck klebt auf den duͤrren Knochen. Die Haut iſt Eiter voll und ſchrumpffich eingekrochen; Ja ich bin gantz zernicht. O grauſer Ungluͤcks-Sturm! Und meine Tage ſind ſo ſchnell dahin geflogen/ Als wie ein Weberſpul wird ploͤtzlich durchgezogen. Weil da kein Halten war/ ſo giengen ſie darvon. Gedencke/ daß mein Reſt des Lebens Wind iſt worden/ Und meine Augen nicht mehr kommen zu dem Orden Der diß was gut/ beſchaut. Es ſieht mich ohne Hohn Kein lebend Auge mehr/ und kan mich auch nicht ſehen: Du aber ſieheſt mich. Was wird mir noch geſchehen. Die B b b b b b

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/745>, abgerufen am 22.11.2024.