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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Geistliche Gedichte und Lieder.
Jch habe nie die Hift auf Maenals Berg geblasen/
Noch einem Backer je gegeben einen Fang/
Noch Wildseil aufgericht auf der Parthener Rasen/
Und Lappen fürgesetzt zu hindern Spur und Gang.
Jch habe niemals Garn/ Schwerdt/ Spiese/ Pfeil und Bogen/
Als wie die Jägerin Diana trägt/ geführt/
Ach wolte GOtt! ich wär der Lust nur nachgezogen/
So wär' ich itzt kein Raub von eigner Kunst berührt.
Jch Unvernünfftiger/ wo sind nun meine Jahre?
Ach hätt' ich meine Bein' an einem Dorn verletzt?
Warumb hab ich gesucht des Bacchus süsse Waare.
Daß drauf Cupido mich hat in sein Garn gesetzt.
Er braucht nicht nur allein den Köcher und die Pfeile/
Er hat auch Netz und Strick mit welchen er berückt.
Und Bacchus leget auch den truncknen Füssen Seile/
Wie schön er sonsten sich mit seinen Reben schmückt.
Wie hat die Delila den Samson nicht gebunden/
Und ihn samt seinem Haar beraubet seine Kraft/
Ja ward der Noe nicht bey seinen Töchtern funden/
Als ihm den Witz benahm des Weines süsser Saft.
Mich hat die Venus auch gejaget in ihr Netze/
Wie vielmals hat sie nicht zur Beuthe mich gemacht/
Weh mir! wohin ich nur die blöden Augen setze/
So bin ich wie ein Wild das schon ins Garn gebracht.
Und diß ist das Gesicht das den Anton erschrecket/
Und das er abgemerckt auf einem Felsen hat/
Er sah so weit sich nur der Erden Ziel erstrecket/
Die gantze Welt gemahlt als wie auf einem Blat.
Und tausend Cörper auch von Menschen abgerissen/
Die waren ingesamt mit Netzen überspannt/
Jedweder fühlte Qual an Händen/ Kopf und Füssen/
Die Wollust hätte sie arglistig abgemannt.
Sie blieben wie am Leim die albreu Vögel kleben/
Un wissend daß sie so Begierden rings umbstellt/
Ach freylich wird uns stets des Todes Netz umbgeben/
Das noch viel schärfer war' als eine Spinne hält.
Der lauscht ohn Unterlaß und hoft in tiefen Ritzen
Biß eine Fliege summt die sie zur Speiß erdrückt/
Der Vogel-Steller wird nechst einem Baume sitzen/
Biß er mit einem Jug den Raub ins Netzerückt/
Jtzt
Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jch habe nie die Hift auf Mænals Berg geblaſen/
Noch einem Backer je gegeben einen Fang/
Noch Wildſeil aufgericht auf der Parthener Raſen/
Und Lappen fuͤrgeſetzt zu hindern Spur und Gang.
Jch habe niemals Garn/ Schwerdt/ Spieſe/ Pfeil und Bogen/
Als wie die Jaͤgerin Diana traͤgt/ gefuͤhrt/
Ach wolte GOtt! ich waͤr der Luſt nur nachgezogen/
So waͤr’ ich itzt kein Raub von eigner Kunſt beruͤhrt.
Jch Unvernuͤnfftiger/ wo ſind nun meine Jahre?
Ach haͤtt’ ich meine Bein’ an einem Dorn verletzt?
Warumb hab ich geſucht des Bacchus ſuͤſſe Waare.
Daß drauf Cupido mich hat in ſein Garn geſetzt.
Er braucht nicht nur allein den Koͤcher und die Pfeile/
Er hat auch Netz und Strick mit welchen er beruͤckt.
Und Bacchus leget auch den truncknen Fuͤſſen Seile/
Wie ſchoͤn er ſonſten ſich mit ſeinen Reben ſchmuͤckt.
Wie hat die Delila den Samſon nicht gebunden/
Und ihn ſamt ſeinem Haar beraubet ſeine Kraft/
Ja ward der Noe nicht bey ſeinen Toͤchtern funden/
Als ihm den Witz benahm des Weines ſuͤſſer Saft.
Mich hat die Venus auch gejaget in ihr Netze/
Wie vielmals hat ſie nicht zur Beuthe mich gemacht/
Weh mir! wohin ich nur die bloͤden Augen ſetze/
So bin ich wie ein Wild das ſchon ins Garn gebracht.
Und diß iſt das Geſicht das den Anton erſchrecket/
Und das er abgemerckt auf einem Felſen hat/
Er ſah ſo weit ſich nur der Erden Ziel erſtrecket/
Die gantze Welt gemahlt als wie auf einem Blat.
Und tauſend Coͤrper auch von Menſchen abgeriſſen/
Die waren ingeſamt mit Netzen uͤberſpannt/
Jedweder fuͤhlte Qual an Haͤnden/ Kopf und Fuͤſſen/
Die Wolluſt haͤtte ſie argliſtig abgemannt.
Sie blieben wie am Leim die albreu Voͤgel kleben/
Un wiſſend daß ſie ſo Begierden rings umbſtellt/
Ach freylich wird uns ſtets des Todes Netz umbgeben/
Das noch viel ſchaͤrfer war’ als eine Spinne haͤlt.
Der lauſcht ohn Unterlaß und hoft in tiefen Ritzen
Biß eine Fliege ſummt die ſie zur Speiß erdruͤckt/
Der Vogel-Steller wird nechſt einem Baume ſitzen/
Biß er mit einem Jug den Raub ins Netzeruͤckt/
Jtzt
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[16/0744] Geiſtliche Gedichte und Lieder. Jch habe nie die Hift auf Mænals Berg geblaſen/ Noch einem Backer je gegeben einen Fang/ Noch Wildſeil aufgericht auf der Parthener Raſen/ Und Lappen fuͤrgeſetzt zu hindern Spur und Gang. Jch habe niemals Garn/ Schwerdt/ Spieſe/ Pfeil und Bogen/ Als wie die Jaͤgerin Diana traͤgt/ gefuͤhrt/ Ach wolte GOtt! ich waͤr der Luſt nur nachgezogen/ So waͤr’ ich itzt kein Raub von eigner Kunſt beruͤhrt. Jch Unvernuͤnfftiger/ wo ſind nun meine Jahre? Ach haͤtt’ ich meine Bein’ an einem Dorn verletzt? Warumb hab ich geſucht des Bacchus ſuͤſſe Waare. Daß drauf Cupido mich hat in ſein Garn geſetzt. Er braucht nicht nur allein den Koͤcher und die Pfeile/ Er hat auch Netz und Strick mit welchen er beruͤckt. Und Bacchus leget auch den truncknen Fuͤſſen Seile/ Wie ſchoͤn er ſonſten ſich mit ſeinen Reben ſchmuͤckt. Wie hat die Delila den Samſon nicht gebunden/ Und ihn ſamt ſeinem Haar beraubet ſeine Kraft/ Ja ward der Noe nicht bey ſeinen Toͤchtern funden/ Als ihm den Witz benahm des Weines ſuͤſſer Saft. Mich hat die Venus auch gejaget in ihr Netze/ Wie vielmals hat ſie nicht zur Beuthe mich gemacht/ Weh mir! wohin ich nur die bloͤden Augen ſetze/ So bin ich wie ein Wild das ſchon ins Garn gebracht. Und diß iſt das Geſicht das den Anton erſchrecket/ Und das er abgemerckt auf einem Felſen hat/ Er ſah ſo weit ſich nur der Erden Ziel erſtrecket/ Die gantze Welt gemahlt als wie auf einem Blat. Und tauſend Coͤrper auch von Menſchen abgeriſſen/ Die waren ingeſamt mit Netzen uͤberſpannt/ Jedweder fuͤhlte Qual an Haͤnden/ Kopf und Fuͤſſen/ Die Wolluſt haͤtte ſie argliſtig abgemannt. Sie blieben wie am Leim die albreu Voͤgel kleben/ Un wiſſend daß ſie ſo Begierden rings umbſtellt/ Ach freylich wird uns ſtets des Todes Netz umbgeben/ Das noch viel ſchaͤrfer war’ als eine Spinne haͤlt. Der lauſcht ohn Unterlaß und hoft in tiefen Ritzen Biß eine Fliege ſummt die ſie zur Speiß erdruͤckt/ Der Vogel-Steller wird nechſt einem Baume ſitzen/ Biß er mit einem Jug den Raub ins Netzeruͤckt/ Jtzt

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/744>, abgerufen am 24.07.2024.