Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Vermischte Gedichte. Hier ist ein freyes Feld/ ein Schauplatz meiner Sinnen/ Da ich nicht wie die Welt darff Liebes-Gifft gewinnen. Die Seele bleibet rein als wie ihr reines Wesen/ Und wird bgierig seyn nur Tugend auffzulesen. Wenn die in Flammen kocht/ und weiß sich nicht zu halten; Jen' auff den Liebsten pocht/ und seine Lust-Gestalten. Die über Meineyd klagt/ und des Cupido Pfeile/ So sitz ich ungeplagt in guter Ruh und Weile. Ein Pusch/ ein frischer Brunn/ ein blühendes Gesträuche/ Schafft mir mehr Freud' und Wonn'/ als wenn in Venus Reiche Der Liebe Natur quillt/ dieweil sein schönes blincken Vor Leib und Leben gilt/ bey denen die ihn trincken. Weg Wollust! meinen Geist den kanst du nicht bezwingen. Er ist/ der dir zerreist das Netze samt den Schlingen. Und Amor deine Gluth zerstäubt bey mir in Aschen/ Weil offt die Thränen Fluth sie wieder weg muß waschen. Jndessen hatte schon weil sich die Charimilde Ergetzt durch Klang und Thon in lustigem Gefilde Der Sonnen Feuer-Rad das Mittel überschritten/ Und auff der Weide Pfad ihr Vieh die Hitz erlitten. Drum trieb sie schleunig ein dem Mittag zu entweichen/ Biß sein beschwerlich seyn beginnet zu verschleichen. Denn gehet Charimild und ihre Schafe wieder/ Wo sie die Lust gestillt/ durch Zucker-süsse Lieder. Ecloga. ALs nechst ein schöner Tag den Himmel aus gekläret/Und neuen Sonnenschein dem Feld und Wald bescheeret/ Jst/ wo der Guttalus sein gelbes Ufer tränckt/ Und umb das Rosenthal die breiten Armen schrenckt/ Der Schäffer Tityrus zu seinem Damon kommen/ Und haben Raum und Ruh bey einem Baum genommen/ Die Gürtel aufgelöst/ die Taschen abgelegt/ Sich in das Graß gestreckt wie sonst ein Hirte pflegt. Drauff ihre Noth geklagt/ wie sie die Liebe frässe/ Und als ein nagend Wurm in ihrem Hertzen sässe/ Daß weder Noth noch Zeit veränderte die Pein/ Und daß die Liebe müst' ein brennend Feuer seyn. Biß endlich Tityrus der Liebsten Schönheit preißte/ Wie seine Galathee sich so holdseelig weißte/ Als
Vermiſchte Gedichte. Hier iſt ein freyes Feld/ ein Schauplatz meiner Sinnen/ Da ich nicht wie die Welt darff Liebes-Gifft gewinnen. Die Seele bleibet rein als wie ihr reines Weſen/ Und wird bgierig ſeyn nur Tugend auffzuleſen. Wenn die in Flammen kocht/ und weiß ſich nicht zu halten; Jen’ auff den Liebſten pocht/ und ſeine Luſt-Geſtalten. Die uͤber Meineyd klagt/ und des Cupido Pfeile/ So ſitz ich ungeplagt in guter Ruh und Weile. Ein Puſch/ ein friſcher Brunn/ ein bluͤhendes Geſtraͤuche/ Schafft mir mehr Freud’ und Wonn’/ als wenn in Venus Reiche Der Liebe Natur quillt/ dieweil ſein ſchoͤnes blincken Vor Leib und Leben gilt/ bey denen die ihn trincken. Weg Wolluſt! meinen Geiſt den kanſt du nicht bezwingen. Er iſt/ der dir zerreiſt das Netze ſamt den Schlingen. Und Amor deine Gluth zerſtaͤubt bey mir in Aſchen/ Weil offt die Thraͤnen Fluth ſie wieder weg muß waſchen. Jndeſſen hatte ſchon weil ſich die Charimilde Ergetzt durch Klang und Thon in luſtigem Gefilde Der Sonnen Feuer-Rad das Mittel uͤberſchritten/ Und auff der Weide Pfad ihr Vieh die Hitz erlitten. Drum trieb ſie ſchleunig ein dem Mittag zu entweichen/ Biß ſein beſchwerlich ſeyn beginnet zu verſchleichen. Denn gehet Charimild und ihre Schafe wieder/ Wo ſie die Luſt geſtillt/ durch Zucker-ſuͤſſe Lieder. Ecloga. ALs nechſt ein ſchoͤner Tag den Himmel aus geklaͤret/Und neuen Sonnenſchein dem Feld und Wald beſcheeret/ Jſt/ wo der Guttalus ſein gelbes Ufer traͤnckt/ Und umb das Roſenthal die breiten Armen ſchrenckt/ Der Schaͤffer Tityrus zu ſeinem Damon kommen/ Und haben Raum und Ruh bey einem Baum genommen/ Die Guͤrtel aufgeloͤſt/ die Taſchen abgelegt/ Sich in das Graß geſtreckt wie ſonſt ein Hirte pflegt. Drauff ihre Noth geklagt/ wie ſie die Liebe fraͤſſe/ Und als ein nagend Wurm in ihrem Hertzen ſaͤſſe/ Daß weder Noth noch Zeit veraͤnderte die Pein/ Und daß die Liebe muͤſt’ ein brennend Feuer ſeyn. Biß endlich Tityrus der Liebſten Schoͤnheit preißte/ Wie ſeine Galathee ſich ſo holdſeelig weißte/ Als
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Vermiſchte Gedichte.
Hier iſt ein freyes Feld/ ein Schauplatz meiner Sinnen/
Da ich nicht wie die Welt darff Liebes-Gifft gewinnen.
Die Seele bleibet rein als wie ihr reines Weſen/
Und wird bgierig ſeyn nur Tugend auffzuleſen.
Wenn die in Flammen kocht/ und weiß ſich nicht zu halten;
Jen’ auff den Liebſten pocht/ und ſeine Luſt-Geſtalten.
Die uͤber Meineyd klagt/ und des Cupido Pfeile/
So ſitz ich ungeplagt in guter Ruh und Weile.
Ein Puſch/ ein friſcher Brunn/ ein bluͤhendes Geſtraͤuche/
Schafft mir mehr Freud’ und Wonn’/ als wenn in Venus Reiche
Der Liebe Natur quillt/ dieweil ſein ſchoͤnes blincken
Vor Leib und Leben gilt/ bey denen die ihn trincken.
Weg Wolluſt! meinen Geiſt den kanſt du nicht bezwingen.
Er iſt/ der dir zerreiſt das Netze ſamt den Schlingen.
Und Amor deine Gluth zerſtaͤubt bey mir in Aſchen/
Weil offt die Thraͤnen Fluth ſie wieder weg muß waſchen.
Jndeſſen hatte ſchon weil ſich die Charimilde
Ergetzt durch Klang und Thon in luſtigem Gefilde
Der Sonnen Feuer-Rad das Mittel uͤberſchritten/
Und auff der Weide Pfad ihr Vieh die Hitz erlitten.
Drum trieb ſie ſchleunig ein dem Mittag zu entweichen/
Biß ſein beſchwerlich ſeyn beginnet zu verſchleichen.
Denn gehet Charimild und ihre Schafe wieder/
Wo ſie die Luſt geſtillt/ durch Zucker-ſuͤſſe Lieder.
Ecloga.
ALs nechſt ein ſchoͤner Tag den Himmel aus geklaͤret/
Und neuen Sonnenſchein dem Feld und Wald beſcheeret/
Jſt/ wo der Guttalus ſein gelbes Ufer traͤnckt/
Und umb das Roſenthal die breiten Armen ſchrenckt/
Der Schaͤffer Tityrus zu ſeinem Damon kommen/
Und haben Raum und Ruh bey einem Baum genommen/
Die Guͤrtel aufgeloͤſt/ die Taſchen abgelegt/
Sich in das Graß geſtreckt wie ſonſt ein Hirte pflegt.
Drauff ihre Noth geklagt/ wie ſie die Liebe fraͤſſe/
Und als ein nagend Wurm in ihrem Hertzen ſaͤſſe/
Daß weder Noth noch Zeit veraͤnderte die Pein/
Und daß die Liebe muͤſt’ ein brennend Feuer ſeyn.
Biß endlich Tityrus der Liebſten Schoͤnheit preißte/
Wie ſeine Galathee ſich ſo holdſeelig weißte/
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/700>, abgerufen am 24.07.2024. |