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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
5.
Stand/ Glück und Gut ersetzet noch die Zeit.
Ein solch Gemahl vom Himmel auserkohren/
Die fromm und klug zu wandeln nur gebohren/
Und die verkehrt in Zucker Weh und Leyd/
Der Sorgen Last auff sich gelegt/
Und nichts als ihrem Mann gepflegt/
Wird wol Alcestens Treu und Porciens beschämen/
Es könte noch die Welt hier ein Exempel nehmen.
6.
Es zeigt uns auch der Zeiten grauer Mund/
Ein Wunderspiel von ungemeiner Liebe:
Daß einer war biß auf den Tod verwundt/
Wenn sein Gemahl nicht immer bey ihm bliebe.
Jhr Fuß betrate nie die Schwell/
Er küste stets dieselbe Stell/
Und auch ihr Schleyer must ihm seine Brust verhüllen/
Wenn sein Verlangen ja sonst anders nicht zu stillen.
7.
Hoch-Edler Herr/ jedwede Stund und Ort
Unläugbahr ist/ zeigt nichts als Jammer-Blicke.
Was Pfeilen gleich sein Hertze gantz durchbohrt/
Macht/ wenn er denckt an seinen Schatz zurücke.
Der Witz/ der trefliche Verstand/
Das Garn was seine Seele band/
Die seltne Frömmigkeit und tausend andre Gaben/
Die muß er noch vor sich in einem Spiegel haben.
8.
Wie steht sein Land das sie so wohl gebaut?
Sein Paradieß ist eine dürre Wüste;
Und wo nur hin sein nasses Auge schaut/
Da weiset sich ein schwartzes Traur-Gerüste.
Jhr Blick der alles hat erfreut/
Auch bey betrübter Jahres-Zeit/
Hat sich in Demmerung der Todes Nacht verzogen/
Man siht nun weiter nicht den Reg' und Segens Bogen.
9.
Es bleibt dabey/ ein Weib das ehrlich liebt
Das so viel Treu erweist durch solche Proben/
Das vor den Mann Gut/ Blut und Leben gibt/
Muß auch der Neid/ so alles tadelt/ loben/
Es
D d d d 2
Leichen-Gedichte.
5.
Stand/ Gluͤck und Gut erſetzet noch die Zeit.
Ein ſolch Gemahl vom Himmel auserkohren/
Die fromm und klug zu wandeln nur gebohren/
Und die verkehrt in Zucker Weh und Leyd/
Der Sorgen Laſt auff ſich gelegt/
Und nichts als ihrem Mann gepflegt/
Wird wol Alceſtens Treu und Porciens beſchaͤmen/
Es koͤnte noch die Welt hier ein Exempel nehmen.
6.
Es zeigt uns auch der Zeiten grauer Mund/
Ein Wunderſpiel von ungemeiner Liebe:
Daß einer war biß auf den Tod verwundt/
Wenn ſein Gemahl nicht immer bey ihm bliebe.
Jhr Fuß betrate nie die Schwell/
Er kuͤſte ſtets dieſelbe Stell/
Und auch ihr Schleyer muſt ihm ſeine Bruſt verhuͤllen/
Wenn ſein Verlangen ja ſonſt anders nicht zu ſtillen.
7.
Hoch-Edler Herr/ jedwede Stund und Ort
Unlaͤugbahr iſt/ zeigt nichts als Jammer-Blicke.
Was Pfeilen gleich ſein Hertze gantz durchbohrt/
Macht/ wenn er denckt an ſeinen Schatz zuruͤcke.
Der Witz/ der trefliche Verſtand/
Das Garn was ſeine Seele band/
Die ſeltne Froͤmmigkeit und tauſend andre Gaben/
Die muß er noch vor ſich in einem Spiegel haben.
8.
Wie ſteht ſein Land das ſie ſo wohl gebaut?
Sein Paradieß iſt eine duͤrre Wuͤſte;
Und wo nur hin ſein naſſes Auge ſchaut/
Da weiſet ſich ein ſchwartzes Traur-Geruͤſte.
Jhr Blick der alles hat erfreut/
Auch bey betruͤbter Jahres-Zeit/
Hat ſich in Demmerung der Todes Nacht verzogen/
Man ſiht nun weiter nicht den Reg’ und Segens Bogen.
9.
Es bleibt dabey/ ein Weib das ehrlich liebt
Das ſo viel Treu erweiſt durch ſolche Proben/
Das vor den Mann Gut/ Blut und Leben gibt/
Muß auch der Neid/ ſo alles tadelt/ loben/
Es
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[419/0651] Leichen-Gedichte. 5. Stand/ Gluͤck und Gut erſetzet noch die Zeit. Ein ſolch Gemahl vom Himmel auserkohren/ Die fromm und klug zu wandeln nur gebohren/ Und die verkehrt in Zucker Weh und Leyd/ Der Sorgen Laſt auff ſich gelegt/ Und nichts als ihrem Mann gepflegt/ Wird wol Alceſtens Treu und Porciens beſchaͤmen/ Es koͤnte noch die Welt hier ein Exempel nehmen. 6. Es zeigt uns auch der Zeiten grauer Mund/ Ein Wunderſpiel von ungemeiner Liebe: Daß einer war biß auf den Tod verwundt/ Wenn ſein Gemahl nicht immer bey ihm bliebe. Jhr Fuß betrate nie die Schwell/ Er kuͤſte ſtets dieſelbe Stell/ Und auch ihr Schleyer muſt ihm ſeine Bruſt verhuͤllen/ Wenn ſein Verlangen ja ſonſt anders nicht zu ſtillen. 7. Hoch-Edler Herr/ jedwede Stund und Ort Unlaͤugbahr iſt/ zeigt nichts als Jammer-Blicke. Was Pfeilen gleich ſein Hertze gantz durchbohrt/ Macht/ wenn er denckt an ſeinen Schatz zuruͤcke. Der Witz/ der trefliche Verſtand/ Das Garn was ſeine Seele band/ Die ſeltne Froͤmmigkeit und tauſend andre Gaben/ Die muß er noch vor ſich in einem Spiegel haben. 8. Wie ſteht ſein Land das ſie ſo wohl gebaut? Sein Paradieß iſt eine duͤrre Wuͤſte; Und wo nur hin ſein naſſes Auge ſchaut/ Da weiſet ſich ein ſchwartzes Traur-Geruͤſte. Jhr Blick der alles hat erfreut/ Auch bey betruͤbter Jahres-Zeit/ Hat ſich in Demmerung der Todes Nacht verzogen/ Man ſiht nun weiter nicht den Reg’ und Segens Bogen. 9. Es bleibt dabey/ ein Weib das ehrlich liebt Das ſo viel Treu erweiſt durch ſolche Proben/ Das vor den Mann Gut/ Blut und Leben gibt/ Muß auch der Neid/ ſo alles tadelt/ loben/ Es D d d d 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/651>, abgerufen am 22.11.2024.