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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Hingegen wenn das Leid
Sich etwas hat geleget/
Und er die Sterbligkeit
Jn seinem Sinn erweget
Wie Auff- und Unter-Gang einander stets umbfangen;
So wird er frey gestehn
&q;Daß die von hinnen gehn
&q;Den Anfang wahrer Lust/ der Schmertzen End erlangen.

Mitleidige Zeilen
Bey Beerdigung F. E. B. den 20. Augusti
1678.
DEin Brehmer wo du hier nicht schöne Blumen findest/
Wo Tuberosen nicht in meinen Zeilen stehn/
Noch du Granaten-Blüth und die Jesminen bindest/
So dencke daß mein Fuß nicht kan auff Rosen gehn.
Jch liege selbsten kranck/ und sol dir Trost zuschicken:
Wenn hat ein siecher Artzt dem Schmertzen obgesiegt?
Mag eine solche Hand die Wunden wol zudrücken/
Die von der Gicht gequält gantz unbeweglich liegt?
Wiewol ich bin kein Stein/ ich bin nicht ohn Erbarmen/
Nun deines Hertzens Hertz und Augen-Trost verfällt/
Nun statt der süssen Lust dich Angst und Noth umbarmen
Und bleiche Kümmernüß in ihren Banden hält.
Allein verzeihe mir/ du Mann von deutschen Sitten/
Du Bild der Redligkeit und Abrieß alter Treu/
Wo nicht mein Pegasis die hohe Bahn beschritten/
Und mir der Musen Gunst legt keine Lorbern bey.
Ein Leid/ das hefftig ist/ fragt nicht nach Wort-Gepränge/
Und Kunst und Zierligkeit findt nicht bey Thränen statt:
Zu dem ist mir bekand/ daß von dergleichen Mänge
Dein reicher Bücher Schatz schon einen Vorrath hat.
Offt kan ein schlechtes Wort tieff ins Gemüthe dringen/
Wenn es den Uhrsprung nur aus treuem Hertzen nimmt.
Mein Satz der ist sehr kurtz/ den ich zum Trost wil bringen:
GOtt hat/ Betrübtster Freund/ diß überdich bestimmt.
Warumb es sey geschehn/ das ist nicht auszufragen/
Jn dieses Rathhaus guckt kein sterblich Auge nicht.
Du must nur mit Gedult den bittern Fall ertragen/
Diß heischt dein Christenthum/ diß fordert deine Pflicht.
Jch
Y y y 4

Leichen-Gedichte.
Hingegen wenn das Leid
Sich etwas hat geleget/
Und er die Sterbligkeit
Jn ſeinem Sinn erweget
Wie Auff- und Unter-Gang einander ſtets umbfangen;
So wird er frey geſtehn
&q;Daß die von hinnen gehn
&q;Den Anfang wahrer Luſt/ der Schmertzen End erlangen.

Mitleidige Zeilen
Bey Beerdigung F. E. B. den 20. Auguſti
1678.
DEin Brehmer wo du hier nicht ſchoͤne Blumen findeſt/
Wo Tuberoſen nicht in meinen Zeilen ſtehn/
Noch du Granaten-Bluͤth und die Jeſminen bindeſt/
So dencke daß mein Fuß nicht kan auff Roſen gehn.
Jch liege ſelbſten kranck/ und ſol dir Troſt zuſchicken:
Wenn hat ein ſiecher Artzt dem Schmertzen obgeſiegt?
Mag eine ſolche Hand die Wunden wol zudruͤcken/
Die von der Gicht gequaͤlt gantz unbeweglich liegt?
Wiewol ich bin kein Stein/ ich bin nicht ohn Erbarmen/
Nun deines Hertzens Hertz und Augen-Troſt verfaͤllt/
Nun ſtatt der ſuͤſſen Luſt dich Angſt und Noth umbarmen
Und bleiche Kuͤmmernuͤß in ihren Banden haͤlt.
Allein verzeihe mir/ du Mann von deutſchen Sitten/
Du Bild der Redligkeit und Abrieß alter Treu/
Wo nicht mein Pegaſis die hohe Bahn beſchritten/
Und mir der Muſen Gunſt legt keine Lorbern bey.
Ein Leid/ das hefftig iſt/ fragt nicht nach Wort-Gepraͤnge/
Und Kunſt und Zierligkeit findt nicht bey Thraͤnen ſtatt:
Zu dem iſt mir bekand/ daß von dergleichen Maͤnge
Dein reicher Buͤcher Schatz ſchon einen Vorrath hat.
Offt kan ein ſchlechtes Wort tieff ins Gemuͤthe dringen/
Wenn es den Uhrſprung nur aus treuem Hertzen nimmt.
Mein Satz der iſt ſehr kurtz/ den ich zum Troſt wil bringen:
GOtt hat/ Betruͤbtſter Freund/ diß uͤberdich beſtimmt.
Warumb es ſey geſchehn/ das iſt nicht auszufragen/
Jn dieſes Rathhaus guckt kein ſterblich Auge nicht.
Du muſt nur mit Gedult den bittern Fall ertragen/
Diß heiſcht dein Chriſtenthum/ diß fordert deine Pflicht.
Jch
Y y y 4
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[343/0575] Leichen-Gedichte. Hingegen wenn das Leid Sich etwas hat geleget/ Und er die Sterbligkeit Jn ſeinem Sinn erweget Wie Auff- und Unter-Gang einander ſtets umbfangen; So wird er frey geſtehn &q;Daß die von hinnen gehn &q;Den Anfang wahrer Luſt/ der Schmertzen End erlangen. Mitleidige Zeilen Bey Beerdigung F. E. B. den 20. Auguſti 1678. DEin Brehmer wo du hier nicht ſchoͤne Blumen findeſt/ Wo Tuberoſen nicht in meinen Zeilen ſtehn/ Noch du Granaten-Bluͤth und die Jeſminen bindeſt/ So dencke daß mein Fuß nicht kan auff Roſen gehn. Jch liege ſelbſten kranck/ und ſol dir Troſt zuſchicken: Wenn hat ein ſiecher Artzt dem Schmertzen obgeſiegt? Mag eine ſolche Hand die Wunden wol zudruͤcken/ Die von der Gicht gequaͤlt gantz unbeweglich liegt? Wiewol ich bin kein Stein/ ich bin nicht ohn Erbarmen/ Nun deines Hertzens Hertz und Augen-Troſt verfaͤllt/ Nun ſtatt der ſuͤſſen Luſt dich Angſt und Noth umbarmen Und bleiche Kuͤmmernuͤß in ihren Banden haͤlt. Allein verzeihe mir/ du Mann von deutſchen Sitten/ Du Bild der Redligkeit und Abrieß alter Treu/ Wo nicht mein Pegaſis die hohe Bahn beſchritten/ Und mir der Muſen Gunſt legt keine Lorbern bey. Ein Leid/ das hefftig iſt/ fragt nicht nach Wort-Gepraͤnge/ Und Kunſt und Zierligkeit findt nicht bey Thraͤnen ſtatt: Zu dem iſt mir bekand/ daß von dergleichen Maͤnge Dein reicher Buͤcher Schatz ſchon einen Vorrath hat. Offt kan ein ſchlechtes Wort tieff ins Gemuͤthe dringen/ Wenn es den Uhrſprung nur aus treuem Hertzen nimmt. Mein Satz der iſt ſehr kurtz/ den ich zum Troſt wil bringen: GOtt hat/ Betruͤbtſter Freund/ diß uͤberdich beſtimmt. Warumb es ſey geſchehn/ das iſt nicht auszufragen/ Jn dieſes Rathhaus guckt kein ſterblich Auge nicht. Du muſt nur mit Gedult den bittern Fall ertragen/ Diß heiſcht dein Chriſtenthum/ diß fordert deine Pflicht. Jch Y y y 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/575>, abgerufen am 24.07.2024.