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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Ehren-Gedächtnus/
Hn. A. C. v. A. d. R. den 5. Febr. 1678.
VErlache nur dein Grab/ du Auge dieser Stadt/
Das zwar die lange Nacht nunmehr geschlossen hat;
Gib was verwesen kan/ den Rest der mürben Glieder/
Der alten Mutter Schoß auf neuen Wucher wieder/
Nichts als der Leib bleibt tod. Nachdem nun allbereit
Der Seelen himmlisch Feur in jener Ewigkeit
Als wie die Sterne gläntzt/ so läst du uns zwar Zehren/
Die anverwandtes Blut dir häuffig wird gewehren/
Und die die Bürgerschafft aus treuen Hertzen zollt
Jn dem sie seufftzt und klagt. Ach wenn doch GOtt gewollt/
Daß wir den theuren Mann noch länger solten haben!
Der herrliche Verstand/ die ungemeine Gaben/
Der Eyfer gegen GOtt und für gemeines Heil/
Verdienen ewig Lob. Das Leben wär' uns feil
Umb seiner Jahre Frist noch länger zu erweitern.
Jst alle Kunst umbsonst? ist nichts in Blum und Kräutern
Das Rettung bringen kan? So ist es gantz geschehn.
Wir Bürger müssen nur die Mauren fallen sehn
So uns bißher beschützt/ und wie Metellus klagen/
Der Pfeiler unsers Heils wird von uns weg getragen.
Jn solches Seufftzen bricht der allgemeine Mund
Mit heissen Thränen aus. Wer aber machet kund
Das innre Seelen-Leid/ die tieffen Hertzens-Wunden
So Hochbetrübtste sie ob diesem Fall empfunden?
Da die Frau Mutter muß den allerliebsten Sohn
Deß schwachen Alters Stab/ der grauen Haare Krohn/
Deß Lebens besten Trost so früh und bald vermissen/
Und ihm/ was sie von ihm gehofft/ die Augen schliessen.
Welch Redner stellt uns vor der beyden Brüder Weh
Und Angst erfülltes Leid? Der Liebsten Thränen-See/
Womit sie stets den Sarch aus treuer Pflicht benetzet?
Lebt jemand in der Stadt der nicht höchsikläglich schätzet
Den unverhofften Riß? Allein des Himmels Schluß/
Dem unsre Sterbligkeit gehorsam folgen muß/
Er-
Leichen-Gedichte.
Ehren-Gedaͤchtnus/
Hn. A. C. v. A. d. R. den 5. Febr. 1678.
VErlache nur dein Grab/ du Auge dieſer Stadt/
Das zwar die lange Nacht nunmehr geſchloſſen hat;
Gib was verweſen kan/ den Reſt der muͤrben Glieder/
Der alten Mutter Schoß auf neuen Wucher wieder/
Nichts als der Leib bleibt tod. Nachdem nun allbereit
Der Seelen himmliſch Feur in jener Ewigkeit
Als wie die Sterne glaͤntzt/ ſo laͤſt du uns zwar Zehren/
Die anverwandtes Blut dir haͤuffig wird gewehren/
Und die die Buͤrgerſchafft aus treuen Hertzen zollt
Jn dem ſie ſeufftzt und klagt. Ach wenn doch GOtt gewollt/
Daß wir den theuren Mann noch laͤnger ſolten haben!
Der herꝛliche Verſtand/ die ungemeine Gaben/
Der Eyfer gegen GOtt und fuͤr gemeines Heil/
Verdienen ewig Lob. Das Leben waͤr’ uns feil
Umb ſeiner Jahre Friſt noch laͤnger zu erweitern.
Jſt alle Kunſt umbſonſt? iſt nichts in Blum und Kraͤutern
Das Rettung bringen kan? So iſt es gantz geſchehn.
Wir Buͤrger muͤſſen nur die Mauren fallen ſehn
So uns bißher beſchuͤtzt/ und wie Metellus klagen/
Der Pfeiler unſers Heils wird von uns weg getragen.
Jn ſolches Seufftzen bricht der allgemeine Mund
Mit heiſſen Thraͤnen aus. Wer aber machet kund
Das innre Seelen-Leid/ die tieffen Hertzens-Wunden
So Hochbetruͤbtſte ſie ob dieſem Fall empfunden?
Da die Frau Mutter muß den allerliebſten Sohn
Deß ſchwachen Alters Stab/ der grauen Haare Krohn/
Deß Lebens beſten Troſt ſo fruͤh und bald vermiſſen/
Und ihm/ was ſie von ihm gehofft/ die Augen ſchlieſſen.
Welch Redner ſtellt uns vor der beyden Bruͤder Weh
Und Angſt erfuͤlltes Leid? Der Liebſten Thraͤnen-See/
Womit ſie ſtets den Sarch aus treuer Pflicht benetzet?
Lebt jemand in der Stadt der nicht hoͤchſiklaͤglich ſchaͤtzet
Den unverhofften Riß? Allein des Himmels Schluß/
Dem unſre Sterbligkeit gehorſam folgen muß/
Er-
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[317/0549] Leichen-Gedichte. Ehren-Gedaͤchtnus/ Hn. A. C. v. A. d. R. den 5. Febr. 1678. VErlache nur dein Grab/ du Auge dieſer Stadt/ Das zwar die lange Nacht nunmehr geſchloſſen hat; Gib was verweſen kan/ den Reſt der muͤrben Glieder/ Der alten Mutter Schoß auf neuen Wucher wieder/ Nichts als der Leib bleibt tod. Nachdem nun allbereit Der Seelen himmliſch Feur in jener Ewigkeit Als wie die Sterne glaͤntzt/ ſo laͤſt du uns zwar Zehren/ Die anverwandtes Blut dir haͤuffig wird gewehren/ Und die die Buͤrgerſchafft aus treuen Hertzen zollt Jn dem ſie ſeufftzt und klagt. Ach wenn doch GOtt gewollt/ Daß wir den theuren Mann noch laͤnger ſolten haben! Der herꝛliche Verſtand/ die ungemeine Gaben/ Der Eyfer gegen GOtt und fuͤr gemeines Heil/ Verdienen ewig Lob. Das Leben waͤr’ uns feil Umb ſeiner Jahre Friſt noch laͤnger zu erweitern. Jſt alle Kunſt umbſonſt? iſt nichts in Blum und Kraͤutern Das Rettung bringen kan? So iſt es gantz geſchehn. Wir Buͤrger muͤſſen nur die Mauren fallen ſehn So uns bißher beſchuͤtzt/ und wie Metellus klagen/ Der Pfeiler unſers Heils wird von uns weg getragen. Jn ſolches Seufftzen bricht der allgemeine Mund Mit heiſſen Thraͤnen aus. Wer aber machet kund Das innre Seelen-Leid/ die tieffen Hertzens-Wunden So Hochbetruͤbtſte ſie ob dieſem Fall empfunden? Da die Frau Mutter muß den allerliebſten Sohn Deß ſchwachen Alters Stab/ der grauen Haare Krohn/ Deß Lebens beſten Troſt ſo fruͤh und bald vermiſſen/ Und ihm/ was ſie von ihm gehofft/ die Augen ſchlieſſen. Welch Redner ſtellt uns vor der beyden Bruͤder Weh Und Angſt erfuͤlltes Leid? Der Liebſten Thraͤnen-See/ Womit ſie ſtets den Sarch aus treuer Pflicht benetzet? Lebt jemand in der Stadt der nicht hoͤchſiklaͤglich ſchaͤtzet Den unverhofften Riß? Allein des Himmels Schluß/ Dem unſre Sterbligkeit gehorſam folgen muß/ Er-

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/549>, abgerufen am 22.11.2024.