Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. 2. Jch geb es zu/ daß ihrer SchmertzenNicht leicht was zuvergleichen ist. Weil erst die Helffte von dem Hertzen Sie ihren Ehschatz früh vermist. Und denn/ nach zwey verfloßnen Jahren/ Jhr eintzig Ebenbild und Pfand/ Sieht gleichfals zu den Todten fahren Und eingescharret in den Sand. 3. Gedoppelt ist das Ungewitter/So über ihrem Haupt erkracht. Dtr Creutz-Kelch nur zu voll und bitter/ Der ihr anjetzt wird beygebracht. Bricht doch die unerschrocknen Palmen Gantz überhäuffte Last entzwey. Und Ertz und Felsen muß zermalmen Der wiederholten Stösse Reih. 4. Jedoch sie kan des Himmels-SchlüssenUnd Satzungen sich nicht entziehn. GOtt wil sie wol bewehret wissen/ Jhr Glaubens-Gold sol also glühn. Zudem sind ihr die Wechsel-Gänge Der Sterbligkeit gar wol bekand; Wie alles Fleisches Gütt und Menge Sey unterthan des Todes Hand. 5. Jhr Kind trat in der Wäysen Orden/Eh es das Licht der Welt erblickt. Jst wieder/ was es vor war/ worden Und zu der Mutter Schoß geschickt. Der Mutter Leib/ die Schoß der Erde/ Gab sie nechst her/ die nimmt sie an/ Und lehret daß dergleichen werde Mit jedem Sterblichen gethan. 6. Das zarte Kind/ die schöne BlumeHat kurtze Zeit sie angelacht. Doch
Leichen-Gedichte. 2. Jch geb es zu/ daß ihrer SchmertzenNicht leicht was zuvergleichen iſt. Weil erſt die Helffte von dem Hertzen Sie ihren Ehſchatz fruͤh vermiſt. Und denn/ nach zwey verfloßnen Jahren/ Jhr eintzig Ebenbild und Pfand/ Sieht gleichfals zu den Todten fahren Und eingeſcharret in den Sand. 3. Gedoppelt iſt das Ungewitter/So uͤber ihrem Haupt erkracht. Dtr Creutz-Kelch nur zu voll und bitter/ Der ihr anjetzt wird beygebracht. Bricht doch die unerſchrocknen Palmen Gantz uͤberhaͤuffte Laſt entzwey. Und Ertz und Felſen muß zermalmen Der wiederholten Stoͤſſe Reih. 4. Jedoch ſie kan des Himmels-SchluͤſſenUnd Satzungen ſich nicht entziehn. GOtt wil ſie wol bewehret wiſſen/ Jhr Glaubens-Gold ſol alſo gluͤhn. Zudem ſind ihr die Wechſel-Gaͤnge Der Sterbligkeit gar wol bekand; Wie alles Fleiſches Guͤtt und Menge Sey unterthan des Todes Hand. 5. Jhr Kind trat in der Waͤyſen Orden/Eh es das Licht der Welt erblickt. Jſt wieder/ was es vor war/ worden Und zu der Mutter Schoß geſchickt. Der Mutter Leib/ die Schoß der Erde/ Gab ſie nechſt her/ die nimmt ſie an/ Und lehret daß dergleichen werde Mit jedem Sterblichen gethan. 6. Das zarte Kind/ die ſchoͤne BlumeHat kurtze Zeit ſie angelacht. Doch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0508" n="276"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/> <l>Jch geb es zu/ daß ihrer Schmertzen</l><lb/> <l>Nicht leicht was zuvergleichen iſt.</l><lb/> <l>Weil erſt die Helffte von dem Hertzen</l><lb/> <l>Sie ihren Ehſchatz fruͤh vermiſt.</l><lb/> <l>Und denn/ nach zwey verfloßnen Jahren/</l><lb/> <l>Jhr eintzig Ebenbild und Pfand/</l><lb/> <l>Sieht gleichfals zu den Todten fahren</l><lb/> <l>Und eingeſcharret in den Sand.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/> <l>Gedoppelt iſt das Ungewitter/</l><lb/> <l>So uͤber ihrem Haupt erkracht.</l><lb/> <l>Dtr Creutz-Kelch nur zu voll und bitter/</l><lb/> <l>Der ihr anjetzt wird beygebracht.</l><lb/> <l>Bricht doch die unerſchrocknen Palmen</l><lb/> <l>Gantz uͤberhaͤuffte Laſt entzwey.</l><lb/> <l>Und Ertz und Felſen muß zermalmen</l><lb/> <l>Der wiederholten Stoͤſſe Reih.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/> <l>Jedoch ſie kan des Himmels-Schluͤſſen</l><lb/> <l>Und Satzungen ſich nicht entziehn.</l><lb/> <l>GOtt wil ſie wol bewehret wiſſen/</l><lb/> <l>Jhr Glaubens-Gold ſol alſo gluͤhn.</l><lb/> <l>Zudem ſind ihr die Wechſel-Gaͤnge</l><lb/> <l>Der Sterbligkeit gar wol bekand;</l><lb/> <l>Wie alles Fleiſches Guͤtt und Menge</l><lb/> <l>Sey unterthan des Todes Hand.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <head> <hi rendition="#c">5.</hi> </head><lb/> <l>Jhr Kind trat in der Waͤyſen Orden/</l><lb/> <l>Eh es das Licht der Welt erblickt.</l><lb/> <l>Jſt wieder/ was es vor war/ worden</l><lb/> <l>Und zu der Mutter Schoß geſchickt.</l><lb/> <l>Der Mutter Leib/ die Schoß der Erde/</l><lb/> <l>Gab ſie nechſt her/ die nimmt ſie an/</l><lb/> <l>Und lehret daß dergleichen werde</l><lb/> <l>Mit jedem Sterblichen gethan.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/> <l>Das zarte Kind/ die ſchoͤne Blume</l><lb/> <l>Hat kurtze Zeit ſie angelacht.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [276/0508]
Leichen-Gedichte.
2.
Jch geb es zu/ daß ihrer Schmertzen
Nicht leicht was zuvergleichen iſt.
Weil erſt die Helffte von dem Hertzen
Sie ihren Ehſchatz fruͤh vermiſt.
Und denn/ nach zwey verfloßnen Jahren/
Jhr eintzig Ebenbild und Pfand/
Sieht gleichfals zu den Todten fahren
Und eingeſcharret in den Sand.
3.
Gedoppelt iſt das Ungewitter/
So uͤber ihrem Haupt erkracht.
Dtr Creutz-Kelch nur zu voll und bitter/
Der ihr anjetzt wird beygebracht.
Bricht doch die unerſchrocknen Palmen
Gantz uͤberhaͤuffte Laſt entzwey.
Und Ertz und Felſen muß zermalmen
Der wiederholten Stoͤſſe Reih.
4.
Jedoch ſie kan des Himmels-Schluͤſſen
Und Satzungen ſich nicht entziehn.
GOtt wil ſie wol bewehret wiſſen/
Jhr Glaubens-Gold ſol alſo gluͤhn.
Zudem ſind ihr die Wechſel-Gaͤnge
Der Sterbligkeit gar wol bekand;
Wie alles Fleiſches Guͤtt und Menge
Sey unterthan des Todes Hand.
5.
Jhr Kind trat in der Waͤyſen Orden/
Eh es das Licht der Welt erblickt.
Jſt wieder/ was es vor war/ worden
Und zu der Mutter Schoß geſchickt.
Der Mutter Leib/ die Schoß der Erde/
Gab ſie nechſt her/ die nimmt ſie an/
Und lehret daß dergleichen werde
Mit jedem Sterblichen gethan.
6.
Das zarte Kind/ die ſchoͤne Blume
Hat kurtze Zeit ſie angelacht.
Doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |