Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Der einen Himmel Lust Herr Reuschen hat gebracht/Sinckt/ ach unendlich Leid! ins Grabes schwartze Nacht. Die Turteltaube flieht von ihrem liebsten Gatten. Die keusche Lilie/ so unvergleichlich schön/ Man mit Verwunderung sah in dem Garten stehn/ Muß von deß Todes Hitz und Brennen gantz ermatten; Wer sieht nicht/ wie ihr Haupt/ eh' es zur Erden sinckt Mit einem Liebes-Blick noch nach Herr Reuschen winckt. Die Blume/ die so viel Ergetzligkeit gegeben Und einen gantzen May der Anmuth fürgestellt/ Zu der die Morgen-Röth im Purpur sich gesellt/ Umb die die Liebe pflag als Nachbarin zu schweben/ Stürtzt jetzt Herr Reuschens Geist in ein höchst-schmertz- lich Weh/ Macht seinen Port der Lust zu einer Thränen-See. Der wolgestimmte Klang von gleich-gesinnten Hertzen/ Verstimmt deß Todes Hand/ so daß die Harmonie Mit lauterm Winseln schleust: Die Allerwerthste die/ So vor als ein Magnet durch ihr beheglich Schertzen Den Eh, Schatz an sich zog/ bringt desto mehr Verlust/ Weil für den Seelen-Rieß kein Pflaster ist bewust. Das Trauren wandelt ihn fast in Corallen Aeste/ Umb welch ohn unterlaß die Jammer-Welle schlägt. Jch den mein Auge noch mehr wahrzunehmen trägt/ Leß' eine neue Schrifft: Mein Kleinod ist das beste/ Worunter eine Kron mit Sieges-Zweigen lag/ Der sich gantz Morgenland an Werth nicht gleichen mag. Mehr sah' ich einen Baum voll herrlicher Granaten Die schönste borst' entzwey: Mein Leben/ das ist hin/ Auf daß nur meine Frucht zum Leben möge blühn. Und wie ich embsig bin diß Rätzel zuerrathen/ Sagt Libitina mir: Der Außgang zeuge frey Daß er der Seeligen verlaßne Pflantze sey. So muß der Seiden-Wurm sein eigen Grab sich spinnen/ So flöst der Pelican sein Blut den Jungen ein. Ja/ Hochbekümmerter/ der müst ein Marmel seyn/ Der hier auß Beyleid nicht die Thränen liesse rinnen. Sein
Leichen-Gedichte. Der einen Himmel Luſt Herr Reuſchen hat gebracht/Sinckt/ ach unendlich Leid! ins Grabes ſchwartze Nacht. Die Turteltaube flieht von ihrem liebſten Gatten. Die keuſche Lilie/ ſo unvergleichlich ſchoͤn/ Man mit Verwunderung ſah in dem Garten ſtehn/ Muß von deß Todes Hitz und Brennen gantz ermatten; Wer ſieht nicht/ wie ihr Haupt/ eh’ es zur Erden ſinckt Mit einem Liebes-Blick noch nach Herr Reuſchen winckt. Die Blume/ die ſo viel Ergetzligkeit gegeben Und einen gantzen May der Anmuth fuͤrgeſtellt/ Zu der die Morgen-Roͤth im Purpur ſich geſellt/ Umb die die Liebe pflag als Nachbarin zu ſchweben/ Stuͤrtzt jetzt Herr Reuſchens Geiſt in ein hoͤchſt-ſchmertz- lich Weh/ Macht ſeinen Port der Luſt zu einer Thraͤnen-See. Der wolgeſtimmte Klang von gleich-geſinnten Hertzen/ Verſtimmt deß Todes Hand/ ſo daß die Harmonie Mit lauterm Winſeln ſchleuſt: Die Allerwerthſte die/ So vor als ein Magnet durch ihr beheglich Schertzen Den Eh, Schatz an ſich zog/ bringt deſto mehr Verluſt/ Weil fuͤr den Seelen-Rieß kein Pflaſter iſt bewuſt. Das Trauren wandelt ihn faſt in Corallen Aeſte/ Umb welch ohn unterlaß die Jammer-Welle ſchlaͤgt. Jch den mein Auge noch mehr wahrzunehmen traͤgt/ Leß’ eine neue Schrifft: Mein Kleinod iſt das beſte/ Worunter eine Kron mit Sieges-Zweigen lag/ Der ſich gantz Morgenland an Werth nicht gleichen mag. Mehr ſah’ ich einen Baum voll herꝛlicher Granaten Die ſchoͤnſte borſt’ entzwey: Mein Leben/ das iſt hin/ Auf daß nur meine Frucht zum Leben moͤge bluͤhn. Und wie ich embſig bin diß Raͤtzel zuerrathen/ Sagt Libitina mir: Der Außgang zeuge frey Daß er der Seeligen verlaßne Pflantze ſey. So muß der Seiden-Wurm ſein eigen Grab ſich ſpinnen/ So floͤſt der Pelican ſein Blut den Jungen ein. Ja/ Hochbekuͤmmerter/ der muͤſt ein Marmel ſeyn/ Der hier auß Beyleid nicht die Thraͤnen lieſſe rinnen. Sein
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Leichen-Gedichte.
Der einen Himmel Luſt Herr Reuſchen hat gebracht/
Sinckt/ ach unendlich Leid! ins Grabes ſchwartze Nacht.
Die Turteltaube flieht von ihrem liebſten Gatten.
Die keuſche Lilie/ ſo unvergleichlich ſchoͤn/
Man mit Verwunderung ſah in dem Garten ſtehn/
Muß von deß Todes Hitz und Brennen gantz ermatten;
Wer ſieht nicht/ wie ihr Haupt/ eh’ es zur Erden ſinckt
Mit einem Liebes-Blick noch nach Herr Reuſchen
winckt.
Die Blume/ die ſo viel Ergetzligkeit gegeben
Und einen gantzen May der Anmuth fuͤrgeſtellt/
Zu der die Morgen-Roͤth im Purpur ſich geſellt/
Umb die die Liebe pflag als Nachbarin zu ſchweben/
Stuͤrtzt jetzt Herr Reuſchens Geiſt in ein hoͤchſt-ſchmertz-
lich Weh/
Macht ſeinen Port der Luſt zu einer Thraͤnen-See.
Der wolgeſtimmte Klang von gleich-geſinnten Hertzen/
Verſtimmt deß Todes Hand/ ſo daß die Harmonie
Mit lauterm Winſeln ſchleuſt: Die Allerwerthſte die/
So vor als ein Magnet durch ihr beheglich Schertzen
Den Eh, Schatz an ſich zog/ bringt deſto mehr Verluſt/
Weil fuͤr den Seelen-Rieß kein Pflaſter iſt bewuſt.
Das Trauren wandelt ihn faſt in Corallen Aeſte/
Umb welch ohn unterlaß die Jammer-Welle ſchlaͤgt.
Jch den mein Auge noch mehr wahrzunehmen traͤgt/
Leß’ eine neue Schrifft: Mein Kleinod iſt das beſte/
Worunter eine Kron mit Sieges-Zweigen lag/
Der ſich gantz Morgenland an Werth nicht gleichen mag.
Mehr ſah’ ich einen Baum voll herꝛlicher Granaten
Die ſchoͤnſte borſt’ entzwey: Mein Leben/ das iſt hin/
Auf daß nur meine Frucht zum Leben moͤge
bluͤhn.
Und wie ich embſig bin diß Raͤtzel zuerrathen/
Sagt Libitina mir: Der Außgang zeuge frey
Daß er der Seeligen verlaßne Pflantze ſey.
So muß der Seiden-Wurm ſein eigen Grab ſich ſpinnen/
So floͤſt der Pelican ſein Blut den Jungen ein.
Ja/ Hochbekuͤmmerter/ der muͤſt ein Marmel ſeyn/
Der hier auß Beyleid nicht die Thraͤnen lieſſe rinnen.
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