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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Denn wenn die Regungen sich des Gemüthes stillen/
Wird seine Nutzbarkeit und Wolthat erst bedacht.
Ob mancher schon nicht denckt/ daß man des Todes Muhmen/
Auffbothen zu dem Grab/ Wegweiser zu der Fahrt
Die grauen Haare nennt/ des Kirchhoffs schönste Blumen/
Und für der letzten Frist sich so viel möglich spart.
So lehrt der Ausgang doch/ daß wie der Schnee muß schwinden
Bey auffgewachter Sonn/ der weisse Reiff vergeht/
Auch unsres Lebens Ziel sein Ende müsse finden/
Und daß uns Tag und Nacht der Tod zur Seiten steht.
Hergegen wer verwirfft des Fleisches faule Brillen/
Siht durch des Glaubens Glaß die Herrligkeiten an:
Glaubt das/ und kan auch so sein Hertz mit Trost bestillen.
Kein treuer Nachbar nicht als nur der Tod seyn kan.
Wie offt sind Nachbarn nicht auf Erden schlimme Feinde/
Ja gönnen vielmals kaum einander frische Lufft?
Nein/ der getrene Tod führt uns zum Seelen-Freunde
Auf den diß matte Hertz in letzten Zügen hofft.
Viel Nachbarn wünschen sich der Seythen ihre Hütten/
Daß nach Belieben sie dieselben rücken fort.
Wie heilsam ist der Tod! der aus des Satans Wüthen/
Und aus der Angst der Welt die Christen führt zum Port.
O seel' ge Nachbarschafft! wer hie den Tod wol kennet
Und ihn die Lebens-Zeit für einen Gleits-Mann hält/
Wird/ wenn sich der maleinst die Seel vom Leibe trennet
Zuletzt den Engeln noch als Nachbarn beygesellt.
Beglückte Nachbarin! Du hast es wol getroffen
Nachdem dein Auge nun die grossen Freuden schaut.
Du hast auff den gegründt dein unbeweglich Hoffen
Der dieses gantze Rund der weiten Welt erbaut.
Schlaf' in der Erden Schoß! kein Nachbar wird dich stören
Ob Nord/ Ost/ Sud und West die Nachbarschafft nicht hält.
Man kan noch deinen Ruhm auf vieler Zungen hören
Wie du gewesen bist ein Bild der alten Welt.
Dein Tugend-eyfrig Geist hat/ Seelige Matrone
Die Wollust dieser Zeit aus Haus und Hertz verdammt.
Zucht/ Ehr und Redligkeit war deiner Scheitel Krone
Und diese bleibt auch noch den Kindern eingestammt.
Die Mode von der Welt hieß eine Schanden-Decke;
So Laster nur allein nicht Tugend sichtbar macht.
Und
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Leichen-Gedichte.
Denn wenn die Regungen ſich des Gemuͤthes ſtillen/
Wird ſeine Nutzbarkeit und Wolthat erſt bedacht.
Ob mancher ſchon nicht denckt/ daß man des Todes Muhmen/
Auffbothen zu dem Grab/ Wegweiſer zu der Fahrt
Die grauen Haare nennt/ des Kirchhoffs ſchoͤnſte Blumen/
Und fuͤr der letzten Friſt ſich ſo viel moͤglich ſpart.
So lehrt der Ausgang doch/ daß wie der Schnee muß ſchwinden
Bey auffgewachter Sonn/ der weiſſe Reiff vergeht/
Auch unſres Lebens Ziel ſein Ende muͤſſe finden/
Und daß uns Tag und Nacht der Tod zur Seiten ſteht.
Hergegen wer verwirfft des Fleiſches faule Brillen/
Siht durch des Glaubens Glaß die Herrligkeiten an:
Glaubt das/ und kan auch ſo ſein Hertz mit Troſt beſtillen.
Kein treuer Nachbar nicht als nur der Tod ſeyn kan.
Wie offt ſind Nachbarn nicht auf Erden ſchlimme Feinde/
Ja goͤnnen vielmals kaum einander friſche Lufft?
Nein/ der getrene Tod fuͤhrt uns zum Seelen-Freunde
Auf den diß matte Hertz in letzten Zuͤgen hofft.
Viel Nachbarn wuͤnſchen ſich der Seythen ihre Huͤtten/
Daß nach Belieben ſie dieſelben ruͤcken fort.
Wie heilſam iſt der Tod! der aus des Satans Wuͤthen/
Und aus der Angſt der Welt die Chriſten fuͤhrt zum Port.
O ſeel’ ge Nachbarſchafft! wer hie den Tod wol kennet
Und ihn die Lebens-Zeit fuͤr einen Gleits-Mann haͤlt/
Wird/ wenn ſich der maleinſt die Seel vom Leibe trennet
Zuletzt den Engeln noch als Nachbarn beygeſellt.
Begluͤckte Nachbarin! Du haſt es wol getroffen
Nachdem dein Auge nun die groſſen Freuden ſchaut.
Du haſt auff den gegruͤndt dein unbeweglich Hoffen
Der dieſes gantze Rund der weiten Welt erbaut.
Schlaf’ in der Erden Schoß! kein Nachbar wird dich ſtoͤren
Ob Nord/ Oſt/ Sud und Weſt die Nachbarſchafft nicht haͤlt.
Man kan noch deinen Ruhm auf vieler Zungen hoͤren
Wie du geweſen biſt ein Bild der alten Welt.
Dein Tugend-eyfrig Geiſt hat/ Seelige Matrone
Die Wolluſt dieſer Zeit aus Haus und Hertz verdammt.
Zucht/ Ehr und Redligkeit war deiner Scheitel Krone
Und dieſe bleibt auch noch den Kindern eingeſtammt.
Die Mode von der Welt hieß eine Schanden-Decke;
So Laſter nur allein nicht Tugend ſichtbar macht.
Und
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[225/0457] Leichen-Gedichte. Denn wenn die Regungen ſich des Gemuͤthes ſtillen/ Wird ſeine Nutzbarkeit und Wolthat erſt bedacht. Ob mancher ſchon nicht denckt/ daß man des Todes Muhmen/ Auffbothen zu dem Grab/ Wegweiſer zu der Fahrt Die grauen Haare nennt/ des Kirchhoffs ſchoͤnſte Blumen/ Und fuͤr der letzten Friſt ſich ſo viel moͤglich ſpart. So lehrt der Ausgang doch/ daß wie der Schnee muß ſchwinden Bey auffgewachter Sonn/ der weiſſe Reiff vergeht/ Auch unſres Lebens Ziel ſein Ende muͤſſe finden/ Und daß uns Tag und Nacht der Tod zur Seiten ſteht. Hergegen wer verwirfft des Fleiſches faule Brillen/ Siht durch des Glaubens Glaß die Herrligkeiten an: Glaubt das/ und kan auch ſo ſein Hertz mit Troſt beſtillen. Kein treuer Nachbar nicht als nur der Tod ſeyn kan. Wie offt ſind Nachbarn nicht auf Erden ſchlimme Feinde/ Ja goͤnnen vielmals kaum einander friſche Lufft? Nein/ der getrene Tod fuͤhrt uns zum Seelen-Freunde Auf den diß matte Hertz in letzten Zuͤgen hofft. Viel Nachbarn wuͤnſchen ſich der Seythen ihre Huͤtten/ Daß nach Belieben ſie dieſelben ruͤcken fort. Wie heilſam iſt der Tod! der aus des Satans Wuͤthen/ Und aus der Angſt der Welt die Chriſten fuͤhrt zum Port. O ſeel’ ge Nachbarſchafft! wer hie den Tod wol kennet Und ihn die Lebens-Zeit fuͤr einen Gleits-Mann haͤlt/ Wird/ wenn ſich der maleinſt die Seel vom Leibe trennet Zuletzt den Engeln noch als Nachbarn beygeſellt. Begluͤckte Nachbarin! Du haſt es wol getroffen Nachdem dein Auge nun die groſſen Freuden ſchaut. Du haſt auff den gegruͤndt dein unbeweglich Hoffen Der dieſes gantze Rund der weiten Welt erbaut. Schlaf’ in der Erden Schoß! kein Nachbar wird dich ſtoͤren Ob Nord/ Oſt/ Sud und Weſt die Nachbarſchafft nicht haͤlt. Man kan noch deinen Ruhm auf vieler Zungen hoͤren Wie du geweſen biſt ein Bild der alten Welt. Dein Tugend-eyfrig Geiſt hat/ Seelige Matrone Die Wolluſt dieſer Zeit aus Haus und Hertz verdammt. Zucht/ Ehr und Redligkeit war deiner Scheitel Krone Und dieſe bleibt auch noch den Kindern eingeſtammt. Die Mode von der Welt hieß eine Schanden-Decke; So Laſter nur allein nicht Tugend ſichtbar macht. Und P p p

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/457>, abgerufen am 22.11.2024.