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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Es solt ein Nectar-Tranck sie von der Grufft befreyen/
So ihnen der Chymi verborgne Kunst geschenckt;
Allein die Lachesis hat nie gescheut ihr dreuen/
Sie wurden wie zuvor nur in den Sand gesenckt.
So viel vermag der Mensch/ so weit gehn seine Wercke/
Und von der Ewigkeit bloß eingebildter Wahn:
Gekrönter Häupter Macht/ berühmter Helden Stärcke/
Gelehrter Köpffe Witz geht die gemeine Bahn.
Der Schauplatz dieser Welt hegt seine Trauer-Spiele/
So der elende Mensch nicht satt bejammern mag/
Er ist Gefahr und Noth gesetzt zu einem Ziele/
Ein Amboß wo das Glück vollführet manchen Schlag.
Des Solons Schluß bleibt wahr/ daß vor der letzten Stunde
Kein Mensch/ wie groß er ist/ beglückt zu nennen sey.
Denn leiden Scepter noth/ gehn Kron und Thron zu Grunde:
Wird offt ein gantzes Reich ein öde Wüsteney:
So kan nichts Ewiges ein Sterblicher hier hoffen/
Noch auff des Glückes Gunst und seine Schätze baun.
Der Leib/ die Handvoll Staub/ steht tausend Martern offen
Eh' wir den Rest davon der Erden anvertraun.
Und fliehen wir das Grab? viel könnens nicht erlangen:
Die reibt das Feuer auff/ und andre frist die See:
Wie mancher ist beschimpfft an Rad und Pfal gegangen
Den vor der Grossen Gunst gehoben in die Höh?
Der Caesar wird erwürgt von seiner Freunde Händen;
Pompejus durch Betrug umb seinen Kopff gebracht:
Catull der Redner stirbt von eingeschluckten Bränden/
Homerus aus viel Harm/ Philemon weil er lacht.
So handelt uns der Tod/ und so viel Art und Wege
Sind zu der langen Nacht den Sterblichen bestimmt:
Da uns doch die Natur nur bloß auff einem Stege
Willkommen an das Licht in ihre Armen nimmt.
Wiewal den Heyden mag diß Wort wie Wermuth schmecken
Das uns heist untergehn/ und Staub und Asche seyn:
Wir wissen GOttes Mund wird diesen Staub erwecken/
Und in verklärtem Glantz zum Leben führen ein.
Glückselig/ die den Tod bey so ergrimmten Zeiten/
Da über unserm Kopff nichts als Cometen stehn/
Durch einen sanfften Schlaff zur süssen Ruh wil leiten/
Und heist sie Lebens-satt in ihre Kammern gehn.
Die
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Leichen-Gedichte.
Es ſolt ein Nectar-Tranck ſie von der Grufft befreyen/
So ihnen der Chymi verborgne Kunſt geſchenckt;
Allein die Lacheſis hat nie geſcheut ihr dreuen/
Sie wurden wie zuvor nur in den Sand geſenckt.
So viel vermag der Menſch/ ſo weit gehn ſeine Wercke/
Und von der Ewigkeit bloß eingebildter Wahn:
Gekroͤnter Haͤupter Macht/ beruͤhmter Helden Staͤrcke/
Gelehrter Koͤpffe Witz geht die gemeine Bahn.
Der Schauplatz dieſer Welt hegt ſeine Trauer-Spiele/
So der elende Menſch nicht ſatt bejammern mag/
Er iſt Gefahr und Noth geſetzt zu einem Ziele/
Ein Amboß wo das Gluͤck vollfuͤhret manchen Schlag.
Des Solons Schluß bleibt wahr/ daß vor der letzten Stunde
Kein Menſch/ wie groß er iſt/ begluͤckt zu nennen ſey.
Denn leiden Scepter noth/ gehn Kron und Thron zu Grunde:
Wird offt ein gantzes Reich ein oͤde Wuͤſteney:
So kan nichts Ewiges ein Sterblicher hier hoffen/
Noch auff des Gluͤckes Gunſt und ſeine Schaͤtze baun.
Der Leib/ die Handvoll Staub/ ſteht tauſend Martern offen
Eh’ wir den Reſt davon der Erden anvertraun.
Und fliehen wir das Grab? viel koͤnnens nicht erlangen:
Die reibt das Feuer auff/ und andre friſt die See:
Wie mancher iſt beſchimpfft an Rad und Pfal gegangen
Den vor der Groſſen Gunſt gehoben in die Hoͤh?
Der Cæſar wird erwuͤrgt von ſeiner Freunde Haͤnden;
Pompejus durch Betrug umb ſeinen Kopff gebracht:
Catull der Redner ſtirbt von eingeſchluckten Braͤnden/
Homerus aus viel Harm/ Philemon weil er lacht.
So handelt uns der Tod/ und ſo viel Art und Wege
Sind zu der langen Nacht den Sterblichen beſtimmt:
Da uns doch die Natur nur bloß auff einem Stege
Willkommen an das Licht in ihre Armen nimmt.
Wiewal den Heyden mag diß Wort wie Wermuth ſchmecken
Das uns heiſt untergehn/ und Staub und Aſche ſeyn:
Wir wiſſen GOttes Mund wird dieſen Staub erwecken/
Und in verklaͤrtem Glantz zum Leben fuͤhren ein.
Gluͤckſelig/ die den Tod bey ſo ergrimmten Zeiten/
Da uͤber unſerm Kopff nichts als Cometen ſtehn/
Durch einen ſanfften Schlaff zur ſuͤſſen Ruh wil leiten/
Und heiſt ſie Lebens-ſatt in ihre Kammern gehn.
Die
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[119/0351] Leichen-Gedichte. Es ſolt ein Nectar-Tranck ſie von der Grufft befreyen/ So ihnen der Chymi verborgne Kunſt geſchenckt; Allein die Lacheſis hat nie geſcheut ihr dreuen/ Sie wurden wie zuvor nur in den Sand geſenckt. So viel vermag der Menſch/ ſo weit gehn ſeine Wercke/ Und von der Ewigkeit bloß eingebildter Wahn: Gekroͤnter Haͤupter Macht/ beruͤhmter Helden Staͤrcke/ Gelehrter Koͤpffe Witz geht die gemeine Bahn. Der Schauplatz dieſer Welt hegt ſeine Trauer-Spiele/ So der elende Menſch nicht ſatt bejammern mag/ Er iſt Gefahr und Noth geſetzt zu einem Ziele/ Ein Amboß wo das Gluͤck vollfuͤhret manchen Schlag. Des Solons Schluß bleibt wahr/ daß vor der letzten Stunde Kein Menſch/ wie groß er iſt/ begluͤckt zu nennen ſey. Denn leiden Scepter noth/ gehn Kron und Thron zu Grunde: Wird offt ein gantzes Reich ein oͤde Wuͤſteney: So kan nichts Ewiges ein Sterblicher hier hoffen/ Noch auff des Gluͤckes Gunſt und ſeine Schaͤtze baun. Der Leib/ die Handvoll Staub/ ſteht tauſend Martern offen Eh’ wir den Reſt davon der Erden anvertraun. Und fliehen wir das Grab? viel koͤnnens nicht erlangen: Die reibt das Feuer auff/ und andre friſt die See: Wie mancher iſt beſchimpfft an Rad und Pfal gegangen Den vor der Groſſen Gunſt gehoben in die Hoͤh? Der Cæſar wird erwuͤrgt von ſeiner Freunde Haͤnden; Pompejus durch Betrug umb ſeinen Kopff gebracht: Catull der Redner ſtirbt von eingeſchluckten Braͤnden/ Homerus aus viel Harm/ Philemon weil er lacht. So handelt uns der Tod/ und ſo viel Art und Wege Sind zu der langen Nacht den Sterblichen beſtimmt: Da uns doch die Natur nur bloß auff einem Stege Willkommen an das Licht in ihre Armen nimmt. Wiewal den Heyden mag diß Wort wie Wermuth ſchmecken Das uns heiſt untergehn/ und Staub und Aſche ſeyn: Wir wiſſen GOttes Mund wird dieſen Staub erwecken/ Und in verklaͤrtem Glantz zum Leben fuͤhren ein. Gluͤckſelig/ die den Tod bey ſo ergrimmten Zeiten/ Da uͤber unſerm Kopff nichts als Cometen ſtehn/ Durch einen ſanfften Schlaff zur ſuͤſſen Ruh wil leiten/ Und heiſt ſie Lebens-ſatt in ihre Kammern gehn. Die H h h 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/351>, abgerufen am 25.11.2024.