Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Ach kluge Seelige! Dein' Ampel hat gebrennet/Dein Rosen-Krantz verblast auch bey der Nach Welt nicht! Dich hat der Bräutigam/ du wieder ihn gekennet/ Und im Triumph geführt für Gottes Angesicht. Mexicanischer Lebens-Baum/ JNdem/ Hochwürdiger/ sein Hauß geht in der Klage/Bey Beerdigung Fr. E. W. g. K. abgebildet/ den 12. Junii 1672. Er selbst in Flor und Boy sich itzt verhüllen muß/ Und hochbekümmert sieht den traurigsten der Tage/ So über ihn bestimmt deß Allerhöchsten Schluß/ Will ich den Lebens-Baum statt der Cypressen wählen/ Den Neu Hispanien und Mexico gebürt/ Und dessen Eigenschasst und Namen zu erzehlen/ Den er in frembder Sprach Kokochiati führt. Wenn eines Menschen Hand die Blätter nur betastet/ So stehn sie wie betrübt/ und in den Schlaff gesetzt. Geschichts zum andernmal/ so wird der Baum entlastet/ Von seiner Blätter Rey/ und scheint als wie verletzt. Erkühnt man ferner sich ein Stück darvon zu schneiden/ Wird der berührte Ort gantz schwartz/ als wie verbrand/ Und mehr/ so kan er nicht des Menschen Athem leiden/ Er schüttelt augenblicks die Blätter in den Sand. Doch in Gujana siht ihn eine Viertelstunde/ Vom neuen wieder blühn/ und gleichsam lebend seyn. Steht unser Leben nicht auf eben solchem Grunde? Und trifft mit diesem Baum sein Eigenschafft nicht ein? Hier macht des Menschen Hand daß Blüth und Blätter fallen: Mit uns deß Todes-Arm dergleichen Trauer-Spiel. Die außgestreckte Zeit/ die wir auff Erden wallen/ Was ist sie? als nur bloß der Eitelkeiten Ziel. Wir träumen wie im Schlaff/ und irren mit Gedancken/ Sind wie ein brennend Licht/ das selber sich verzehrt/ Hier wird durch Kümmernüs/ und dort durch stetes krancken/ Fast Stückweiß unser Leib in Asch und Grauß gekehrt. Jedwede Stunde trägt auch was von uns zu Grabe/ Wir sterben da nicht erst/ wenn uns der Tod befällt/ Wann den entseelten Leib frist Fäulnis/ Wurm und Schabe/ Nein; unsern Wiegen wird der Sarg schon beygesellt. Der
Leichen-Gedichte. Ach kluge Seelige! Dein’ Ampel hat gebrennet/Dein Roſen-Krantz verblaſt auch bey der Nach Welt nicht! Dich hat der Braͤutigam/ du wieder ihn gekennet/ Und im Triumph gefuͤhrt fuͤr Gottes Angeſicht. Mexicaniſcher Lebens-Baum/ JNdem/ Hochwuͤrdiger/ ſein Hauß geht in der Klage/Bey Beerdigung Fr. E. W. g. K. abgebildet/ den 12. Junii 1672. Er ſelbſt in Flor und Boy ſich itzt verhuͤllen muß/ Und hochbekuͤmmert ſieht den traurigſten der Tage/ So uͤber ihn beſtimmt deß Allerhoͤchſten Schluß/ Will ich den Lebens-Baum ſtatt der Cypreſſen waͤhlen/ Den Neu Hiſpanien und Mexico gebuͤrt/ Und deſſen Eigenſchaſſt und Namen zu erzehlen/ Den er in frembder Sprach Kokochiati fuͤhrt. Wenn eines Menſchen Hand die Blaͤtter nur betaſtet/ So ſtehn ſie wie betruͤbt/ und in den Schlaff geſetzt. Geſchichts zum andernmal/ ſo wird der Baum entlaſtet/ Von ſeiner Blaͤtter Rey/ und ſcheint als wie verletzt. Erkuͤhnt man ferner ſich ein Stuͤck darvon zu ſchneiden/ Wird der beruͤhrte Ort gantz ſchwartz/ als wie verbrand/ Und mehr/ ſo kan er nicht des Menſchen Athem leiden/ Er ſchuͤttelt augenblicks die Blaͤtter in den Sand. Doch in Gujana ſiht ihn eine Viertelſtunde/ Vom neuen wieder bluͤhn/ und gleichſam lebend ſeyn. Steht unſer Leben nicht auf eben ſolchem Grunde? Und trifft mit dieſem Baum ſein Eigenſchafft nicht ein? Hier macht des Menſchen Hand daß Bluͤth und Blaͤtter fallen: Mit uns deß Todes-Arm dergleichen Trauer-Spiel. Die außgeſtreckte Zeit/ die wir auff Erden wallen/ Was iſt ſie? als nur bloß der Eitelkeiten Ziel. Wir traͤumen wie im Schlaff/ und irren mit Gedancken/ Sind wie ein brennend Licht/ das ſelber ſich verzehrt/ Hier wird durch Kuͤmmernuͤs/ und dort durch ſtetes krancken/ Faſt Stuͤckweiß unſer Leib in Aſch und Grauß gekehrt. Jedwede Stunde traͤgt auch was von uns zu Grabe/ Wir ſterben da nicht erſt/ wenn uns der Tod befaͤllt/ Wann den entſeelten Leib friſt Faͤulnis/ Wurm und Schabe/ Nein; unſern Wiegen wird der Sarg ſchon beygeſellt. Der
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Leichen-Gedichte.
Ach kluge Seelige! Dein’ Ampel hat gebrennet/
Dein Roſen-Krantz verblaſt auch bey der Nach Welt nicht!
Dich hat der Braͤutigam/ du wieder ihn gekennet/
Und im Triumph gefuͤhrt fuͤr Gottes Angeſicht.
Mexicaniſcher Lebens-Baum/
Bey Beerdigung Fr. E. W. g. K. abgebildet/
den 12. Junii 1672.
JNdem/ Hochwuͤrdiger/ ſein Hauß geht in der Klage/
Er ſelbſt in Flor und Boy ſich itzt verhuͤllen muß/
Und hochbekuͤmmert ſieht den traurigſten der Tage/
So uͤber ihn beſtimmt deß Allerhoͤchſten Schluß/
Will ich den Lebens-Baum ſtatt der Cypreſſen waͤhlen/
Den Neu Hiſpanien und Mexico gebuͤrt/
Und deſſen Eigenſchaſſt und Namen zu erzehlen/
Den er in frembder Sprach Kokochiati fuͤhrt.
Wenn eines Menſchen Hand die Blaͤtter nur betaſtet/
So ſtehn ſie wie betruͤbt/ und in den Schlaff geſetzt.
Geſchichts zum andernmal/ ſo wird der Baum entlaſtet/
Von ſeiner Blaͤtter Rey/ und ſcheint als wie verletzt.
Erkuͤhnt man ferner ſich ein Stuͤck darvon zu ſchneiden/
Wird der beruͤhrte Ort gantz ſchwartz/ als wie verbrand/
Und mehr/ ſo kan er nicht des Menſchen Athem leiden/
Er ſchuͤttelt augenblicks die Blaͤtter in den Sand.
Doch in Gujana ſiht ihn eine Viertelſtunde/
Vom neuen wieder bluͤhn/ und gleichſam lebend ſeyn.
Steht unſer Leben nicht auf eben ſolchem Grunde?
Und trifft mit dieſem Baum ſein Eigenſchafft nicht ein?
Hier macht des Menſchen Hand daß Bluͤth und Blaͤtter fallen:
Mit uns deß Todes-Arm dergleichen Trauer-Spiel.
Die außgeſtreckte Zeit/ die wir auff Erden wallen/
Was iſt ſie? als nur bloß der Eitelkeiten Ziel.
Wir traͤumen wie im Schlaff/ und irren mit Gedancken/
Sind wie ein brennend Licht/ das ſelber ſich verzehrt/
Hier wird durch Kuͤmmernuͤs/ und dort durch ſtetes krancken/
Faſt Stuͤckweiß unſer Leib in Aſch und Grauß gekehrt.
Jedwede Stunde traͤgt auch was von uns zu Grabe/
Wir ſterben da nicht erſt/ wenn uns der Tod befaͤllt/
Wann den entſeelten Leib friſt Faͤulnis/ Wurm und Schabe/
Nein; unſern Wiegen wird der Sarg ſchon beygeſellt.
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