Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Sind Zeugen welche sie mit einem Ruhm umbgeben/Den nicht die Grufft befleckt/ vergifft des Neides Stich. Wie fleissig hat sie nicht des HErren Hauß besuchet Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt/ Jn rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet/ Und selbten noch bezeugt biß in die letzte Noth? Bey solchem Zustand muß der Mutter Hertz auch bluten/ Weil ihrer Jahre Trost und Hoffnung so versinckt/ Wie groß der Kummer sey ist unschwer zu vermuthen/ Jndem der Wangen-Feld nichts als nur Thränen trinckt. Wiewol sie hoch beglückt daß so ein Bild der Tugend Zu ihrem Trost und Ruhm sie auffer zogen hat. Die Keuschheit/ Zucht und Witz das Kleinod grüner Jugend Wird nicht in Sarg gelegt/ und blüht noch bey der Stadt. Betrübte/ die ihr sie als Tochter theils beweinet/ Als Eh-Schatz höchst vermist/ als Schwester sehr be- Jn schwartzem Boy und Flor wehmütigst hier erscheinet/ (klagt/ Und mit der Seeligen euch fast zu Grabe tragt/ Bekämpffet euren Schmertz. Das schreckliche Gerichte/ Wovon den Priester sie des Sontags noch gehört/ Macht unsre Richterin im wenigsten zu nichte/ Sie wird zur Rechten stehn und herrlich seyn geehrt. Mitleiden SO gehst du/ Seeliger/ nach so viel Creutz und Leiden/Bey Beerdigung Hn. H. G. abgeleget den 12. April. 1672. Mit dem Gecreutzigten in deines Grabes Nacht! So kan auch nicht der Tod von deinem GOtt dich scheide/ Weil er durch seinen Tod das Leben dir gebracht! So hast du dich gesehnt mit JEsu zu erblassen/ Damit du kanst verklart einst in ihm aufferstehn! Und weil ein finster Grab das Heil der Welt muß fassen/ Wilstu auch Glaubens-voll zu deinen Vätern gehn. Der Oelberg voller Angst ist nunmehr überstiegen/ Des HErren Leichen-Tuch hüllt jetzt den Cörper ein: Wie der Erlöser nicht im Grab ist blieben liegen/ So wird auch dir dein Sarch kein ewig Wohn-Haus seyn. Denn G g g 4
Leichen-Gedichte. Sind Zeugen welche ſie mit einem Ruhm umbgeben/Den nicht die Grufft befleckt/ vergifft des Neides Stich. Wie fleiſſig hat ſie nicht des HErren Hauß beſuchet Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt/ Jn rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet/ Und ſelbten noch bezeugt biß in die letzte Noth? Bey ſolchem Zuſtand muß der Mutter Hertz auch bluten/ Weil ihrer Jahre Troſt und Hoffnung ſo verſinckt/ Wie groß der Kummer ſey iſt unſchwer zu vermuthen/ Jndem der Wangen-Feld nichts als nur Thraͤnen trinckt. Wiewol ſie hoch begluͤckt daß ſo ein Bild der Tugend Zu ihrem Troſt und Ruhm ſie auffer zogen hat. Die Keuſchheit/ Zucht und Witz das Kleinod gruͤner Jugend Wird nicht in Sarg gelegt/ und bluͤht noch bey der Stadt. Betruͤbte/ die ihr ſie als Tochter theils beweinet/ Als Eh-Schatz hoͤchſt vermiſt/ als Schweſter ſehr be- Jn ſchwartzem Boy und Flor wehmuͤtigſt hier erſcheinet/ (klagt/ Und mit der Seeligen euch faſt zu Grabe tragt/ Bekaͤmpffet euren Schmertz. Das ſchreckliche Gerichte/ Wovon den Prieſter ſie des Sontags noch gehoͤrt/ Macht unſre Richterin im wenigſten zu nichte/ Sie wird zur Rechten ſtehn und herrlich ſeyn geehrt. Mitleiden SO gehſt du/ Seeliger/ nach ſo viel Creutz und Leiden/Bey Beerdigung Hn. H. G. abgeleget den 12. April. 1672. Mit dem Gecreutzigten in deines Grabes Nacht! So kan auch nicht der Tod von deinem GOtt dich ſcheidē/ Weil er durch ſeinen Tod das Leben dir gebracht! So haſt du dich geſehnt mit JEſu zu erblaſſen/ Damit du kanſt verklart einſt in ihm aufferſtehn! Und weil ein finſter Grab das Heil der Welt muß faſſen/ Wilſtu auch Glaubens-voll zu deinen Vaͤtern gehn. Der Oelberg voller Angſt iſt nunmehr uͤberſtiegen/ Des HErren Leichen-Tuch huͤllt jetzt den Coͤrper ein: Wie der Erloͤſer nicht im Grab iſt blieben liegen/ So wird auch dir dein Sarch kein ewig Wohn-Haus ſeyn. Denn G g g 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0335" n="103"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Sind Zeugen welche ſie mit einem Ruhm umbgeben/</l><lb/> <l>Den nicht die Grufft befleckt/ vergifft des Neides Stich.</l><lb/> <l>Wie fleiſſig hat ſie nicht des HErren Hauß beſuchet</l><lb/> <l>Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt/</l><lb/> <l>Jn rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet/</l><lb/> <l>Und ſelbten noch bezeugt biß in die letzte Noth?</l><lb/> <l>Bey ſolchem Zuſtand muß der Mutter Hertz auch bluten/</l><lb/> <l>Weil ihrer Jahre Troſt und Hoffnung ſo verſinckt/</l><lb/> <l>Wie groß der Kummer ſey iſt unſchwer zu vermuthen/</l><lb/> <l>Jndem der Wangen-Feld nichts als nur Thraͤnen trinckt.</l><lb/> <l>Wiewol ſie hoch begluͤckt daß ſo ein Bild der Tugend</l><lb/> <l>Zu ihrem Troſt und Ruhm ſie auffer zogen hat.</l><lb/> <l>Die Keuſchheit/ Zucht und Witz das Kleinod gruͤner Jugend</l><lb/> <l>Wird nicht in Sarg gelegt/ und bluͤht noch bey der Stadt.</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Betruͤbte/</hi> die ihr ſie als <hi rendition="#fr">Tochter</hi> theils beweinet/</l><lb/> <l xml:id="vers0335a" next="#vers0335b">Als <hi rendition="#fr">Eh-Schatz</hi> hoͤchſt vermiſt/ als <hi rendition="#fr">Schweſter</hi> ſehr be-</l><lb/> <l>Jn ſchwartzem Boy und Flor wehmuͤtigſt hier erſcheinet/</l> <l xml:id="vers0335b" prev="#vers0335a"> <hi rendition="#et">(klagt/</hi> </l><lb/> <l>Und mit der <hi rendition="#fr">Seeligen</hi> euch faſt zu Grabe tragt/</l><lb/> <l>Bekaͤmpffet euren Schmertz. Das ſchreckliche Gerichte/</l><lb/> <l>Wovon den Prieſter ſie des Sontags noch gehoͤrt/</l><lb/> <l>Macht unſre <hi rendition="#fr">Richterin</hi> im wenigſten zu nichte/</l><lb/> <l>Sie wird zur Rechten ſtehn und herrlich ſeyn geehrt.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mitleiden<lb/> Bey Beerdigung Hn. H. G. abgeleget den<lb/> 12. April. 1672.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">S</hi>O gehſt du/ <hi rendition="#fr">Seeliger/</hi> nach ſo viel Creutz und Leiden/</l><lb/> <l>Mit dem Gecreutzigten in deines Grabes Nacht!</l><lb/> <l>So kan auch nicht der Tod von deinem GOtt dich ſcheidē/</l><lb/> <l>Weil er durch ſeinen Tod das Leben dir gebracht!</l><lb/> <l>So haſt du dich geſehnt mit JEſu zu erblaſſen/</l><lb/> <l>Damit du kanſt verklart einſt in ihm aufferſtehn!</l><lb/> <l>Und weil ein finſter Grab das Heil der Welt muß faſſen/</l><lb/> <l>Wilſtu auch Glaubens-voll zu deinen Vaͤtern gehn.</l><lb/> <l>Der Oelberg voller Angſt iſt nunmehr uͤberſtiegen/</l><lb/> <l>Des HErren Leichen-Tuch huͤllt jetzt den Coͤrper ein:</l><lb/> <l>Wie der Erloͤſer nicht im Grab iſt blieben liegen/</l><lb/> <l>So wird auch dir dein Sarch kein ewig Wohn-Haus ſeyn.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G g g 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Denn</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [103/0335]
Leichen-Gedichte.
Sind Zeugen welche ſie mit einem Ruhm umbgeben/
Den nicht die Grufft befleckt/ vergifft des Neides Stich.
Wie fleiſſig hat ſie nicht des HErren Hauß beſuchet
Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt/
Jn rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet/
Und ſelbten noch bezeugt biß in die letzte Noth?
Bey ſolchem Zuſtand muß der Mutter Hertz auch bluten/
Weil ihrer Jahre Troſt und Hoffnung ſo verſinckt/
Wie groß der Kummer ſey iſt unſchwer zu vermuthen/
Jndem der Wangen-Feld nichts als nur Thraͤnen trinckt.
Wiewol ſie hoch begluͤckt daß ſo ein Bild der Tugend
Zu ihrem Troſt und Ruhm ſie auffer zogen hat.
Die Keuſchheit/ Zucht und Witz das Kleinod gruͤner Jugend
Wird nicht in Sarg gelegt/ und bluͤht noch bey der Stadt.
Betruͤbte/ die ihr ſie als Tochter theils beweinet/
Als Eh-Schatz hoͤchſt vermiſt/ als Schweſter ſehr be-
Jn ſchwartzem Boy und Flor wehmuͤtigſt hier erſcheinet/ (klagt/
Und mit der Seeligen euch faſt zu Grabe tragt/
Bekaͤmpffet euren Schmertz. Das ſchreckliche Gerichte/
Wovon den Prieſter ſie des Sontags noch gehoͤrt/
Macht unſre Richterin im wenigſten zu nichte/
Sie wird zur Rechten ſtehn und herrlich ſeyn geehrt.
Mitleiden
Bey Beerdigung Hn. H. G. abgeleget den
12. April. 1672.
SO gehſt du/ Seeliger/ nach ſo viel Creutz und Leiden/
Mit dem Gecreutzigten in deines Grabes Nacht!
So kan auch nicht der Tod von deinem GOtt dich ſcheidē/
Weil er durch ſeinen Tod das Leben dir gebracht!
So haſt du dich geſehnt mit JEſu zu erblaſſen/
Damit du kanſt verklart einſt in ihm aufferſtehn!
Und weil ein finſter Grab das Heil der Welt muß faſſen/
Wilſtu auch Glaubens-voll zu deinen Vaͤtern gehn.
Der Oelberg voller Angſt iſt nunmehr uͤberſtiegen/
Des HErren Leichen-Tuch huͤllt jetzt den Coͤrper ein:
Wie der Erloͤſer nicht im Grab iſt blieben liegen/
So wird auch dir dein Sarch kein ewig Wohn-Haus ſeyn.
Denn
G g g 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |