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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Unwiederrufflich ists/ daß Lust ins Grab gewichen/
Daß die Ergötzligkeit so aus den Händen fällt/
Und mit dem lieben Kind viel Freuden sind verblichen/
So mit Verlauf der Zeit sein Wachsthum angestelt.
Alleine unser Fuß kan nicht stets Rosen treten/
Weil Jammer-Disteln offt verschrencken Weg und Bahn.
Der Mensch ist nur zu schwach die Dörner auszujäten/
Sie hengen unvermerckt des Lebens-Acker an.
Auch jener Weise nennt/ ein todtes Meer/ das Leben/
Jn welchem niemals sich die Kummer-Welle regt.
Was hier der Höchste nimmt/ das kan er wieder geben/
Weil sein gewaltig Arm das Horn des Heiles trägt.
Ein rauher Sassafras gleicht keinem Mußcateller/
Und doch der Würckung nach ists ein gesunder Tranck/
Nach dickgewölckter Nacht erscheint die Sonne heller/
Und durch Verstimmung lauft der zierlichste Gesang.
Der Sohn ist Thränen werth/ doch/ weil auch diese schwinden/
So kan/ Bekümmerte/ der Schmertz nicht ewig seyn.
Die Zeit und die Gedult pflegt Wunden zuzubinden/
Da eh ein hitzig Artzt setzt alle Messer ein.
Genung: die Flüchtigkeit ist Rosen nicht zu nehmen/
Und unsrer Sterbligkeit Jnsiegel bleibt der Todt/
Wer sich dem alten Bund und Recht nicht wil bequemen/
Der lästert die Natur und handelt wider GOtt.
Beyleid
Bey Beerdigung Hn. G. N. M. D. Töchter-
lein den 4. May 1665.
BEstürtzte/ wo mein Reim nach einer Leiche schmecket/
So wisst bey Sterbenden hab' ich ihn auch gemacht/
Wo weder Liebligkeit noch Zucker drinnen stecket/
So dencket daß der Tod Kunst/ Witz und Zier verlacht.
Euch ist ein liebes Kind/ und mir ein Freund verblichen/
Und beyde fallen hin im angenehmen May;
Es sind die Gratien von meiner Brust gewichen/
Statt eines süssen Klangs erthönt ein Leich-Geschrey.
Die Kirchhoffs-Blumen sind nicht nur die grauen Haare/
Weil bey den Kindern offt der Tod in Wiegen liegt/
Das
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Leichen-Gedichte.
Unwiederrufflich iſts/ daß Luſt ins Grab gewichen/
Daß die Ergoͤtzligkeit ſo aus den Haͤnden faͤllt/
Und mit dem lieben Kind viel Freuden ſind verblichen/
So mit Verlauf der Zeit ſein Wachsthum angeſtelt.
Alleine unſer Fuß kan nicht ſtets Roſen treten/
Weil Jammer-Diſteln offt verſchrencken Weg und Bahn.
Der Menſch iſt nur zu ſchwach die Doͤrner auszujaͤten/
Sie hengen unvermerckt des Lebens-Acker an.
Auch jener Weiſe nennt/ ein todtes Meer/ das Leben/
Jn welchem niemals ſich die Kummer-Welle regt.
Was hier der Hoͤchſte nimmt/ das kan er wieder geben/
Weil ſein gewaltig Arm das Horn des Heiles traͤgt.
Ein rauher Saſſafras gleicht keinem Mußcateller/
Und doch der Wuͤrckung nach iſts ein geſunder Tranck/
Nach dickgewoͤlckter Nacht erſcheint die Sonne heller/
Und durch Verſtimmung lauft der zierlichſte Geſang.
Der Sohn iſt Thraͤnen werth/ doch/ weil auch dieſe ſchwinden/
So kan/ Bekuͤmmerte/ der Schmertz nicht ewig ſeyn.
Die Zeit und die Gedult pflegt Wunden zuzubinden/
Da eh ein hitzig Artzt ſetzt alle Meſſer ein.
Genung: die Fluͤchtigkeit iſt Roſen nicht zu nehmen/
Und unſrer Sterbligkeit Jnſiegel bleibt der Todt/
Wer ſich dem alten Bund und Recht nicht wil bequemen/
Der laͤſtert die Natur und handelt wider GOtt.
Beyleid
Bey Beerdigung Hn. G. N. M. D. Toͤchter-
lein den 4. May 1665.
BEſtuͤrtzte/ wo mein Reim nach einer Leiche ſchmecket/
So wiſſt bey Sterbenden hab’ ich ihn auch gemacht/
Wo weder Liebligkeit noch Zucker drinnen ſtecket/
So dencket daß der Tod Kunſt/ Witz und Zier verlacht.
Euch iſt ein liebes Kind/ und mir ein Freund verblichen/
Und beyde fallen hin im angenehmen May;
Es ſind die Gratien von meiner Bruſt gewichen/
Statt eines ſuͤſſen Klangs erthoͤnt ein Leich-Geſchrey.
Die Kirchhoffs-Blumen ſind nicht nur die grauen Haare/
Weil bey den Kindern offt der Tod in Wiegen liegt/
Das
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[35/0267] Leichen-Gedichte. Unwiederrufflich iſts/ daß Luſt ins Grab gewichen/ Daß die Ergoͤtzligkeit ſo aus den Haͤnden faͤllt/ Und mit dem lieben Kind viel Freuden ſind verblichen/ So mit Verlauf der Zeit ſein Wachsthum angeſtelt. Alleine unſer Fuß kan nicht ſtets Roſen treten/ Weil Jammer-Diſteln offt verſchrencken Weg und Bahn. Der Menſch iſt nur zu ſchwach die Doͤrner auszujaͤten/ Sie hengen unvermerckt des Lebens-Acker an. Auch jener Weiſe nennt/ ein todtes Meer/ das Leben/ Jn welchem niemals ſich die Kummer-Welle regt. Was hier der Hoͤchſte nimmt/ das kan er wieder geben/ Weil ſein gewaltig Arm das Horn des Heiles traͤgt. Ein rauher Saſſafras gleicht keinem Mußcateller/ Und doch der Wuͤrckung nach iſts ein geſunder Tranck/ Nach dickgewoͤlckter Nacht erſcheint die Sonne heller/ Und durch Verſtimmung lauft der zierlichſte Geſang. Der Sohn iſt Thraͤnen werth/ doch/ weil auch dieſe ſchwinden/ So kan/ Bekuͤmmerte/ der Schmertz nicht ewig ſeyn. Die Zeit und die Gedult pflegt Wunden zuzubinden/ Da eh ein hitzig Artzt ſetzt alle Meſſer ein. Genung: die Fluͤchtigkeit iſt Roſen nicht zu nehmen/ Und unſrer Sterbligkeit Jnſiegel bleibt der Todt/ Wer ſich dem alten Bund und Recht nicht wil bequemen/ Der laͤſtert die Natur und handelt wider GOtt. Beyleid Bey Beerdigung Hn. G. N. M. D. Toͤchter- lein den 4. May 1665. BEſtuͤrtzte/ wo mein Reim nach einer Leiche ſchmecket/ So wiſſt bey Sterbenden hab’ ich ihn auch gemacht/ Wo weder Liebligkeit noch Zucker drinnen ſtecket/ So dencket daß der Tod Kunſt/ Witz und Zier verlacht. Euch iſt ein liebes Kind/ und mir ein Freund verblichen/ Und beyde fallen hin im angenehmen May; Es ſind die Gratien von meiner Bruſt gewichen/ Statt eines ſuͤſſen Klangs erthoͤnt ein Leich-Geſchrey. Die Kirchhoffs-Blumen ſind nicht nur die grauen Haare/ Weil bey den Kindern offt der Tod in Wiegen liegt/ Das C c c 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/267>, abgerufen am 22.11.2024.