Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite

Leichen-Gedichte.
Der selbst ein Spiel der Zeit/ verspielet seine Zeiten/
Und jener läst sich Furcht und Hoffnung überstreiten.
Dem sinckt die Lieb ins Hertz/ gleich wie ein schneller Pfeil/
Die Gluth dringt durch das Blut/ und wallet in den Gliedern/
Der angenehme Blitz der aus den Augenliedern
Mit holder Anmuth spielt/ macht seine Wunden heil.
Diß ist der gröste Wunsch/ so sucht man sein Verderben/
Und so wil auch der Mensch auff Wollust-Federn sterben.
Den dürst nach Menschen-Blut/ o grausam wildes Thier/
Vermischt Verzweiffelung mit Zagheit offt zusammen/
Und suchet seinen Tod/ wo die Carthaunen Flammen/
Und Blitz und Hagel speyn/ den findet er auch hier.
Ein ander schwächt den Leib mit ungeheurem sauffen/
Und pflegt ihm für sein Geld die gröste Noth zu kauffen.
Wen treibt nicht die Begier durch Erde/ Lufft und See?
Der wil die gantze Welt in seinen Kopff einschliessen/
Und jener frembde Sünd aus frembden Landen wissen/
Und wo die Uppigkeit im besten schwange geh'
Er setzt die Rechnung auff und richtet sich nach Sachen/
Die auch die Eitelkeit weit eitler könte machen.
Jn zwischen Furcht und Angst/ in zwischen Freud und Leid
Muß der geklemmte Geist in seinem Kercker schwitzen/
Wann Hochmuth und der Geitz bey uns zu rathe sitzen
Da den der Ehren-Dunst/ und jenen Geld erfreut.
Das Geld und auch das Gold/ das blaß von heissen Zähren/
Sol nach der meisten Spruch den Himmel uns gewehren.
So fährt die Zeit dahin/ biß an der Jahre Schnee/
Das Leben kocht in Angst/ die Seel in tausend Schmertzen/
Wenn in dem Munde Lust und süsse Worte schertzen:
Offt liegt beym Zuckerrohr ein bittres Aloe.
So ist des Lebens Glantz ein Englisch seyn von forne/
Das Teufflisch uns bekriegt/ die Rose steckt im Dorne.
Leg einen Purpur um/ gewinne Cron und Thron/
Häng' einen Diamant an den gesalbten Nacken;
Und du nimm einen Hut von Stroh und eine Hacken/
Laß sehn ob auch der Tod nach gleichen Würden lohn?
Es ist ein gleicher Schluß/ der Jugend guldne Haare/
Der alten graues Haupt bedecket eine Baare.
Wiewohl die Sterbligkeit gewisse Schrancken hat!
Der stirbt noch eh er stirbt/ und noch für seinem Leben/

So
A a a 4

Leichen-Gedichte.
Der ſelbſt ein Spiel der Zeit/ verſpielet ſeine Zeiten/
Und jener laͤſt ſich Furcht und Hoffnung uͤberſtreiten.
Dem ſinckt die Lieb ins Hertz/ gleich wie ein ſchneller Pfeil/
Die Gluth dringt durch das Blut/ und wallet in den Gliedern/
Der angenehme Blitz der aus den Augenliedern
Mit holder Anmuth ſpielt/ macht ſeine Wunden heil.
Diß iſt der groͤſte Wunſch/ ſo ſucht man ſein Verderben/
Und ſo wil auch der Menſch auff Wolluſt-Federn ſterben.
Den duͤrſt nach Menſchen-Blut/ ô grauſam wildes Thier/
Vermiſcht Verzweiffelung mit Zagheit offt zuſammen/
Und ſuchet ſeinen Tod/ wo die Carthaunen Flammen/
Und Blitz und Hagel ſpeyn/ den findet er auch hier.
Ein ander ſchwaͤcht den Leib mit ungeheurem ſauffen/
Und pflegt ihm fuͤr ſein Geld die groͤſte Noth zu kauffen.
Wen treibt nicht die Begier durch Erde/ Lufft und See?
Der wil die gantze Welt in ſeinen Kopff einſchlieſſen/
Und jener frembde Suͤnd aus frembden Landen wiſſen/
Und wo die Uppigkeit im beſten ſchwange geh’
Er ſetzt die Rechnung auff und richtet ſich nach Sachen/
Die auch die Eitelkeit weit eitler koͤnte machen.
Jn zwiſchen Furcht und Angſt/ in zwiſchen Freud und Leid
Muß der geklemmte Geiſt in ſeinem Kercker ſchwitzen/
Wann Hochmuth und der Geitz bey uns zu rathe ſitzen
Da den der Ehren-Dunſt/ und jenen Geld erfreut.
Das Geld und auch das Gold/ das blaß von heiſſen Zaͤhren/
Sol nach der meiſten Spruch den Himmel uns gewehren.
So faͤhrt die Zeit dahin/ biß an der Jahre Schnee/
Das Leben kocht in Angſt/ die Seel in tauſend Schmertzen/
Wenn in dem Munde Luſt und ſuͤſſe Worte ſchertzen:
Offt liegt beym Zuckerrohr ein bittres Aloe.
So iſt des Lebens Glantz ein Engliſch ſeyn von forne/
Das Teuffliſch uns bekriegt/ die Roſe ſteckt im Dorne.
Leg einen Purpur um/ gewinne Cron und Thron/
Haͤng’ einen Diamant an den geſalbten Nacken;
Und du nimm einen Hut von Stroh und eine Hacken/
Laß ſehn ob auch der Tod nach gleichen Wuͤrden lohn?
Es iſt ein gleicher Schluß/ der Jugend guldne Haare/
Der alten graues Haupt bedecket eine Baare.
Wiewohl die Sterbligkeit gewiſſe Schrancken hat!
Der ſtirbt noch eh er ſtirbt/ und noch fuͤr ſeinem Leben/

So
A a a 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg>
            <pb facs="#f0239" n="7"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Der &#x017F;elb&#x017F;t ein Spiel der Zeit/ ver&#x017F;pielet &#x017F;eine Zeiten/</l><lb/>
            <l>Und jener la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich Furcht und Hoffnung u&#x0364;ber&#x017F;treiten.</l><lb/>
            <l>Dem &#x017F;inckt die Lieb ins Hertz/ gleich wie ein &#x017F;chneller Pfeil/</l><lb/>
            <l>Die Gluth dringt durch das Blut/ und wallet in den Gliedern/</l><lb/>
            <l>Der angenehme Blitz der aus den Augenliedern</l><lb/>
            <l>Mit holder Anmuth &#x017F;pielt/ macht &#x017F;eine Wunden heil.</l><lb/>
            <l>Diß i&#x017F;t der gro&#x0364;&#x017F;te Wun&#x017F;ch/ &#x017F;o &#x017F;ucht man &#x017F;ein Verderben/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;o wil auch der Men&#x017F;ch auff Wollu&#x017F;t-Federn &#x017F;terben.</l><lb/>
            <l>Den du&#x0364;r&#x017F;t nach Men&#x017F;chen-Blut/ <hi rendition="#aq">ô</hi> grau&#x017F;am wildes Thier/</l><lb/>
            <l>Vermi&#x017F;cht Verzweiffelung mit Zagheit offt zu&#x017F;ammen/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;uchet &#x017F;einen Tod/ wo die Carthaunen Flammen/</l><lb/>
            <l>Und Blitz und Hagel &#x017F;peyn/ den findet er auch hier.</l><lb/>
            <l>Ein ander &#x017F;chwa&#x0364;cht den Leib mit ungeheurem &#x017F;auffen/</l><lb/>
            <l>Und pflegt ihm fu&#x0364;r &#x017F;ein Geld die gro&#x0364;&#x017F;te Noth zu kauffen.</l><lb/>
            <l>Wen treibt nicht die Begier durch Erde/ Lufft und See?</l><lb/>
            <l>Der wil die gantze Welt in &#x017F;einen Kopff ein&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und jener frembde Su&#x0364;nd aus frembden Landen wi&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und wo die Uppigkeit im be&#x017F;ten &#x017F;chwange geh&#x2019;</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;etzt die Rechnung auff und richtet &#x017F;ich nach Sachen/</l><lb/>
            <l>Die auch die Eitelkeit weit eitler ko&#x0364;nte machen.</l><lb/>
            <l>Jn zwi&#x017F;chen Furcht und Ang&#x017F;t/ in zwi&#x017F;chen Freud und Leid</l><lb/>
            <l>Muß der geklemmte Gei&#x017F;t in &#x017F;einem Kercker &#x017F;chwitzen/</l><lb/>
            <l>Wann Hochmuth und der Geitz bey uns zu rathe &#x017F;itzen</l><lb/>
            <l>Da den der Ehren-Dun&#x017F;t/ und jenen Geld erfreut.</l><lb/>
            <l>Das Geld und auch das Gold/ das blaß von hei&#x017F;&#x017F;en Za&#x0364;hren/</l><lb/>
            <l>Sol nach der mei&#x017F;ten Spruch den Himmel uns gewehren.</l><lb/>
            <l>So fa&#x0364;hrt die Zeit dahin/ biß an der Jahre Schnee/</l><lb/>
            <l>Das Leben kocht in Ang&#x017F;t/ die Seel in tau&#x017F;end Schmertzen/</l><lb/>
            <l>Wenn in dem Munde Lu&#x017F;t und &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Worte &#x017F;chertzen:</l><lb/>
            <l>Offt liegt beym Zuckerrohr ein bittres Aloe.</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t des Lebens Glantz ein Engli&#x017F;ch &#x017F;eyn von forne/</l><lb/>
            <l>Das Teuffli&#x017F;ch uns bekriegt/ die Ro&#x017F;e &#x017F;teckt im Dorne.</l><lb/>
            <l>Leg einen Purpur um/ gewinne Cron und Thron/</l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;ng&#x2019; einen Diamant an den ge&#x017F;albten Nacken;</l><lb/>
            <l>Und du nimm einen Hut von Stroh und eine Hacken/</l><lb/>
            <l>Laß &#x017F;ehn ob auch der Tod nach gleichen Wu&#x0364;rden lohn?</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t ein gleicher Schluß/ der Jugend guldne Haare/</l><lb/>
            <l>Der alten graues Haupt bedecket eine Baare.</l><lb/>
            <l>Wiewohl die Sterbligkeit gewi&#x017F;&#x017F;e Schrancken hat!</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;tirbt noch eh er &#x017F;tirbt/ und noch fu&#x0364;r &#x017F;einem Leben/</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">A a a 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0239] Leichen-Gedichte. Der ſelbſt ein Spiel der Zeit/ verſpielet ſeine Zeiten/ Und jener laͤſt ſich Furcht und Hoffnung uͤberſtreiten. Dem ſinckt die Lieb ins Hertz/ gleich wie ein ſchneller Pfeil/ Die Gluth dringt durch das Blut/ und wallet in den Gliedern/ Der angenehme Blitz der aus den Augenliedern Mit holder Anmuth ſpielt/ macht ſeine Wunden heil. Diß iſt der groͤſte Wunſch/ ſo ſucht man ſein Verderben/ Und ſo wil auch der Menſch auff Wolluſt-Federn ſterben. Den duͤrſt nach Menſchen-Blut/ ô grauſam wildes Thier/ Vermiſcht Verzweiffelung mit Zagheit offt zuſammen/ Und ſuchet ſeinen Tod/ wo die Carthaunen Flammen/ Und Blitz und Hagel ſpeyn/ den findet er auch hier. Ein ander ſchwaͤcht den Leib mit ungeheurem ſauffen/ Und pflegt ihm fuͤr ſein Geld die groͤſte Noth zu kauffen. Wen treibt nicht die Begier durch Erde/ Lufft und See? Der wil die gantze Welt in ſeinen Kopff einſchlieſſen/ Und jener frembde Suͤnd aus frembden Landen wiſſen/ Und wo die Uppigkeit im beſten ſchwange geh’ Er ſetzt die Rechnung auff und richtet ſich nach Sachen/ Die auch die Eitelkeit weit eitler koͤnte machen. Jn zwiſchen Furcht und Angſt/ in zwiſchen Freud und Leid Muß der geklemmte Geiſt in ſeinem Kercker ſchwitzen/ Wann Hochmuth und der Geitz bey uns zu rathe ſitzen Da den der Ehren-Dunſt/ und jenen Geld erfreut. Das Geld und auch das Gold/ das blaß von heiſſen Zaͤhren/ Sol nach der meiſten Spruch den Himmel uns gewehren. So faͤhrt die Zeit dahin/ biß an der Jahre Schnee/ Das Leben kocht in Angſt/ die Seel in tauſend Schmertzen/ Wenn in dem Munde Luſt und ſuͤſſe Worte ſchertzen: Offt liegt beym Zuckerrohr ein bittres Aloe. So iſt des Lebens Glantz ein Engliſch ſeyn von forne/ Das Teuffliſch uns bekriegt/ die Roſe ſteckt im Dorne. Leg einen Purpur um/ gewinne Cron und Thron/ Haͤng’ einen Diamant an den geſalbten Nacken; Und du nimm einen Hut von Stroh und eine Hacken/ Laß ſehn ob auch der Tod nach gleichen Wuͤrden lohn? Es iſt ein gleicher Schluß/ der Jugend guldne Haare/ Der alten graues Haupt bedecket eine Baare. Wiewohl die Sterbligkeit gewiſſe Schrancken hat! Der ſtirbt noch eh er ſtirbt/ und noch fuͤr ſeinem Leben/ So A a a 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/239
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/239>, abgerufen am 25.11.2024.