Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hinzu. Bei ihren Rennthieren liegen, mit der Büchse durch Wald und Schlucht streifen, jede Arbeit fliehen, die ein ordentliches Leben fordert, aber Branntwein trinken, bis sie sinnlos niederfallen, das ist ihr Leben. So, erwiderte Stockfleth, das sagt Ihr und meint, Ihr habt ein Recht dazu. Aber Trunk und Habgier zugethan ist auch mancher andere Mann, und wer hat diese Unglücklichen dazu gebracht? Wer stößt sie von sich in die Wüsten, haßt, verachtet und verfolgt sie? Wer verkauft ihnen das höllische Gift und macht sie zu entehrten, ekelhaften Wesen? Plündert sie aus, verspottet sie obendrein und füllt ihre Herzen mit rachsüchtiger Bosheit und verschlagener Lüge? Uff! grins'te Hvaland den Kopf schüttelnd und ihn listig anblinzelnd, -- muß Niemand mit Euch streiten wollen, Probst Stockfleth; meinetwegen aber bessert an dem Volke, so viel Ihr könnt, es wird wenigstens nichts schaden. Aber auch nichts helfen, wie ich die Sache betrachte, fiel der Landrichter ein. Ein Volk so heruntergekommen, wandernd, mit den ewigwandernden Rennthieren, kaum noch zehntausend Köpfe stark, ohne Sinn für Civilisation und festen Wohnsitz, ohne Sinn für Ackerbau und Arbeit; ein Nomadenvolk so roh und schmutzig wie dieses, und obenein fünfzehn verschiedene Dialekte redend, kann wohl Gegenstand des Mitleids und philanthropischer oder religiöser Bemühungen sein, hinzu. Bei ihren Rennthieren liegen, mit der Büchse durch Wald und Schlucht streifen, jede Arbeit fliehen, die ein ordentliches Leben fordert, aber Branntwein trinken, bis sie sinnlos niederfallen, das ist ihr Leben. So, erwiderte Stockfleth, das sagt Ihr und meint, Ihr habt ein Recht dazu. Aber Trunk und Habgier zugethan ist auch mancher andere Mann, und wer hat diese Unglücklichen dazu gebracht? Wer stößt sie von sich in die Wüsten, haßt, verachtet und verfolgt sie? Wer verkauft ihnen das höllische Gift und macht sie zu entehrten, ekelhaften Wesen? Plündert sie aus, verspottet sie obendrein und füllt ihre Herzen mit rachsüchtiger Bosheit und verschlagener Lüge? Uff! grins'te Hvaland den Kopf schüttelnd und ihn listig anblinzelnd, — muß Niemand mit Euch streiten wollen, Probst Stockfleth; meinetwegen aber bessert an dem Volke, so viel Ihr könnt, es wird wenigstens nichts schaden. Aber auch nichts helfen, wie ich die Sache betrachte, fiel der Landrichter ein. Ein Volk so heruntergekommen, wandernd, mit den ewigwandernden Rennthieren, kaum noch zehntausend Köpfe stark, ohne Sinn für Civilisation und festen Wohnsitz, ohne Sinn für Ackerbau und Arbeit; ein Nomadenvolk so roh und schmutzig wie dieses, und obenein fünfzehn verschiedene Dialekte redend, kann wohl Gegenstand des Mitleids und philanthropischer oder religiöser Bemühungen sein, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> hinzu. Bei ihren Rennthieren liegen, mit der Büchse durch Wald und Schlucht streifen, jede Arbeit fliehen, die ein ordentliches Leben fordert, aber Branntwein trinken, bis sie sinnlos niederfallen, das ist ihr Leben.</p><lb/> <p> So, erwiderte Stockfleth, das sagt Ihr und meint, Ihr habt ein Recht dazu. Aber Trunk und Habgier zugethan ist auch mancher andere Mann, und wer hat diese Unglücklichen dazu gebracht? Wer stößt sie von sich in die Wüsten, haßt, verachtet und verfolgt sie? Wer verkauft ihnen das höllische Gift und macht sie zu entehrten, ekelhaften Wesen? Plündert sie aus, verspottet sie obendrein und füllt ihre Herzen mit rachsüchtiger Bosheit und verschlagener Lüge?</p><lb/> <p> Uff! grins'te Hvaland den Kopf schüttelnd und ihn listig anblinzelnd, — muß Niemand mit Euch streiten wollen, Probst Stockfleth; meinetwegen aber bessert an dem Volke, so viel Ihr könnt, es wird wenigstens nichts schaden.</p><lb/> <p> Aber auch nichts helfen, wie ich die Sache betrachte, fiel der Landrichter ein. Ein Volk so heruntergekommen, wandernd, mit den ewigwandernden Rennthieren, kaum noch zehntausend Köpfe stark, ohne Sinn für Civilisation und festen Wohnsitz, ohne Sinn für Ackerbau und Arbeit; ein Nomadenvolk so roh und schmutzig wie dieses, und obenein fünfzehn verschiedene Dialekte redend, kann wohl Gegenstand des Mitleids und philanthropischer oder religiöser Bemühungen sein,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
hinzu. Bei ihren Rennthieren liegen, mit der Büchse durch Wald und Schlucht streifen, jede Arbeit fliehen, die ein ordentliches Leben fordert, aber Branntwein trinken, bis sie sinnlos niederfallen, das ist ihr Leben.
So, erwiderte Stockfleth, das sagt Ihr und meint, Ihr habt ein Recht dazu. Aber Trunk und Habgier zugethan ist auch mancher andere Mann, und wer hat diese Unglücklichen dazu gebracht? Wer stößt sie von sich in die Wüsten, haßt, verachtet und verfolgt sie? Wer verkauft ihnen das höllische Gift und macht sie zu entehrten, ekelhaften Wesen? Plündert sie aus, verspottet sie obendrein und füllt ihre Herzen mit rachsüchtiger Bosheit und verschlagener Lüge?
Uff! grins'te Hvaland den Kopf schüttelnd und ihn listig anblinzelnd, — muß Niemand mit Euch streiten wollen, Probst Stockfleth; meinetwegen aber bessert an dem Volke, so viel Ihr könnt, es wird wenigstens nichts schaden.
Aber auch nichts helfen, wie ich die Sache betrachte, fiel der Landrichter ein. Ein Volk so heruntergekommen, wandernd, mit den ewigwandernden Rennthieren, kaum noch zehntausend Köpfe stark, ohne Sinn für Civilisation und festen Wohnsitz, ohne Sinn für Ackerbau und Arbeit; ein Nomadenvolk so roh und schmutzig wie dieses, und obenein fünfzehn verschiedene Dialekte redend, kann wohl Gegenstand des Mitleids und philanthropischer oder religiöser Bemühungen sein,
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