Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Einleitung zweyter Abschnitt.
(mm) Und dieß war die so berufene Leyer der Alten, und das erste Seyten-
instrument, (nn) aus welchem nach der Hand durch Vermehrung der Seyten,
deren anfänglich nur 3. bis 4. waren, und durch die Abänderung der Gestalt
viele andere Jnstrumente entstanden sind. Zu dessen mehrerem Beweise dienet
uns das Wort Chelys, durch welches man im lateinischen eine Geige und oft
durch Chelysta einen Geiger ausdrücket. Da es nun aber im Grunde griechisch
ist, und khelus eine Schildkrote heißt, (oo) nicht weniger vor die Leyer des Mer-
kur genommen wird: (pp) was läßt uns zweifeln, daß unsere heutige Geig-
instrumente von dem Merkur, von der gefundenen Schildkrote, und endlich
von der so oft benennten Leyer abstamme?

§. 7.

Daß man aber, wie heut zu Tage, mit Darmseyten die Jnstrumente be-
zogen habe, davon finden wir gründliche Anzeigen. (qq) Das lateinische Chor-
da,
italiänische Corda, und französische la Chorde sind alle von dem griechischen
khorde geborget, welches das eigentliche Wort ist, mit welchem die Mediciner das
Jngeweide oder Gedärme benennen; (rr) da es doch in ieder der itzt angeführ-
ten Sprachen eine Seyte heißt: weil nämlich die Seyten meistentheils aus dem
Gedärme der Thiere verfertiget werden.

§. 8.

Nun ist noch zu untersuchen übrig: ob auch die Klingzeuge der Alten mit
einem Bogen gestrichen worden. Wenn wir dem Glarean glauben, so ist so
gar die liebe Leyer gegeigt worden; denn er sagt, da er von einem Jnstrumente,
so Tympani Schizan heißt, redet, folgende Worte: - - - arcu, quo Lyrae

Chor-
(mm) Polidorus Vergilius p. 51. Roberti Stephani Thes. Ling. Lat. sub Voce Chelys.
(nn) Dizionario univers. di Efraimo Chambers sub Voce Lyra p. 187. & 188.
(oo) Joannis Scapulae Lexicon Graeco-Latinum.
(pp) Rob. Steph. Thes. Ling. Lat. loco jam cit.
(qq) Homer aus dem Lobgesange des Merkur - - - [fremdsprachliches Material - 5 Wörter fehlen]
khordas: Aber sieben durch richtige Verhältnisse unter sich übereinsstim-
mende Seyten, die von ausgezogenen Schafdärmen gemacht sind.
Und
Horaz spricht vom Merkur: Tuque testudo resonare septem callida Nervis.
(rr) Dizion. Univers. di Efr. Chambers sub Voce Corde p. 212.

Der Einleitung zweyter Abſchnitt.
(mm) Und dieß war die ſo berufene Leyer der Alten, und das erſte Seyten-
inſtrument, (nn) aus welchem nach der Hand durch Vermehrung der Seyten,
deren anfaͤnglich nur 3. bis 4. waren, und durch die Abaͤnderung der Geſtalt
viele andere Jnſtrumente entſtanden ſind. Zu deſſen mehrerem Beweiſe dienet
uns das Wort Chelys, durch welches man im lateiniſchen eine Geige und oft
durch Chelyſta einen Geiger ausdruͤcket. Da es nun aber im Grunde griechiſch
iſt, und χέλυς eine Schildkrote heißt, (oo) nicht weniger vor die Leyer des Mer-
kur genommen wird: (pp) was laͤßt uns zweifeln, daß unſere heutige Geig-
inſtrumente von dem Merkur, von der gefundenen Schildkrote, und endlich
von der ſo oft benennten Leyer abſtamme?

§. 7.

Daß man aber, wie heut zu Tage, mit Darmſeyten die Jnſtrumente be-
zogen habe, davon finden wir gruͤndliche Anzeigen. (qq) Das lateiniſche Chor-
da,
italiaͤniſche Corda, und franzoͤſiſche la Chorde ſind alle von dem griechiſchen
χορδη geborget, welches das eigentliche Wort iſt, mit welchem die Mediciner das
Jngeweide oder Gedaͤrme benennen; (rr) da es doch in ieder der itzt angefuͤhr-
ten Sprachen eine Seyte heißt: weil naͤmlich die Seyten meiſtentheils aus dem
Gedaͤrme der Thiere verfertiget werden.

§. 8.

Nun iſt noch zu unterſuchen uͤbrig: ob auch die Klingzeuge der Alten mit
einem Bogen geſtrichen worden. Wenn wir dem Glarean glauben, ſo iſt ſo
gar die liebe Leyer gegeigt worden; denn er ſagt, da er von einem Jnſtrumente,
ſo Tympani Schizan heißt, redet, folgende Worte: - - - arcu, quo Lyræ

Chor-
(mm) Polidorus Vergilius p. 51. Roberti Stephani Theſ. Ling. Lat. ſub Voce Chelys.
(nn) Dizionario univerſ. di Efraimo Chambers ſub Voce Lyra p. 187. & 188.
(oo) Joannis Scapulæ Lexicon Græco-Latinum.
(pp) Rob. Steph. Theſ. Ling. Lat. loco jam cit.
(qq) Homer aus dem Lobgeſange des Merkur - - - [fremdsprachliches Material – 5 Wörter fehlen]
χορδάς: Aber ſieben durch richtige Verhaͤltniſſe unter ſich uͤbereinsſtim-
mende Seyten, die von ausgezogenen Schafdaͤrmen gemacht ſind.
Und
Horaz ſpricht vom Merkur: Tuque teſtudo reſonare ſeptem callida Nervis.
(rr) Dizion. Univerſ. di Efr. Chambers ſub Voce Corde p. 212.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0040" n="18"/><fw type="header" place="top">Der Einleitung zweyter Ab&#x017F;chnitt.</fw><lb/><note place="foot" n="(mm)"><hi rendition="#aq">Polidorus Vergilius p. 51. Roberti Stephani The&#x017F;. Ling. Lat. &#x017F;ub Voce Chelys.</hi></note> Und dieß war die &#x017F;o berufene Leyer der Alten, und das er&#x017F;te Seyten-<lb/>
in&#x017F;trument, <note place="foot" n="(nn)"><hi rendition="#aq">Dizionario univer&#x017F;. di Efraimo Chambers &#x017F;ub Voce Lyra p. 187. &amp; 188.</hi></note> aus welchem nach der Hand durch Vermehrung der Seyten,<lb/>
deren anfa&#x0364;nglich nur 3. bis 4. waren, und durch die Aba&#x0364;nderung der Ge&#x017F;talt<lb/>
viele andere Jn&#x017F;trumente ent&#x017F;tanden &#x017F;ind. Zu de&#x017F;&#x017F;en mehrerem Bewei&#x017F;e dienet<lb/>
uns das Wort <hi rendition="#aq">Chelys,</hi> durch welches man im lateini&#x017F;chen eine Geige und oft<lb/>
durch <hi rendition="#aq">Chely&#x017F;ta</hi> einen Geiger ausdru&#x0364;cket. Da es nun aber im Grunde griechi&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t, und <foreign xml:lang="grc">&#x03C7;&#x1F73;&#x03BB;&#x03C5;&#x03C2;</foreign> eine Schildkrote heißt, <note place="foot" n="(oo)"><hi rendition="#aq">Joannis Scapulæ Lexicon Græco-Latinum.</hi></note> nicht weniger vor die Leyer des Mer-<lb/>
kur genommen wird: <note place="foot" n="(pp)"><hi rendition="#aq">Rob. Steph. The&#x017F;. Ling. Lat. loco jam cit.</hi></note> was la&#x0364;ßt uns zweifeln, daß un&#x017F;ere heutige Geig-<lb/>
in&#x017F;trumente von dem <hi rendition="#b">Merkur,</hi> von der gefundenen Schildkrote, und endlich<lb/>
von der &#x017F;o oft benennten Leyer ab&#x017F;tamme?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 7.</head><lb/>
            <p>Daß man aber, wie heut zu Tage, mit Darm&#x017F;eyten die Jn&#x017F;trumente be-<lb/>
zogen habe, davon finden wir gru&#x0364;ndliche Anzeigen. <note place="foot" n="(qq)"><hi rendition="#b">Homer</hi> aus dem Lobge&#x017F;ange des Merkur - - - <foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm" unit="words" quantity="5"/></foreign><lb/><foreign xml:lang="grc">&#x03C7;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B4;&#x03AC;&#x03C2;</foreign>: <hi rendition="#b">Aber &#x017F;ieben durch richtige Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e unter &#x017F;ich u&#x0364;bereins&#x017F;tim-<lb/>
mende Seyten, die von ausgezogenen Schafda&#x0364;rmen gemacht &#x017F;ind.</hi> Und<lb/><hi rendition="#b">Horaz</hi> &#x017F;pricht vom <hi rendition="#b">Merkur:</hi> <hi rendition="#aq">Tuque te&#x017F;tudo re&#x017F;onare &#x017F;eptem callida Nervis.</hi></note> Das lateini&#x017F;che <hi rendition="#aq">Chor-<lb/>
da,</hi> italia&#x0364;ni&#x017F;che <hi rendition="#aq">Corda,</hi> und franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che <hi rendition="#aq">la Chorde</hi> &#x017F;ind alle von dem griechi&#x017F;chen<lb/><foreign xml:lang="grc">&#x03C7;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B4;&#x03B7;</foreign> geborget, welches das eigentliche Wort i&#x017F;t, mit welchem die Mediciner das<lb/>
Jngeweide oder Geda&#x0364;rme benennen; <note place="foot" n="(rr)"><hi rendition="#aq">Dizion. Univer&#x017F;. di Efr. Chambers &#x017F;ub Voce Corde p. 212.</hi></note> da es doch in ieder der itzt angefu&#x0364;hr-<lb/>
ten Sprachen eine Seyte heißt: weil na&#x0364;mlich die Seyten mei&#x017F;tentheils aus dem<lb/>
Geda&#x0364;rme der Thiere verfertiget werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.</head><lb/>
            <p>Nun i&#x017F;t noch zu unter&#x017F;uchen u&#x0364;brig: ob auch die Klingzeuge der Alten mit<lb/>
einem Bogen ge&#x017F;trichen worden. Wenn wir dem <hi rendition="#b">Glarean</hi> glauben, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
gar die liebe Leyer gegeigt worden; denn er &#x017F;agt, da er von einem Jn&#x017F;trumente,<lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#aq">Tympani Schizan</hi> heißt, redet, folgende Worte: <hi rendition="#aq">- - - arcu, quo Lyræ</hi><lb/>
<fw type="catch" place="bottom">Chor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0040] Der Einleitung zweyter Abſchnitt. (mm) Und dieß war die ſo berufene Leyer der Alten, und das erſte Seyten- inſtrument, (nn) aus welchem nach der Hand durch Vermehrung der Seyten, deren anfaͤnglich nur 3. bis 4. waren, und durch die Abaͤnderung der Geſtalt viele andere Jnſtrumente entſtanden ſind. Zu deſſen mehrerem Beweiſe dienet uns das Wort Chelys, durch welches man im lateiniſchen eine Geige und oft durch Chelyſta einen Geiger ausdruͤcket. Da es nun aber im Grunde griechiſch iſt, und χέλυς eine Schildkrote heißt, (oo) nicht weniger vor die Leyer des Mer- kur genommen wird: (pp) was laͤßt uns zweifeln, daß unſere heutige Geig- inſtrumente von dem Merkur, von der gefundenen Schildkrote, und endlich von der ſo oft benennten Leyer abſtamme? §. 7. Daß man aber, wie heut zu Tage, mit Darmſeyten die Jnſtrumente be- zogen habe, davon finden wir gruͤndliche Anzeigen. (qq) Das lateiniſche Chor- da, italiaͤniſche Corda, und franzoͤſiſche la Chorde ſind alle von dem griechiſchen χορδη geborget, welches das eigentliche Wort iſt, mit welchem die Mediciner das Jngeweide oder Gedaͤrme benennen; (rr) da es doch in ieder der itzt angefuͤhr- ten Sprachen eine Seyte heißt: weil naͤmlich die Seyten meiſtentheils aus dem Gedaͤrme der Thiere verfertiget werden. §. 8. Nun iſt noch zu unterſuchen uͤbrig: ob auch die Klingzeuge der Alten mit einem Bogen geſtrichen worden. Wenn wir dem Glarean glauben, ſo iſt ſo gar die liebe Leyer gegeigt worden; denn er ſagt, da er von einem Jnſtrumente, ſo Tympani Schizan heißt, redet, folgende Worte: - - - arcu, quo Lyræ Chor- (mm) Polidorus Vergilius p. 51. Roberti Stephani Theſ. Ling. Lat. ſub Voce Chelys. (nn) Dizionario univerſ. di Efraimo Chambers ſub Voce Lyra p. 187. & 188. (oo) Joannis Scapulæ Lexicon Græco-Latinum. (pp) Rob. Steph. Theſ. Ling. Lat. loco jam cit. (qq) Homer aus dem Lobgeſange des Merkur - - - _____ χορδάς: Aber ſieben durch richtige Verhaͤltniſſe unter ſich uͤbereinsſtim- mende Seyten, die von ausgezogenen Schafdaͤrmen gemacht ſind. Und Horaz ſpricht vom Merkur: Tuque teſtudo reſonare ſeptem callida Nervis. (rr) Dizion. Univerſ. di Efr. Chambers ſub Voce Corde p. 212.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/40
Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/40>, abgerufen am 03.10.2024.