Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite
Das siebende Hauptstück.
Von den vielen Veränderungen des Bogenstriches.
Des siebenden Hauptstücks
erster Abschnitt.
Von der Veränderung des Bogenstriches
bey gleichen Noten.
§. 1.

Daß der Bogenstrich alles unterscheide, haben wir schon in dem vorhergehen-
den Hauptstücke in etwas eingesehen. Das gegenwärtige wird uns gänz-
lich überzeugen, daß der Bogenstrich die Noten belebe; daß er bald eine ganz
modeste, bald eine freche, bald eine ernsthafte, bald eine scherzhafte, itzt eine
schmeichelnde, itzt eine gesetzte und erhabene, itzt eine traurige, itzt aber eine lu-
stige Melodie hervorbringe, und folglich dasjenige Mittelding sey, durch dessen
vernünftigen Gebrauch wir die erst angezeigten Affecten bey den Zuhörern zu er-
regen in den Stand gesetzet werden. Jch verstehe, wenn der Componist eine
vernünftige Wahl trifft; wenn er die ieder Leidenschaft ähnlichen Melodien wäh-
let, und den gehörigen Vortrag recht anzuzeigen weis. Oder wenn ein wohl-
geübter Violinist selbst eine gesunde Beurtheilungskraft besitzet, die, so zu re-
den, ganz nacketen Noten mit Vernunft abzuspielen; und wenn er sich bemü-
het den Affect zu finden, und die hier folgenden Stricharten am rechten Orte
anzubringen.

§. 2.
Das ſiebende Hauptſtuͤck.
Von den vielen Veraͤnderungen des Bogenſtriches.
Des ſiebenden Hauptſtuͤcks
erſter Abſchnitt.
Von der Veraͤnderung des Bogenſtriches
bey gleichen Noten.
§. 1.

Daß der Bogenſtrich alles unterſcheide, haben wir ſchon in dem vorhergehen-
den Hauptſtuͤcke in etwas eingeſehen. Das gegenwaͤrtige wird uns gaͤnz-
lich uͤberzeugen, daß der Bogenſtrich die Noten belebe; daß er bald eine ganz
modeſte, bald eine freche, bald eine ernſthafte, bald eine ſcherzhafte, itzt eine
ſchmeichelnde, itzt eine geſetzte und erhabene, itzt eine traurige, itzt aber eine lu-
ſtige Melodie hervorbringe, und folglich dasjenige Mittelding ſey, durch deſſen
vernuͤnftigen Gebrauch wir die erſt angezeigten Affecten bey den Zuhoͤrern zu er-
regen in den Stand geſetzet werden. Jch verſtehe, wenn der Componiſt eine
vernuͤnftige Wahl trifft; wenn er die ieder Leidenſchaft aͤhnlichen Melodien waͤh-
let, und den gehoͤrigen Vortrag recht anzuzeigen weis. Oder wenn ein wohl-
geuͤbter Violiniſt ſelbſt eine geſunde Beurtheilungskraft beſitzet, die, ſo zu re-
den, ganz nacketen Noten mit Vernunft abzuſpielen; und wenn er ſich bemuͤ-
het den Affect zu finden, und die hier folgenden Stricharten am rechten Orte
anzubringen.

§. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0150" n="122"/>
      <div n="1">
        <head>Das &#x017F;iebende Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</head><lb/>
        <div n="2">
          <head>Von den vielen Vera&#x0364;nderungen des Bogen&#x017F;triches.</head>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>Des &#x017F;iebenden Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks<lb/>
er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</head><lb/>
        <div n="2">
          <head>Von der Vera&#x0364;nderung des Bogen&#x017F;triches<lb/>
bey gleichen Noten.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>aß der Bogen&#x017F;trich alles unter&#x017F;cheide, haben wir &#x017F;chon in dem vorhergehen-<lb/>
den Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke in etwas einge&#x017F;ehen. Das gegenwa&#x0364;rtige wird uns ga&#x0364;nz-<lb/>
lich u&#x0364;berzeugen, daß der Bogen&#x017F;trich die Noten belebe; daß er bald eine ganz<lb/>
mode&#x017F;te, bald eine freche, bald eine ern&#x017F;thafte, bald eine &#x017F;cherzhafte, itzt eine<lb/>
&#x017F;chmeichelnde, itzt eine ge&#x017F;etzte und erhabene, itzt eine traurige, itzt aber eine lu-<lb/>
&#x017F;tige Melodie hervorbringe, und folglich dasjenige Mittelding &#x017F;ey, durch de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vernu&#x0364;nftigen Gebrauch wir die er&#x017F;t angezeigten Affecten bey den Zuho&#x0364;rern zu er-<lb/>
regen in den Stand ge&#x017F;etzet werden. Jch ver&#x017F;tehe, wenn der <hi rendition="#b">Componi&#x017F;t</hi> eine<lb/>
vernu&#x0364;nftige Wahl trifft; wenn er die ieder Leiden&#x017F;chaft a&#x0364;hnlichen Melodien wa&#x0364;h-<lb/>
let, und den geho&#x0364;rigen Vortrag recht anzuzeigen weis. Oder wenn ein wohl-<lb/>
geu&#x0364;bter <hi rendition="#b">Violini&#x017F;t</hi> &#x017F;elb&#x017F;t eine ge&#x017F;unde Beurtheilungskraft be&#x017F;itzet, die, &#x017F;o zu re-<lb/>
den, ganz nacketen Noten mit Vernunft abzu&#x017F;pielen; und wenn er &#x017F;ich bemu&#x0364;-<lb/>
het den Affect zu finden, und die hier folgenden Stricharten am rechten Orte<lb/>
anzubringen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 2.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0150] Das ſiebende Hauptſtuͤck. Von den vielen Veraͤnderungen des Bogenſtriches. Des ſiebenden Hauptſtuͤcks erſter Abſchnitt. Von der Veraͤnderung des Bogenſtriches bey gleichen Noten. §. 1. Daß der Bogenſtrich alles unterſcheide, haben wir ſchon in dem vorhergehen- den Hauptſtuͤcke in etwas eingeſehen. Das gegenwaͤrtige wird uns gaͤnz- lich uͤberzeugen, daß der Bogenſtrich die Noten belebe; daß er bald eine ganz modeſte, bald eine freche, bald eine ernſthafte, bald eine ſcherzhafte, itzt eine ſchmeichelnde, itzt eine geſetzte und erhabene, itzt eine traurige, itzt aber eine lu- ſtige Melodie hervorbringe, und folglich dasjenige Mittelding ſey, durch deſſen vernuͤnftigen Gebrauch wir die erſt angezeigten Affecten bey den Zuhoͤrern zu er- regen in den Stand geſetzet werden. Jch verſtehe, wenn der Componiſt eine vernuͤnftige Wahl trifft; wenn er die ieder Leidenſchaft aͤhnlichen Melodien waͤh- let, und den gehoͤrigen Vortrag recht anzuzeigen weis. Oder wenn ein wohl- geuͤbter Violiniſt ſelbſt eine geſunde Beurtheilungskraft beſitzet, die, ſo zu re- den, ganz nacketen Noten mit Vernunft abzuſpielen; und wenn er ſich bemuͤ- het den Affect zu finden, und die hier folgenden Stricharten am rechten Orte anzubringen. §. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/150
Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/150>, abgerufen am 22.11.2024.