Es ist kein Fürst oder Herr so klein, dass er nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes- ser; je grösser, je schlechter.
Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch- mahl eine einzele schöne und gerechte Hand- lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige Geschichten von grossmüthigen Raübern.
Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht, dass sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter fände; keines aber ist so gut, dass es nicht un- ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran- nen aufzuweisen hätte.
Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder- ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan- der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind; unter denen sich nicht auch nur ein Einziger als einen grossen, guten und weisen Mann aus- zeichnet.
Das Publicum weiss sich aber in solchen Fäl- len zu helfen; es sucht so lange und geht so weit in die vorige Zeiten zurück, biss es end- lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren, oder doch ohne Schande, bekennen kann. So hielten's die Franzosen, dieweil sie noch Köni- ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-
Es ist kein Fürst oder Herr so klein, daſs er nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes- ser; je gröſser, je schlechter.
Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch- mahl eine einzele schöne und gerechte Hand- lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige Geschichten von groſsmüthigen Raübern.
Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht, daſs sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter fände; keines aber ist so gut, daſs es nicht un- ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran- nen aufzuweisen hätte.
Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder- ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan- der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind; unter denen sich nicht auch nur ein Einziger als einen groſsen, guten und weisen Mann aus- zeichnet.
Das Publicum weiſs sich aber in solchen Fäl- len zu helfen; es sucht so lange und geht so weit in die vorige Zeiten zurück, biſs es end- lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren, oder doch ohne Schande, bekennen kann. So hielten’s die Franzosen, dieweil sie noch Köni- ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0078"n="72"/><p>Es ist kein Fürst oder Herr <hirendition="#i"><hirendition="#g">so</hi></hi> klein, daſs er<lb/>
nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von<lb/>
manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes-<lb/>
ser; je gröſser, je schlechter.</p><lb/><p>Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch-<lb/>
mahl eine einzele schöne und gerechte Hand-<lb/>
lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige<lb/>
Geschichten von groſsmüthigen Raübern.</p><lb/><p>Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht,<lb/>
daſs sich nicht unter seinen Ahnen <hirendition="#i"><hirendition="#g">Ein guter</hi></hi><lb/>
fände; keines aber ist so gut, daſs es nicht un-<lb/>
ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran-<lb/>
nen aufzuweisen hätte.</p><lb/><p>Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder-<lb/>
ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan-<lb/>
der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind;<lb/>
unter denen sich nicht auch nur ein Einziger<lb/>
als einen groſsen, guten und weisen Mann aus-<lb/>
zeichnet.</p><lb/><p>Das Publicum weiſs sich aber in solchen Fäl-<lb/>
len zu helfen; es sucht so lange und geht so<lb/>
weit in die vorige Zeiten zurück, biſs es end-<lb/>
lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren,<lb/>
oder doch ohne Schande, bekennen kann. So<lb/>
hielten’s die Franzosen, dieweil sie noch Köni-<lb/>
ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0078]
Es ist kein Fürst oder Herr so klein, daſs er
nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von
manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes-
ser; je gröſser, je schlechter.
Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch-
mahl eine einzele schöne und gerechte Hand-
lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige
Geschichten von groſsmüthigen Raübern.
Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht,
daſs sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter
fände; keines aber ist so gut, daſs es nicht un-
ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran-
nen aufzuweisen hätte.
Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder-
ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan-
der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind;
unter denen sich nicht auch nur ein Einziger
als einen groſsen, guten und weisen Mann aus-
zeichnet.
Das Publicum weiſs sich aber in solchen Fäl-
len zu helfen; es sucht so lange und geht so
weit in die vorige Zeiten zurück, biſs es end-
lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren,
oder doch ohne Schande, bekennen kann. So
hielten’s die Franzosen, dieweil sie noch Köni-
ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/78>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.