Das fürstliche Haus Hessen-Cassel hat an seinem jezigen Regenten einen aufgeklärten und einsichtsvollen Kenner seiner Staats- und Landes-Geschichte; und die Arbeiten, welche Wilhelm IX. noch als Erb-Prinz und regieren- der Graf von Hanau in diesem Fach selbst un- ternommen, werden noch späte Denkmahle da- von bleiben.
In dem fürstlichen Haus Hessen-Darm- stadt hatte der jezige Herr Landgraf als Erb- prinz in seinen Jugend-Jahren Verlangen, in der Geschichte seines Hauses unterrichtet zu werden, und der jezige Geschichtschreiber und Consistorial-Rath Wenk bot sich mit Vergnügen dazu an; der französische Hofmeister des Prin- zen, Bellisary, lehnte es aber mit dem höh- nenden Aussdruck ab: Une maison, comme la votre, n'a point d' histoire. Wie es nachhero ge- gangen, weiss ich nicht, da ich den Regierungs- Antritt dieses Fürsten im Dienst dessen Hauses nicht mehr erlebt habe. Auf meine Veranstal-
zung so vollständig erfüllt worden, dass man darüber aus Abgötterey und Mangel an Delicatesse sogar ver- gessen hat, was man der Ehre und Andenken des gros- sen Manns und seiner eigenen Nation schuldig war, um Scandale und Possen allerhand Art mit einzurücken.
Das fürstliche Haus Hessen-Cassel hat an seinem jezigen Regenten einen aufgeklärten und einsichtsvollen Kenner seiner Staats- und Landes-Geschichte; und die Arbeiten, welche Wilhelm IX. noch als Erb-Prinz und regieren- der Graf von Hanau in diesem Fach selbst un- ternommen, werden noch späte Denkmahle da- von bleiben.
In dem fürstlichen Haus Hessen-Darm- stadt hatte der jezige Herr Landgraf als Erb- prinz in seinen Jugend-Jahren Verlangen, in der Geschichte seines Hauses unterrichtet zu werden, und der jezige Geschichtschreiber und Consistorial-Rath Wenk bot sich mit Vergnügen dazu an; der französische Hofmeister des Prin- zen, Bellisary, lehnte es aber mit dem höh- nenden Aussdruck ab: Une maison, comme la vôtre, n’a point d’ histoire. Wie es nachhero ge- gangen, weiſs ich nicht, da ich den Regierungs- Antritt dieses Fürsten im Dienst dessen Hauses nicht mehr erlebt habe. Auf meine Veranstal-
zung so vollständig erfüllt worden, daſs man darüber aus Abgötterey und Mangel an Delicatesse sogar ver- gessen hat, was man der Ehre und Andenken des gros- sen Manns und seiner eigenen Nation schuldig war, um Scandale und Possen allerhand Art mit einzurücken.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0252"n="246"/><p>Das fürstliche Haus <hirendition="#i"><hirendition="#g">Hessen-Cassel</hi></hi> hat an<lb/>
seinem jezigen Regenten einen aufgeklärten<lb/>
und einsichtsvollen Kenner seiner Staats- und<lb/>
Landes-Geschichte; und die Arbeiten, welche<lb/>
Wilhelm IX. noch als Erb-Prinz und regieren-<lb/>
der Graf von Hanau in diesem Fach selbst un-<lb/>
ternommen, werden noch späte Denkmahle da-<lb/>
von bleiben.</p><lb/><p>In dem fürstlichen Haus <hirendition="#i"><hirendition="#g">Hessen-Darm-<lb/>
stadt</hi></hi> hatte der jezige Herr Landgraf als Erb-<lb/>
prinz in seinen Jugend-Jahren Verlangen, in<lb/>
der Geschichte seines Hauses unterrichtet zu<lb/>
werden, und der jezige Geschichtschreiber und<lb/>
Consistorial-Rath <hirendition="#i"><hirendition="#g">Wenk</hi></hi> bot sich mit Vergnügen<lb/>
dazu an; der französische Hofmeister des Prin-<lb/>
zen, <hirendition="#i"><hirendition="#g">Bellisary</hi>,</hi> lehnte es aber mit dem höh-<lb/>
nenden Aussdruck ab: <hirendition="#i">Une maison, comme la<lb/>
vôtre, n’a point d’ histoire.</hi> Wie es nachhero ge-<lb/>
gangen, weiſs ich nicht, da ich den Regierungs-<lb/>
Antritt dieses Fürsten im Dienst dessen Hauses<lb/>
nicht mehr erlebt habe. Auf meine Veranstal-<lb/><notexml:id="seg2pn_10_2"prev="#seg2pn_10_1"place="foot"n="*)">zung so vollständig erfüllt worden, daſs man darüber<lb/>
aus Abgötterey und Mangel an Delicatesse sogar ver-<lb/>
gessen hat, was man der Ehre und Andenken des gros-<lb/>
sen Manns und seiner eigenen Nation schuldig war,<lb/>
um Scandale und Possen allerhand Art mit einzurücken.</note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[246/0252]
Das fürstliche Haus Hessen-Cassel hat an
seinem jezigen Regenten einen aufgeklärten
und einsichtsvollen Kenner seiner Staats- und
Landes-Geschichte; und die Arbeiten, welche
Wilhelm IX. noch als Erb-Prinz und regieren-
der Graf von Hanau in diesem Fach selbst un-
ternommen, werden noch späte Denkmahle da-
von bleiben.
In dem fürstlichen Haus Hessen-Darm-
stadt hatte der jezige Herr Landgraf als Erb-
prinz in seinen Jugend-Jahren Verlangen, in
der Geschichte seines Hauses unterrichtet zu
werden, und der jezige Geschichtschreiber und
Consistorial-Rath Wenk bot sich mit Vergnügen
dazu an; der französische Hofmeister des Prin-
zen, Bellisary, lehnte es aber mit dem höh-
nenden Aussdruck ab: Une maison, comme la
vôtre, n’a point d’ histoire. Wie es nachhero ge-
gangen, weiſs ich nicht, da ich den Regierungs-
Antritt dieses Fürsten im Dienst dessen Hauses
nicht mehr erlebt habe. Auf meine Veranstal-
*)
*) zung so vollständig erfüllt worden, daſs man darüber
aus Abgötterey und Mangel an Delicatesse sogar ver-
gessen hat, was man der Ehre und Andenken des gros-
sen Manns und seiner eigenen Nation schuldig war,
um Scandale und Possen allerhand Art mit einzurücken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/252>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.