thun es noch weniger. Sie sind schon gewöhnt, nach der Weise zu leben, wie man nun in der Welt lebt; sie sind schon gebohrne Herrn, und ein gebohrner Herr ist meistentheils nichts".
Iselin*) fügt der Erzählung dieser kleinen Geschichte die Bemerkung bey: "Dieser Ge- danke von dem gebohrnen Herrn schien mir sogleich überaus auffallend, und seither habe ich ihm oft nachgedacht. Er hat mich insbe- sondere auf eine Betrachtung geführt, die mir für die Erziehung sehr wichtig scheint; die zwar nicht neu ist, die aber nicht genug ge- macht oder genützt wird. Es ist diese, dass die Grossen und die Reichen alles ersinnliche thun sollten, ihren Kindern zu verbergen, dass sie gebohrne Herrn sind. Nichts in der Welt hat so viel zu dem Unglücke unzähliger Men- schen und zu dem Umsturze der blühendsten Häuser Anlass gegeben, als das frühe Bewusst- seyn der angebohrnen Herrschaft, und die Er- wartung eines Wohlstandes, der nicht erwor- ben und nicht verdient werden durfte. Mir däucht desshalben, es sollte einer der ersten
*) In den Ephemer. der Menschheit 1777. 3. St. S. 39.
thun es noch weniger. Sie sind schon gewöhnt, nach der Weise zu leben, wie man nun in der Welt lebt; sie sind schon gebohrne Herrn, und ein gebohrner Herr ist meistentheils nichts„.
Iselin*) fügt der Erzählung dieser kleinen Geschichte die Bemerkung bey: „Dieser Ge- danke von dem gebohrnen Herrn schien mir sogleich überaus auffallend, und seither habe ich ihm oft nachgedacht. Er hat mich insbe- sondere auf eine Betrachtung geführt, die mir für die Erziehung sehr wichtig scheint; die zwar nicht neu ist, die aber nicht genug ge- macht oder genützt wird. Es ist diese, daſs die Groſsen und die Reichen alles ersinnliche thun sollten, ihren Kindern zu verbergen, daſs sie gebohrne Herrn sind. Nichts in der Welt hat so viel zu dem Unglücke unzähliger Men- schen und zu dem Umsturze der blühendsten Häuser Anlaſs gegeben, als das frühe Bewuſst- seyn der angebohrnen Herrschaft, und die Er- wartung eines Wohlstandes, der nicht erwor- ben und nicht verdient werden durfte. Mir däucht deſshalben, es sollte einer der ersten
*) In den Ephemer. der Menschheit 1777. 3. St. S. 39.
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thun es noch weniger. Sie sind schon gewöhnt,
nach der Weise zu leben, wie man nun in der
Welt lebt; sie sind schon gebohrne Herrn,
und ein gebohrner Herr ist meistentheils
nichts„.
Iselin *) fügt der Erzählung dieser kleinen
Geschichte die Bemerkung bey: „Dieser Ge-
danke von dem gebohrnen Herrn schien mir
sogleich überaus auffallend, und seither habe
ich ihm oft nachgedacht. Er hat mich insbe-
sondere auf eine Betrachtung geführt, die mir
für die Erziehung sehr wichtig scheint; die
zwar nicht neu ist, die aber nicht genug ge-
macht oder genützt wird. Es ist diese, daſs
die Groſsen und die Reichen alles ersinnliche
thun sollten, ihren Kindern zu verbergen, daſs
sie gebohrne Herrn sind. Nichts in der Welt
hat so viel zu dem Unglücke unzähliger Men-
schen und zu dem Umsturze der blühendsten
Häuser Anlaſs gegeben, als das frühe Bewuſst-
seyn der angebohrnen Herrschaft, und die Er-
wartung eines Wohlstandes, der nicht erwor-
ben und nicht verdient werden durfte. Mir
däucht deſshalben, es sollte einer der ersten
*) In den Ephemer. der Menschheit 1777. 3. St. S. 39.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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