Die Herrn sind grossmüthig, sind Menschen- freunde, weils der Ton ihrer Zeit ist; ihre an- gebliche Grossmuth ist aber, beym Licht der Wahrheit beleuchtet, nichts weniger als Edel- muth, sondern Stolz und Selbstsucht. Ihre vorgeprahlte Güte und Langmuth ist meisten- theils Geistes-Schwäche. Ein Fürst mag im- merhin sagen: Ich denke zu gross, um mich um das, was man von mir spricht, zu beküm- mern; ich denke zu gross, um das, was man über mich schreibt, nicht zu verachten. Es ist nicht wahr, wenn er so was von sich selbst sagt. Bewusstseyn seiner Härte, Stimme des bösen Gewissens, Furcht vor noch mehrerer Publicität, Furcht, das Murren eines gedrück- ten und missvergnügten Volks nicht noch lau- ter zu machen, Trotz auf seine Gewalt, Ver- trauen auf seinen langen Arm ist es, der ihn diese Sprache führen macht; und so lernt einer vom andern, einer wird der Verführer des an- dern, selbst des Guten und Bessern. So geht dann das zarte innere Gefühl allmählig verloh- ren, Kunst kommt an die Stelle der Natur:
dictions. Voyes l'instabilite et la multiplicite des ordon- nances de Joseph II. et de tous ses freres les Despotes. Doutes sur la liberte de l'Escaut par le C. de Mirabeau p. 159.
Die Herrn sind groſsmüthig, sind Menschen- freunde, weils der Ton ihrer Zeit ist; ihre an- gebliche Groſsmuth ist aber, beym Licht der Wahrheit beleuchtet, nichts weniger als Edel- muth, sondern Stolz und Selbstsucht. Ihre vorgeprahlte Güte und Langmuth ist meisten- theils Geistes-Schwäche. Ein Fürst mag im- merhin sagen: Ich denke zu groſs, um mich um das, was man von mir spricht, zu beküm- mern; ich denke zu groſs, um das, was man über mich schreibt, nicht zu verachten. Es ist nicht wahr, wenn er so was von sich selbst sagt. Bewuſstseyn seiner Härte, Stimme des bösen Gewissens, Furcht vor noch mehrerer Publicität, Furcht, das Murren eines gedrück- ten und miſsvergnügten Volks nicht noch lau- ter zu machen, Trotz auf seine Gewalt, Ver- trauen auf seinen langen Arm ist es, der ihn diese Sprache führen macht; und so lernt einer vom andern, einer wird der Verführer des an- dern, selbst des Guten und Bessern. So geht dann das zarte innere Gefühl allmählig verloh- ren, Kunst kommt an die Stelle der Natur:
dictions. Voyès l’instabilité et la multiplicité des ordon- nances de Joseph II. et de tous ses frères les Despotes. Doutes sur la libertè de l’Escaut par le C. de Mirabeau p. 159.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="188"/>
Die Herrn sind groſsmüthig, sind Menschen-<lb/>
freunde, weils der Ton ihrer Zeit ist; ihre an-<lb/>
gebliche Groſsmuth ist aber, beym Licht der<lb/>
Wahrheit beleuchtet, nichts weniger als Edel-<lb/>
muth, sondern Stolz und Selbstsucht. Ihre<lb/>
vorgeprahlte Güte und Langmuth ist meisten-<lb/>
theils Geistes-Schwäche. Ein Fürst mag im-<lb/>
merhin sagen: Ich denke zu groſs, um mich<lb/>
um das, was man von mir spricht, zu beküm-<lb/>
mern; ich denke zu groſs, um das, was man<lb/>
über mich schreibt, nicht zu verachten. Es<lb/>
ist nicht wahr, wenn er so was von sich selbst<lb/>
sagt. Bewuſstseyn seiner Härte, Stimme des<lb/>
bösen Gewissens, Furcht vor noch mehrerer<lb/>
Publicität, Furcht, das Murren eines gedrück-<lb/>
ten und miſsvergnügten Volks nicht noch lau-<lb/>
ter zu machen, Trotz auf seine Gewalt, Ver-<lb/>
trauen auf seinen langen Arm ist es, der ihn<lb/>
diese Sprache führen macht; und so lernt einer<lb/>
vom andern, einer wird der Verführer des an-<lb/>
dern, selbst des Guten und Bessern. So geht<lb/>
dann das zarte innere Gefühl allmählig verloh-<lb/>
ren, Kunst kommt an die Stelle der Natur:</p><lb/><p><notexml:id="seg2pn_8_2"prev="#seg2pn_8_1"place="foot"n="*)"><hirendition="#i">dictions. Voyès l’instabilité et la multiplicité des ordon-<lb/>
nances de Joseph II. et de tous ses frères les Despotes.<lb/><hirendition="#g">Doutes sur la libertè de l’Escaut par le C. de<lb/>
Mirabeau</hi> p.</hi> 159.</note></p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[188/0194]
Die Herrn sind groſsmüthig, sind Menschen-
freunde, weils der Ton ihrer Zeit ist; ihre an-
gebliche Groſsmuth ist aber, beym Licht der
Wahrheit beleuchtet, nichts weniger als Edel-
muth, sondern Stolz und Selbstsucht. Ihre
vorgeprahlte Güte und Langmuth ist meisten-
theils Geistes-Schwäche. Ein Fürst mag im-
merhin sagen: Ich denke zu groſs, um mich
um das, was man von mir spricht, zu beküm-
mern; ich denke zu groſs, um das, was man
über mich schreibt, nicht zu verachten. Es
ist nicht wahr, wenn er so was von sich selbst
sagt. Bewuſstseyn seiner Härte, Stimme des
bösen Gewissens, Furcht vor noch mehrerer
Publicität, Furcht, das Murren eines gedrück-
ten und miſsvergnügten Volks nicht noch lau-
ter zu machen, Trotz auf seine Gewalt, Ver-
trauen auf seinen langen Arm ist es, der ihn
diese Sprache führen macht; und so lernt einer
vom andern, einer wird der Verführer des an-
dern, selbst des Guten und Bessern. So geht
dann das zarte innere Gefühl allmählig verloh-
ren, Kunst kommt an die Stelle der Natur:
*)
*) dictions. Voyès l’instabilité et la multiplicité des ordon-
nances de Joseph II. et de tous ses frères les Despotes.
Doutes sur la libertè de l’Escaut par le C. de
Mirabeau p. 159.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/194>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.